Bericht vom Vortrag mit Prof. Michael Esfeld

Prof. Michael Esfeld bei seinem Vortrag im KulturHaus Loschwitz — Foto: Hayek-Verein Dresden

„Lassen Sie sich nicht entmündigen!“

Der Wissenschaftsphilosoph verteidigt die offene Gesellschaft, kritisiert Szientismus und stellte sein Buch „Land ohne Mut“ vor.

Aus unserer Redaktion. — Dresden, 12. Oktober 2023

Gemeinsam mit Susanne Dagen und ihrem KulturHaus Loschwitz hatte der Hayek-Verein Dresden in dem schönen Vortragssaal in der Friedrich-Wieck-Straße eingeladen. Der Wissenschaftsphilosoph Prof. Michael Esfeld stellte hier auf unsere Einladung am 6. Oktober 2023 sein aktuelles Buch „Land ohne Mut. Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung“ vor. Die etwa 70 Plätze waren bereits kurz nach der Ankündigung vorbestellt und am Abend um 20 Uhr mit interessierten Zuhörern besetzt.

Begrüßende Worte sprach unser Vereinsvorsitzender Dr. Reinhard Günzel. Er berichtete, dass er das Buch von Michael Esfeld zunächst für ein weiteres kritisches Buch einer kaum noch zu überschauenden Reihe von Literatur zur Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen gehalten habe, – Bücher, die man gar nicht alle lesen könne. Er habe sich dann aber Esfelds „Land ohne Mut“ mit großem Gewinn gewidmet. Er erinnerte auch daran, dass dieses Buch als „unzumutbar“ von der Frankfurter Buchmesse ausgeschlossen worden ist. Selbst dies ist „außerhalb der ebenfalls oft genug von der sogenannten Cancel-Culture betroffenen Medien weitestgehend ignoriert worden“ (Redaktion achgut.com).

Esfeld erläuterte die aktuellen Gefährdungen

Prof. Esfeld referierte frei und engagiert und angelehnt an sein Buch seine Gedanken, die sich mit der Zukunft der offenen Gesellschaft befassen. Ausgehend von der vielzitierten, aber inzwischen widerlegten These des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama vom „Ende der Geschichte“ erläuterte Esfeld die aktuellen Gefährdungen. Die Corona-Maßnahmen und der Klimaschutz berufen sich auf Wissenschaftlichkeit. Der Wissenschaftsphilosoph erkennt hier die dogmatisierte Form des Szientismus, der bereits vor hundert Jahren in Gestalt der Eugenik – einer als Wissenschaft verbrämten Erbgesundheitslehre – die Menschenrechte suspendierte. Eugenische Betrachtungen waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitverbreitet und wurden breit diskutiert.

Mit dem prägnanten Begriff „Szientismus“ – der bereits von Friedrich A. von Hayek und Karl Popper methodisch kritisiert wurde – fasst Esfeld den politischen Aktivismus, der sich statt unabhängiger Wissenschaft zunehmend etabliert und die staatlichen Drangsalierungen der Bürger mit „neuer Normalität“ theoretisch unterfüttert. Der politische Mißbrauch der Wissenschaft durch Experten legitimiert Politiker scheinbar, die Gesellschaft umgestalten zu können. Kontrollmechanismen wie das berüchtigte Sozialkredit-System in China werden etabliert, „um den Menschen einen bestimmten Lebensweg aufzuzwingen“.

Wissenschaft sollte intrinsisch-anarchisch vorgehen

Prof. Esfeld plädierte vehement dafür, sich dagegen zu wehren: „Lassen Sie sich nicht entmündigen!“ Er erläuterte, dass Wissenschaft intrinsisch-anarchisch vorgehen solle, wenn Wissenschaftler Tatsachen in der Welt entdecken, statt der Politik ein unbegrenztes Regulierungsfeld zu legitimieren. Esfeld forderte auf, die eigene Urteilskraft zu bewahren und gegenüber Machtkonzentrationen skeptisch zu sein. Zur Lektüre empfahl er auch Kants „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ von 1784, bei der heute der Begriff der religiösen „Vormünder“ durch „Experten“ ersetzt werden könnte.

Einen für uns Hayekianer besonders interessanten Punkt sprach Esfeld an, als er meinte: „Das Fiatgeldsystem wird zusammenbrechen.“ Er sagte noch einmal mit Verweis auf Kant, wir bräuchten eine Rechtsordnung und sah diese im Minimalstaat gegeben. Dabei erwähnte er ausdrücklich Vorstellungen von Dr. Markus Krall zu einem 10%-Staat.

Optimistischer Ausblick: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Zum Ende seines Vortrag gab Prof. Esfeld einen optimistischen Ausblick: Steter Tropfen höhlt den Stein. Er registriert, wie sich eine freiheitsfreundliche, antiimperialistische Opposition organisiert. Mit Verweis auf die „Great Barington Declaration“ für eine natürliche Herdenimmunitätsstrategie meinte Esfeld: „Auch Besserung kommt aus den USA.“ (Im diffamierenden Wikipedia-Beitrag wird übrigens die „Great Barington Declaration“ als gegen die „wissenschaftliche Konsensmeinung“ gerichtete Kritik von der „Mehrheit an Experten“ zurückgewiesen.)

