Anmerkungen zur Vorstellung der Gestaltungsleitlinie für Dresden

Titelblatt der „Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden“ vom Oktober 2022 — Foto: Landeshauptstadt Dresden/Tom Schoper/Repro

Ein Hoffnungsschimmer in der mit Allerweltsbauten verunstalteten Stadt

Bei einer öffentlichen Veranstaltung am 28. Februar 2023 wurde die „Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden“ vorgestellt. Unser Vereinsmitglied, der Architekt Andreas Babucke, war unter den 150 Interessierten und hat seine Gedanken notiert.

Von Andreas Babucke. — Dresden, 4. März 2023

Veranstalter und Teilnehmer der Veranstaltung (Zitat aus der Pressemitteilung (siehe Anhang)):
Dr. Henrike Schoper und Dr. Tom Schoper, Atelier für Architektur, Dresden, als Autoren der Gestaltungleitlinie.
Prof. Wolfgang Sonne lehrt Geschichte und Theorie der Architektur an der TU Dortmund und gibt einen Rückblick auf die Historie von Gestaltungsleitlinien.
▬ Die aktuellen Herausforderungen für Raum und Grün in unseren Städten beleuchtet Claudia Blaurock, Landschaftsarchitektin aus Dresden.
▬ Den „Blick von außen“ auf die Gestaltungsleitlinie nimmt Ulrich Brinkmann ein, der Redakteur bei der Fachzeitschrift Bauwelt in Berlin ist.


Dr. Tom Schoper und Baubürgermeister Stephan Kühn erläuterten Veranlassung und Hintergrund der vorliegenden Leitlinie. Demnach handelt es sich hier (Broschüre kann heruntergeladen werden www.dresden.de/stadtplanung-publikationen; hier direkt als PDF) um einen Werkzeugkasten für die Gestaltung und Umgestaltung der städtischen Bebauung unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten, wie Funktionsverteilung, Verkehrserschließung, Grünflächen usw. Zudem werden an Hand zahlreicher anschaulicher Beispiele Gestaltungsprinzipien dargestellt, die sowohl für die jeweils betroffenen Gebäude als auch für die Umgebung/Nachbarschaft verträglich sind.

Orientiert auch am traditionellen europäischen Städtebau

Diese Gestaltungsprinzipien orientieren sich an einem menschlichen Maßstab und offensichtlich auch am traditionellen europäischen Städtebau. Die Leitlinie soll u. a. dazu dienen, eine lebendige und aufenthaltsfreundliche (Innen-)Stadt zu erreichen.

Der Plenarsaal des Rathauses war mit ca. 150 Besuchern gut besetzt. Etwa eine Stunde lang führten die Redner in das Hauptthema ein und ergänzten das mit tangierenden Themen. Anschließend fand ein Dialog zwischen Publikum und Podium statt, der die ein oder andere interessante Ergänzung brachte.

Mein Eindruck ist, dass hier tatsächlich eine gute Vorlage für die sinnvolle Umsetzung städtebaulicher Aufgaben erarbeitet wurde. Allerdings – und da muss die Kritik ansetzen – es ist lediglich eine Empfehlung. Insofern also doch unverbindlich und keine zwingende Vorgabe/Richtlinie. Das ist sehr bedauerlich, da auf diese Weise wohl die dringend erforderliche städtebauliche Qualität der Stadt weder nachträglich noch künftig hergestellt werden kann.

Heftige Kritik an der Bautätigkeit in der Stadt

Offensichtlich hatten die (engagierten) Dresdner zurückliegend heftige Kritik an der Bautätigkeit in der Stadt geäußert, die sich stark auf die zunehmende Verunstaltung der Stadt mit häßlichen Gebäuden bezogen haben muss.

