Bericht von unserer Sommerveranstaltung mit Prof. Habermann

Prof. Dr. Gerd Habermann bei seinem Vortrag in Guteborn — Fotos: Hayek-Verein

„Der Staat ist keine Kuh, die im Himmel gemästet und auf der Erde nur gemolken wird“

Wir hatten Vereinsmitglieder und Interessenten zum Vortrag von Prof. Habermann eingeladen, und es kamen so viele Freiheitsfreunde, dass wir auf den Sonnabend in Guteborn mit Stolz und Freude als den Jahreshöhepunkt zurückschauen können.

Aus unserer Redaktion. — Dresden, 17. Juli 2022

Das Ideal eines echten Liberalen war immer die Nonzentralisation der Macht nach dem Subsidiaritätsprinzip, also möglichst kleine politische Einheiten, allenfalls ein stark dezentralisierter Bundesstaat nach Vorbild der alten USA und der Schweiz. So mag er nicht ohne Wohlwollen auf die „Libertätenanarchie“ des alten Deutschen Reiches schauen. Es gibt eine Reihe von bedeutenden Autoren, die den Kleinstaat im 18. und 19. Jahrhundert verteidigt und Stellung gegen den Großstaat bezogen haben.

Gerd Habermann: Freiheit in Deutschland. Geschichte und Gegenwart (2021)

 

Der Veranstaltungsort – obwohl jetzt im Bundesland Brandenburg gelegen – hat für Sachsen einen historischen Bezugspunkt: Hier im Schloß Guteborn nahm vor gut 100 Jahren der letzte sächsische Herrscher Friedrich August III. seine Abdankungsurkunde mit den legendären Worten „macht doch eiren Dreck alleene“ entgegen. Damit endete die Herrschaft der Wettiner in Sachsen. In vieler Hinsicht ein Wendepunkt sächsischer Geschichte, denn auch der Föderalismus verlor zunehmend an Bedeutung und Sachsen blieb bis 1989, als von Sachsen aus der Ruf nach Freiheit immer lauter wurde, wirklich nichts erspart.

Herzliche Gespräche am Gedenkstein

Am 16. Juli 2022 gegen 15 Uhr trafen wir uns im Café Vergissmeinnicht, wo bei Kaffee und Kuchen bekannte Gesichter begrüßt und noch weitere am Verein interessierte Leute vorgestellt und in unseren Kreis eingeführt wurden. Erste herzliche Gespräche verlagerten sich dann in den Park um den Gedenkstein, in den der Satz des Königs „Ich verzichte auf den Thron“ graviert ist.

Das Willkommen und die Stärkung nach der Anreise im Café und den interessanten Auftakt hatten unsere Vereinsfreunde Rosmarie Otto und Siegfried Arendt organisiert, die die Gäste anschließend in ihr nahegelegenes Privathaus begleiteten und dort als Gastgeber der folgenden Stunden für einen in jeder Hinsicht angenehmen Aufenthalt sorgten.

Ehrengast und Vortragender war unser langjähriger Unterstützer und Förderer, Prof. Dr. Gerd Habermann. Sein angekündigter Vortrag unter dem Motto „Föderalismus stärken“ war ein Erlebnis. Eloquent und leidenschaftlich führte er seine etwa 30 Zuhörer durch die jüngere Geschichte und die aktuelle Politik. Zwar hatte er einige Blätter Papier dabei, auf die er ab und zu einen Blick warf, um wieder zum Hauptfaden zurückzufinden, aber seine Erklärungen und Erläuterungen waren frei vorgetragen und mit Daten und Fakten gespickt, sodass man nur den Hut ziehen kann. Dabei wurde deutlich, dass Prof. Habermann sich bezüglich der sächsischen Geschichte und der sächsischen Verfassung speziell und umfassend vorbereitet hatte.

Auch ein Text zum Nachlesen

Der Vortrag wurde akustisch aufgezeichnet. UPDATE: Bitte nach unten scrollen – dort steht die Audioaufzeichnung „ZUM NACHHÖREN“ zur Verfügung!

Möglicherweise wird Prof. Habermann auch einen Text zum Nachlesen ausarbeiten. Wir bleiben in gutem Kontakt und werden auf dieser Webseite ggf. davon berichten.

Ein paar Stichpunkte aus dem Vortrag sollen Appetit machen: Zur sächsischen Verfassung meinte Prof. Habermann, dass sie „voller Wohlfahrtsstaat“ sei, wobei sein Begriff „Wohlfahrtsstaat“ ja auf sein Buch von 1997 zurückgeht und „Die Geschichte eines Irrwegs“ beschreibt, der von der freien Marktwirtschaft in den paternalistischen Umverteilungsstaat führte und führt. Mit großer Freude signierte Prof. Habermann anschließend auf Bitte eines Vereinsfreundes das erkennbar gelesene Exemplar einer frühen Auflage.

