EZB kauft Staatsanleihen ohne Begrenzung. Kommen Corona-Bonds?

Ursula von der Leyen — Foto: CC-BY-4.0: © European Union 2019 – Source: EP

Welche Unternehmen sind „gesund“?

Vergemeinschaftung der Staatsschulden als „Wiederaufbauplan“

Kommentiert von Dr. Joachim M. Keiler. — Dresden, 29. März 2020

Während Ursula von der Leyen „gesunde Unternehmen“ retten will, kauft die EZB Staatsanleihen ohne Begrenzung. Wenn die EU am Plan arbeitet, „gesunde Unternehmen“ zu retten, wer bestimmt dann, welche Unternehmen gesund sind? Überhaupt, was wollen die denn „wiederaufbauen“? Es gibt Umsatzausfälle, leider sehr hohe. Es zeigen sich Grenzen der Globalisierung bei Störungen der Lieferketten, auch nicht überraschend. Der Konsum bricht ein, als Folge der Maßnahmen und als Folge der Vorsicht der Verbraucher. Die sind klüger als so manche denken. Das kann alles die Wirtschaft selbst korrigieren.

Einzig feindliche Übernahmen gilt es abzuwehren. Das aber ist Aufgabe nationaler Regierungen, nicht der Kommission. Auch Euro-Bonds fallen nicht in den Kompetenzbereich der Euro-Gruppe, schon gar nicht der EU. Daß die EZB ein Eigenleben entwickelt hat, das an Staatsfinanzierung grenzt, mag sein.

Deshalb verstehe ich nicht, was Frau von der Leyen meint, wenn sie sich zitieren läßt wie folgt:

Gleichzeitig mache sie sich Sorgen, dass sich die wirtschaftliche Kluft in der EU vertiefe, fügte von der Leyen hinzu. „Das Ziel Europas war es doch immer, dass wir wirtschaftlich zusammenrücken.“ Italien stecke unverschuldet in der Corona-Krise und sei wirtschaftlich schwer getroffen. Gesunde Unternehmen müsse man retten. „Da haben wir als Kommission vom Rat den Auftrag bekommen, den Wiederaufbauplan zu entwerfen, das ist jetzt die Schiene, auf der wir arbeiten“, sagte von der Leyen.(n-tv)

Das ist weder mikro- noch makroökonomisch richtig bedacht. Die Corona-Krise trifft die gesamte Welt wirtschaftlich schwer. Gesunde Unternehmen muß man nicht retten, Man kann sie vielleicht vorübergehend stützen. Eine wirtschaftliche Kluft besteht doch keineswegs zwischen den gesunden europäischen Unternehmen, sondern zwischen den zum Teil wirklich ungesund überzogenen Haushalten einiger Mitgliedsstaaten der EU und des Euro-Raumes. Firmenstützung durch Liquiditätsversorgung ist Aufgabe der Banken, allenfalls Förderinstitute. Die Staatshaushalte stehen in Verantwortung der jeweiligen Regierungen. Wo will die Kommission also einen Wiederaufbauplan entwickeln? Bürokratieabbau wäre dagegen ein Vorschlag.

Übrigens: An sich hätte Deutschland zuletzt das Recht gehabt, den EZB-Präsidenten zu stellen. Herr Weidmann war im Gespräch und so gut wie gesetzt. Macron hatte Merkel abgerungen, darauf zu verzichten und Frau von der Leyen als Kommissionspräsidentin zu installieren. Merkel wollte ihre Flüchtlingspolitik „besichert“ wissen und nicht die Finanzierungs-Hoheit in deutscher Hand wissen. Die Französin Lagarde wurde EZB-Präsidentin. Auch das war ein Riesenfehler, wie sich bald zeigen wird. Die Vergemeinschaftung der Staatsschulden kommt jetzt durch die Hintertür – wegen der Krise aber in Riesenschritten.

QUELLEN

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n-tv – 28. März 2020

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Hunderte Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm waren erst der Anfang. Nun zieht die Europäische Zentralbank nach. Bisher hatte sie sich Limits gesetzt, diese bröckeln jetzt. Dabei haben die Währungshüter ihre mächtigste Waffe noch nicht mal gezückt.
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