Zwischen den Zeilen konnte ich heraushören, dass wohl auch die Stadtpolitiker (Stadträte) mit den (optischen) Ergebnissen dessen, was durch ihre Beschlüsse in Gang gesetzt wurde, heftig unzufrieden gewesen sein müssen. Insofern hatte die Stadt (wer auch immer der treibende Keil war) wohl endlich erkannt, dass sowohl sie selbst, als auch die Stadträte ein Instrument brauchten, um der Baukultur wieder ein wenig mehr Nachdruck verleihen zu können.

Letztendlich klang aus den Antworten auf die Fragen des Publikums vom Podium herab, dass dies schließlich auch eine Hilfe für die Architekten sei. Diese Äußerung wurde allerdings von einem Kollegen als wenig schmeichelhaft für den Berufsstand empfunden und er lehnte solcherart Belehrung ab.

Leitlinie „entschärft“ Auflagen des Stadtplanungsamtes

Aus meiner Erfahrung aus den gelegentlichen Besuchen der sog. Gestaltungskommission konnte ich mir die Notwendigkeit der Leitlinie auch anders erklären. Dort war öfters der Eindruck entstanden, dass sich die Architekten auf die Hinweise der Jury freuten, weil diese die zuvor eingearbeiteten Auflagen des Stadtplanungsamtes „entschärften“.

Andererseits ist mir bekannt, dass die Stadträte der Baukommission in der Vergangenheit keine gute Meinung vom Stadtplanungsamt hatten. Auch waren frühere Versuche, den Stadtpolitikern eine Leitlinie für die Stadtgestaltung an die Hand zu geben, gescheitert.

Insofern ist die nunmehrige Existenz der Gestaltungsleitlinie einerseits ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Zukunft. Andererseits darf bezweifelt werden, ob derartig zaghafte Versuche auch nur annähernd eine sichtbare Wirkung erzielen werden.

Alle Lücken sind mit Gesichtslosem zugestopft

Erstens sind alle wichtigen Lücken (Neumarkt ausdrücklich ausgenommen, obwohl auch dort ein paar „Querschläger“ eingebaut worden) inzwischen mit häßlichen und gesichtslosen Allerweltsbauten zugestopft. Rückbau vermutlich ausgeschlossen?

Zweitens führt das immer öfter dazu, dass der Nachbar sich auf BGB § 34 (Anpassung an die Nachbarschaft) auf die Häßlichkeit des Nachbargebäudes berufen kann.

Drittens müssten plötzlich an allen bauentscheidenden Stellen glühende Verfechter des traditionellen europäischen Städtebaus sitzen. Das scheint mir aber ebenso unwahrscheinlich, wie die gestalterische Rettung des neuen Rathauskomplexes.

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ANHANG

Pressemitteilung vom 15. Februar 2023
Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden wird vorgestellt

Öffentliche Veranstaltung am 28. Februar im Neuen Rathaus

In einer öffentlichen Diskussionsrunde am Dienstag, 28. Februar 2023, 19 Uhr, im Neuen Rathaus, Plenarsaal, Rathausplatz 1, Eingang Goldene Pforte, wird die „Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden“ des Amtes für Stadtplanung und Mobilität vorgestellt. Einlass in den Plenarsaal ist ab 18.30 Uhr.

Die Gestaltungsleitlinie liegt als Broschüre aus. Sie ist ein Bekenntnis zur Baukultur in Dresden und bietet eine sorgfältige Analyse darüber, was gute Baukultur in Dresden ausmacht und durch welche Stadträume Dresden geprägt ist. Für alle zukünftigen Bauherren in Dresden stellt sie eine positive Herausforderung dar und lädt zu einem Diskurs über die beste Lösung an dem jeweiligen Ort ein. Die Gestaltungsleitlinie widmet sich ausdrücklich auch dem nachhaltigen Bauen.