Nach dem Vortrag bis 20.45 Uhr schloß sich eine muntere Fragerunde an. Anschließend schrieb Prof. Esfeld persönliche Widmungen in Buchexemplare von „Land ohne Mut“, die zur Vertiefung erworben werden konnten.

Wir danken herzlich Prof. Michael Esfeld für seinen denkwürdigen Vortrag sowie Frau Dagen für die gastfreundliche Aufnahme in ihrem angenehmen und inspirierenden KulturHaus Loschwitz.

HINWEISE

Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? deutschestextarchiv.de
Redaktion achgut.com: Annäherung an einen Ausgestoßenen achgut.com
Boris Kotchoubey: „Land ohne Mut“ wird bestätigt achgut.com
Christoph Lövenich: Ausgestoßene der Woche: Achgut-Bücher achgut.com
Dirk Maxeiner: Wir lassen die Opfer des Corona-Regimes nicht im Stich achgut.com
Webseite cancelculture.de – Für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt. https://cancelculture.de/

BEGRIFFE

Wikipedia: Szientismus https://de.wikipedia.org/wiki/Szientismus
Wikipedia: Eugenik https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik
Wikipedia: Great-Barrington-Erklärung https://de.wikipedia.org/wiki/Great-Barrington-Erkl%C3%A4rung

 

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Informationen zum Vortrag und zum Buch

Der Vortragende: Prof. Michael Esfeld

Michael Esfeld, geboren 1966 in Berlin (West), ist seit 2002 ordentlicher Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne und Autor zahlreicher Bücher zu diesem Themenkreis. 2010 wurde Esfeld in die Leopoldina aufgenommen, die Deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften. 2013 erhielt er den Forschungspreis der Alexander-von-­Humboldt-­Stiftung. Seit 2022 gehört er dem Stiftungsrat des Liberalen Ins­ti­tuts der Schweiz an. Esfelds Anliegen ist die Rückkehr zu den Prinzipien wissenschaftlicher und ethischer Redlichkeit und zur Rechtsordnung. Webseite: https://www.michaelesfeld.com

– „Professor Michael Esfeld ist ein weltweit führender Wissenschaftsphilosoph, der einfluss­reiche Beiträge zur Metaphysik der Wissenschaften geleistet hat.“ (Alexander-von-Humboldt-Stiftung)

– „Michael Esfeld möchte den Konflikt zwischen der Erfahrung und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen wieder in eine zusam­men­hängende Weltsicht bringen.“ (Leopoldina, Deutsche Akademie der Wissenschaften)

Das Buch: Land ohne Mut


Michael Esfeld: Land ohne MutMichael Esfeld: Land ohne Mut. Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung (Achgut-Edition; New Edition, 2023)

Aus dem Vorwort

Menschen sind in der Lage, sich anzupassen, auch an gefährliche Situationen. Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, dass sie bei großen Veränderungen ein angemessenes Verhalten selbst entwickelt haben. Eine offene Gesellschaft kann aber auf die individuelle Urteilskraft, die von der Politik ausgeschaltet wird, nicht verzichten. Michael Esfeld weist darauf hin, dass es starke Bestrebungen gibt, der offenen Gesellschaft ein Ende zu bereiten. Das ist keine Verschwörungstheorie, weil das unverhohlen und klar ausgesprochen wird, wie er nachweist. Das Problem ist, dass diese Leute bisher nicht gestoppt worden sind. Wer sich ertüchtigen will, weil er es vorzieht, ein mündiger Bürger zu bleiben, statt ein zertifizierter, fremdgesteuerter Mensch zu werden, kann sich hier das nötige Rüstzeug holen.

Kurzbeschreibung

Eine Allianz aus Wissenschaft und Politik erhebt immer häufiger den Anspruch, über Erkenntnisse zu verfügen, die es rechtfertigen, sich über die Freiheit der einzelnen Menschen hinwegzusetzen. Die leidvollen Erfahrungen in der Covid-Krise haben gezeigt, wie auf diese Weise großer Schaden angerichtet werden kann. Inzwischen soll auch bei Themen wie Klima, Wokeness oder Krieg der Widerspruch außer Kraft gesetzt werden. Deshalb brauchen wir in Deutschland wieder mehr Mut, um als Wissenschaft getarnten Ideologien laut und offen zu widersprechen und stattdessen an den Fakten orientierte Entscheidungen zu treffen. Der Autor hat diesen Mut zum Widerspruch als renommierter Wissenschaftsphilosoph in der Corona-Krise bewiesen – und will mit diesem Buch auch seinen Mitmenschen Mut machen, mehr auf den eigenen Verstand und die eigene Urteilskraft zu vertrauen und sich dem Herdentrieb zu verweigern. In der Corona-Krise kam der Gesellschaft der Mut abhanden, ihre Abwehrrechte gegen einen übergrif­figen Staat zu verteidigen. Das postmoderne Denken hat zu einem System der zunehmenden sozialen und privaten Kontrolle geführt, in welchem der Staat möglichst alles steuern will. Michael Esfeld gelingt es, einen großen philosophischen Bogen zu spannen. Sein Plädoyer für das aufgeklärte Denken ist auch ein Aufruf zur Zivilcourage. Dieses Buch zeigt, dass wir durch die Rückkehr zur Vernunft den Angriff der Kollektivisten auf die offene Gesellschaft und den Rechts­staat abwehren können.

 

 

 

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