Freiheit als Wagnis und Erlebnis – am Steuer eines Segelflugzeugs

Bernd Dörner im Cockpit eines TWIN III vom Hersteller Grob Luft- und Raumfahrt. — Foto: Bertold Krupke

Fliegen lernen mit über 60?

Aber klar, auf zu neuen Horizonten!

Selbst ein Segelflugzeug steuern? Unser Gastautor Bernd Dörner fasst einen Entschluss, absolviert Lehrgänge und Prüfungen. Dann geht’s allein in die Freiheit „über den Wolken“.

Von Bernd Dörner. — Alt Ruppin, 19. Oktober 2020

Anfang Juli 2018 saß ich in unserem kleinen Garten in Alt Ruppin und schaute in den Himmel. Ein Segelflieger, soviel erkannte ich wohl. Doch warum flog der denn minutenlang nur im Kreis? Unerklärlich und irgendwie blöd, dachte ich. Später kam ein zweiter und tat es dem ersten nach. Das will ich ergründen, ich will fliegen lernen.

Nach ersten Recherchen hatte ich dann einen Herrn Ehmke am Telefon. Wir verabredeten uns am Flugplatz in Neuruppin. Dort mit dem Auto angekommen sah ich ein weites Feld und linker Hand ein seltsames Fahrzeug mit blinkender Rundumleuchte. Dort musste es sein und die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist ja bekanntlich die Gerade. Die dann folgende Zurechtweisung erschien mir im Nachhinein – heute die Gefahren kennend – eher milde. Jedenfalls kam es an diesem Tag noch zu meinen ersten beiden Gastflügen. Ich war danach ziemlich fertig, aber auch begeistert.

Sicherheit bei der Eroberung der dritten Dimension

Im August 2018 – kurz vor meinem 62sten Geburtstag – trat ich dem Flugtechnischen Verein Spandau 1924 e. V. bei. Manche Flüge bleiben in Erinnerung. So die Nummer 21 im September 2018. Sofort nach der Landung sprang mein Fluglehrer Michael Graeper aus seiner Kanzel, baute sich vor mir auf und rief: „Was war das denn?“ Ich meinte bis dahin so für mich, hey, das war doch ganz ordentlich. „Perfekt“, rief er, „einschließlich Landung, ganz ohne Fehler“. Doch es war wohl einfach nur ein mit etwas Glück gelungener Flug, erst ab etwa Flug 65 fühlte ich mich selbst sicher.

Nach etwa 30 Flügen der erste mögliche Alleinflug? Ich glaube, das ist der Jugend vorbehalten. Wir Älteren brauchen einfach länger für die Eroberung der dritten Dimension. Und das sollte man auch akzeptieren. Von Vorteil dabei ist, dass man seine Fluglehrer besser kennen lernt. Alle sind souverän und sicher und doch hat jeder seine pädagogischen Nuancen: Die ruhige Art von Dirk Bernhardt, der diese immer vor dem Start auch verbal rüber bringt. Oder Jannes Siems, der manchmal kaum spricht während des Fluges, nach dem Aussteigen meist erst verschmitzt lächelt, bevor er mit seiner professionellen Auswertung beginnt. Und Michael, der schon während des Fluges mit positiver Ausstrahlung auf Fehler hinweist. Auch gut.

Theorie mit 100 Prozent bestanden, aber Praxis unterschätzt

Am 17. August 2019 – nunmehr kurz vor meinem 63sten Geburtstag – war es dann endlich soweit: Meine A-Prüfung. Mit den Flügen 106 bis 108 schenkten mir die Fluglehrer ihr Vertrauen und ich konnte das mit Ruhe und Konzentration bestätigen.

Von November 2019 bis Januar 2020 absolvierte ich den Theorielehrgang am Institut für Luft- und Raumfahrt an der TU Berlin und besuchte die Vorlesungen zum Erwerb des Sprechfunkzeugnisses (BZF II) über die Akaflieg Berlin. Letzteres wurde am 6. Februar 2020 durch die Bundesnetzagentur Bonn geprüft: Theorie mit 100 Prozent bestanden, Praxis nicht bestanden.

Überheblichkeit? Nein. Doch muss ich gestehen, dass ich den praktischen Teil sehr unterschätzt habe. Ich teilte dieses negative Ergebnis sofort meinen Fluglehrern mit und neben Tipps von Michael und Dirk bot mir Jannes gemeinsam mit Bertold Krupke ein direktes Training an. Wir übten also gemeinsam zwei Mal zirka drei Stunden An- und Abflüge mit dem dazugehörenden und nicht einfachen Zurücklesen. Beide machten mich fit – dafür bin ich noch heute sehr dankbar – und ich bestand die Wiederholungsprüfung am 27. Februar 2020.

Wieder Prüfungen und dann ein 50-Kilometer-Alleinflug

In diesem Jahr stehen die Prüfung der Themen des Theorielehrganges (LAPL(S)/SPL), die B-Prüfung und der 50-Kilometer-Alleinflug an. Sicher können mir meine Fluglehrer und ich selbst wieder das eine oder andere Geburtstagsgeschenk – diesmal vielleicht kurz vor meinem 64sten – machen. Immer weiter!

Wir sind beim FTV Spandau in Neuruppin ein charakterlich und fachlich großartiges Team mit ausgezeichneten Fluglehrern und Verantwortlichen und möchten vor allem der Generation 60 plus Mut machen, etwas Neues zu wagen.

Heute weiß ich also, dass ein in der Luft kreisendes Segelflugzeug an dieser Stelle Thermik (in der Fachsprache einen „Bart“), also aufsteigende Luft, gefunden hat. Es schraubt sich mit einem bis durchaus mal sieben Meter je Sekunde optimal auf die zulässigen 2.000 Meter Höhe. Das ist wichtig für Streckenflüge, die über Hunderte Kilometer gehen können.

DER AUTOR

Bernd Dörner ist Diplom-Bauingenieur (FH), studierte in Magdeburg und Leipzig, ist jetzt Ruheständler und als ehrenamtlicher Richter beim Amtsgericht in der brandenburgischen Kreisstadt Neuruppin tätig.

DIE QUELLE

Der Lilienthaler – Heft 3/2020 – 23. Jahrgang – A46951 – Zeitschrift der Landesverbände Berlin und Brandenburg im DAeC: Der Lilienthaler und Lilienthaler Online. Wir danken dem Autor für die freundliche Erlaubnis, seinen „Lilienthaler“-Artikel hier übernehmen zu dürfen.

LINKTIPPS

Webseite des Flugtechnischen Vereins: FTV Spandau 1924 e.V.
Webseite der Interessengemeinschaft Segelfluggelände Neuruppin: Neuruppin Segelflug

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