Ausführlich widersetzte sich Prof. Habermann in seinem Vortrag platten politischen Forderungen nach „Gleichheit“ und „gleichwertigen Lebensverhältnissen“. Er forderte stattdessen Wettbewerb, auch in staatlichen Gliederungen, und somit „Wettbewerbsföderalismus“. Er rief den Zuhörern in Bewusstsein, dass „Wettbewerb ein Prinzip des Lebens“ sei: „Unser eigentlicher Gegner ist der Egalitarismus.“ Prof. Habermann stellte der „Gleichheit“ die „Gleichberechtigung“, die „liberale Gleichheit“, gegenüber und stellte fest: „,Sozial gerecht' ist ein Schwindel!“. Man könne nicht die natürliche „Chancenungleichheit“ leugnen oder beseitigen.

„Freibier macht durstig“

Immer wieder nahm er aktuelle politische Fehlentwicklungen aufs Korn: „Der Staat ist keine Kuh, die im Himmel gemästet, und auf der Erde nur gemolken wird.“ So bemerkte er zum 9-Euro-Ticket, das bei den linksgrünen Verstaatlichungs-Aktivisten so hoch im Kurs steht: „Freibier macht durstig.“

Prof. Habermann erörterte in seinem dem Föderalismus gewidmeten Vortrag mehrere verschiedene, mehr oder weniger gangbare Wege der Sezession. Die Ausgangslagen Deutscher Bund, Bundesstaat und Staatenbund, die Schweizerische und die USA-Verfassung wurden erklärt und verschiedene Initiativen genannt, das Selbstbestimmungsrecht zu erlangen.

„Mut verloren – alles verloren!“

Prof. Habermann schlug vor, die politische Macht zu föderalisieren und z. B. die Steuerhoheit wieder mehr auf untere Ebenen zu verlagern. Mit Blick auf die jüngere Geschichte meinte er, dass zur Resignation kein Grund bestehe und dass die ersten Dissidenten der DDR „auch in hoffnungsloser Lage“ waren, bis sich das Rad der Geschichte dann doch weitergedreht hat. Der Vortragende munterte abschließend auf mit dem Goethe-Wort: „Gut verloren – etwas verloren! Mut verloren – alles verloren!“

Unser Vereinsvorsitzende Dr. Reinhard Günzel dankte Prof. Habermann herzlich im Namen der Zuhörer. Eine anschließende Diskussion wurde im sonnigen Garten fortgeführt, wo gedeckte Tische und Stühle bereitstanden. Siegfried Arendt stand am Grill und Rosmarie Otto trug die ergänzenden Salate auf; Säfte, Wasser, Wein und verschiedene Biere löschten nach dem anspruchsvollen Vortrag den Durst.

Optimistisch für den weiteren Jahresverlauf

Wir schließen diesen kurzen Bericht über einen langen, gelungenen Tag nun ab mit dem Wunsch, dass die schönen Erlebnisse und intensiven Gespräche und Erkenntnisse in Guteborn uns optimistisch in den weiteren Jahresverlauf einstimmen. Wir werden ab September wieder die regulären monatlichen Treffen durchführen und haben dafür neue Interessenten gewonnen. Wir haben uns gestärkt, um mit Schwung weitere Veranstaltungen zu planen und recht viele Menschen mit liberalen Gedanken vertraut zu machen.

Ein Dankeschön an alle, die Guteborn für uns so erfolgreich möglich gemacht haben, und alle, die gekommen sind und weiterhin aktiv und interessiert zu unserem Verein stehen.

 

Begrüßung durch Dr. Günzel im Café Vergissmeinnicht
Vor dem Vortrag „Föderalismus stärken“
Prof. Habermann im Kreis der Zuhörer
Die große gemütliche Runde im Garten …
… und eine entspannte Damenrunde nach dem Vortrag.
Unsere Gastgeber Rosmarie und Siegfried waren überall: Am Grill bei den Würstchen …
… und als geschätzte Gesprächspartner in vielen Grüppchen.
„Offizielles Mannschaftsfoto“ des Tages in Guteborn: Prof. Habermann mit Vereinsvorständen, Gastgebern und Gästen

DER REFERENT

Professor Dr. Gerd Habermann hat nach interdisziplinärem Studium an den Universitäten Frankfurt/M., Wien, Tübingen und Konstanz mit einer Dissertation zur preußischen Sozialgeschichte abgeschlossen. Er war danach Assistent des Historikerverbandes in Heidelberg, dann am Soziologie-Lehrstuhl von Prof. Friedrich H. Tenbruck. Bei der freihändlerischen Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (heute: Die Familienunternehmer) baute er ein »Unternehmerinstitut« auf und leitete es bis 2010. Habermann ist Initiator und geschäftsführender Vorstand der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft. Seit 2003 ist er Honorarprofessor an der Universität Potsdam. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören: Der Wohlfahrtsstaat. Die Geschichte eines Irrwegs (3. Aufl. 2013), Freiheit oder Knechtschaft? Ein Handlexikon für liberale Streiter (2011) und Freiheit in Deutschland. Geschichte und Gegenwart (2020).

ZUM NACHHÖREN

 

 

 

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