Die Referentinnen und Referenten betrachten die Gestaltungsleitlinie aus ihren jeweiligen Blickwinkeln und mit verschiedenen beruflichen Hintergründen: Baubürgermeister Stephan Kühn erläutert Anlass und Anspruch der Gestaltungsleitlinie. Eine Einführung in die Inhalte der Gestaltungsleitlinie geben Dr. Henrike Schoper und Dr. Tom Schoper, Atelier für Architektur, Dresden, als Autoren der Gestaltungleitlinie. Prof. Wolfgang Sonne lehrt Geschichte und Theorie der Architektur an der TU Dortmund und gibt einen Rückblick auf die Historie von Gestaltungsleitlinien.

Die aktuellen Herausforderungen für Raum und Grün in unseren Städten beleuchtet Claudia Blaurock, Landschaftsarchitektin aus Dresden. Den „Blick von außen“ auf die Gestaltungsleitlinie nimmt Ulrich Brinkmann ein, der Redakteur bei der Fachzeitschrift Bauwelt in Berlin ist. Dr. Tom Schoper moderiert die Veranstaltung. Interessierte haben die Möglichkeit, sich in die Diskussion einzubringen.

Die „Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden“

Ausgangspunkt war für eine Gestaltungsleitlinie war, dass Bürgerschaft, Stadträte und Medien eine oft gesichtslose und austauschbare Architektur von Dresdner Wohn- und Geschäftshäusern bemängelten. Sie beklagten einen Verlust an Baukultur in der Landeshauptstadt. Aus diesem Grund beauftragte der Stadtrat die Verwaltung 2019, Empfehlungen zur Gestaltung, Architektur und Stadtplanung in Dresden aufzustellen. Das Amt für Stadtplanung und Mobilität hat deshalb zusammen mit dem Dresdner Büro „schoper.schoper Atelier für Architektur“ die Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden erarbeitet. Der Stadtrat hat diese am 31. August 2022 beschlossen.

Die „Gestaltungsleitlinie für Architektur und Stadtraum in Dresden“ definiert baukulturelle Grundsätze an Dresden im 21. Jahrhundert. Wann empfinden wir die Stadt als lebenswert?

Das scheinbar einfache Wort „lebenswerte Stadt“ fächert sich weit auf: Eine Stadt soll städtisch sein – ein breites Angebot an Läden, Gewerbe, Kultur, an Infrastruktur sowie an Angeboten für Bildung, Sport und Freizeit vereinen. Sie soll bei aller stadttypischen Dichte durchgrünt sein, ökologisch ausgewogen zwischen befestigten Flächen und offenem Grün sein. Städte sollen weitgehend barrierefrei sein. Auf ihren Straßen und Plätzen soll man sich Tag und Nacht sicher fühlen. Freiflächen und naturnahe Zonen sollen den klimatischen Bedingungen ohne Verlust und Artensterben widerstehen können. Eine Stadt muss nachhaltig sein – heißt Architekten müssen sich um einen verantwortungsvollen Umgang mit den begrenzten irdischen Ressourcen kümmern. Nicht zuletzt muss eine Stadt in den Augen der Bürger und Gäste schön sein.

Die Broschüre gibt es zum kostenfreien Download unter www.dresden.de/stadtplanung-publikationen Die gedruckte Version liegt im Rathaus, im Amt für Stadtplanung und Mobilität (Plankammer) sowie in weiteren öffentlichen Einrichtungen wie den Stadtbezirksämtern kostenfrei zur Mitnahme aus.

Amt für Stadtplanung und Mobilität/Plankammer
Freiberger Straße 39, 01067 Dresden
E-Mail: plankammer@dresden.de
Telefon: 0351-4883415

Landeshauptstadt Dresden
Amt für Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Protokoll
Telefon 0351-4882390 | Fax 0351-4882332
Dr.-Külz-Ring 19, 01067 Dresden | Postfach 120020, 01001 Dresden
presse@dresden.de | www.dresden.de | www.facebook.de/stadt.dresden

DER AUTOR

Der Autor Andreas Babucke ist von Beruf Architekt sowie Mitglied unseres Vereins. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Vereins wieder und werden hier als Diskussionsbeitrag veröffentlicht.

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