Peter K. Jaensch: Wo stehen wir heute und was können wir tun? – Teil 3

Zug zum Hambacher Fest — Foto: Federzeichnung von 1832/Wikimedia

Einigkeit und Freiheit

Der deutsche Nationalstaat im 21. Jahrhundert

Von Peter K. Jaensch M.Ed. — Dresden, 5. Januar 2022

Einigkeit bestand bei den Alliierten nach ihrem totalen Sieg, daß der deutsche Nationalstaat für immer von seiner Vormachtstellung befreit werden sollte. Nachdem in den ersten beiden Teilen dieser Artikelserie zum Thema Freiheit die polarisierende und selbstzerstörerische Wirkung von Freiheit im Vordergrund stand, soll im dritten Teil die Zukunft Deutschlands als Nationalstaat thematisiert werden.

Freiheit wird hier als staatliche Selbständigkeit sowie als die Sicherheit des Einzelnen vor staatlichen Übergriffen verstanden. Die politische Ordnung einer größeren Gruppe von Menschen wird als „Nationalstaat“ bezeichnet, wenn diese Gruppe gemeinsame Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, Bräuche und Abstammung besitzen.

Wohlstand im neugegründeten deutschen Nationalstaat

Anders als z.B. in Frankreich und USA, galt die Gründung des deutschen Nationalstaats nicht der politischen Selbstbestimmung des deutschen Volkes und dem Schutz des Individuums vor staatlichen Übergriffen, sondern dem Machterhalt Preußens. Nicht die Befreiung der Deutschen von der Allmacht der Fürsten war gemeint, sondern der freiwillige Verzicht dieser auf herrschaftliche Rechte zugunsten eines von einer Zentralgewalt gelenkten Staates mit einer geregelten Rechtsordnung und einer effektiven Verwaltung.

Mit anderen Worten, bei der Gründung des deutschen Nationalstaats in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag die politische Führung nicht beim Volk, sondern beim preußischen König. Und obwohl das Völkerrecht die Beziehungen zwischen Staaten auf der Grundlage der Gleichrangigkeit regelt, so galt das für Deutschland von Beginn an nicht. Denn aus Preußen und dem Deutschen Bund war durch Bismarck eine neue Großmacht in Europa entstanden, die das bestehende Gleichgewicht der Mächte nachhaltig veränderte. Beides, die fehlende Selbstbestimmung des Volkes nach innen und die fehlende Gleichberechtigung nach außen sollten sich als eine schwere Bürde für den deutschen Nationalstaat und die Freiheit der Deutschen erweisen.

Der deutsche Nationalstaat entwickelte sich schnell zu einem leistungsstarken Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort. Das gewaltige Anwachsen des Wohlstands war unübersehbar. Heutige Wirtschaftshistoriker gehen davon aus, daß das deutsche Volkseinkommen sich in dieser Zeit mehr als verdreifacht hat [1]. Aber anstatt zu einer Gleichberechtigung mit den anderen europäischen Mächten zu führen, führte dies zu zwei Weltkriegen, die beide verloren gingen.

In zwei Weltkriegen besiegt

Wie beim Ersten, so galt beim darauf folgenden Zweiten Weltkrieg Deutschland als Störfaktor. Daher herrschte Einigkeit bei den Alliierten Siegermächten, daß Deutschland für immer von einer Vormachtstellung befreit werden sollte.

Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg erhielt Deutschland eine Verfassung, die nicht vom deutschen Volk, sondern für das deutsche Volk erlassen wurde [2]. Es gab auch gute Gründe dafür, wie zum Beispiel die noch ungeregelte Bestimmung des Staatsgebiets und des Staatsvolks nach der totalen Niederlage.

Für ein Volk, das bis in seine frühesten Erinnerungen zurück, nur die uneingeschränkte Herrschaft einer Person kannte, bedeutete dieser Zusammenbruch der überlieferten Ordnung eine Erschütterung bis in die tiefsten Schichten seines Bewußtseins. Ratlos stand es dem Verzicht auf eine hierarchische soziale und politische Ordnung gegenüber, die seit Jahrhunderten ein Grundelement seines Zusammenlebens gewesen war.

Auflösung des deutschen Nationalstaats

Zur Lösung der deutschen Frage im Spannungsfeld zwischen deutschem Einheitsstreben und europäischen Sicherheitsbedürfnissen soll nach der durch den Alliierten Kontrollrat verfügten Auflösung Preußens in einen deutschen Nationalstaat, dieser nun in einem multikulturellen europäischen Staatenbund aufgehen [3]. Durch diesen Schritt soll das deutsche Volk von seinem durch Überlieferung, Gewohnheit und monarchischen Vorrechten geprägten autoritären Denken „befreit“ werden. Wie die folgende Äußerung des ehemaligen SPD-Mitglieds und Herausgebers der Monatszeitschrift konkret Hermann L. Gremliza zeigt, ist dieser Eingriff in die menschliche Psyche mit massiven seelischen Störungen verbunden:

„Als wäre 'Deutschen-Hasser' nicht die moralisch einzig vertretbare Haltung, die ein Beobachter dieser widerwärtigen Nation einnehmen kann. Er haßt ja nicht die Bürger der BRD oder der DDR, sondern den stinkenden Kadaver 'Deutschland' und jene 'Deutschen', die ihn ausbuddeln und wiederbeleben wollen.“ [4]

Deutschland als „gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa“

Im Grundgesetz ist nicht mehr von einer deutschen Nation die Rede, sondern von Deutschland als „gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa“ [5]. Das nach zwei Weltkriegen verlorengegangene Jahrhunderte alte Gleichgewichtssystem der europäischen Mächte soll durch ein europäisches Integrationssystem ersetzt werden, um die machtpolitische und ökonomische Großmacht Deutschland besser eindämmen zu können. Dabei soll anderen Ländern dauerhaft eine nachhaltige Wirtschaftsweise aufgezwungen werden, die deren politischen und ökonomischen Traditionen und Mentalitäten widerspricht [6]. Für Frankreich und die anderen europäischen Mittelmeerländer kann das europäische Projekt zur Einbindung Deutschlands daher nur bei Umgehung geltenden Rechts gelingen [7]. Dabei ist Deutschland der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion unter der vertraglichen Vereinbarung rechtlich verbindlicher Sicherungen beigetreten. Hier liegt der Konstruktionsfehler der europäischen Einigung. Das deutsche Volk wird dabei laufend getäuscht und von seiner Führung und den Medien im Stich gelassen.

Die Lösung dieses Konflikts, den die deutsche Funktionselite aktiv unterstützt, liegt in der Auflösung des deutschen Nationalstaats mit seiner traditionellen Rechtsauffassung. Nach ihren Vorstellungen soll der deutsche Nationalstaat durch eine multikulturelle Willensnation ersetzt werden, in der, wie in Frankreich, die Politik Vorrang vor dem geltenden Recht genießt [8]. Das wird als Preis, den Deutschland für die Rettung des europäischen Projekts sowie für die Erlösung von seiner Schuld zu zahlen hat gesehen.

Kollektivschuld [9] als Disziplinierungsmittel

Eine Minderheit, die glaubt zu wissen, was gut für Deutschland ist, arbeitet somit an der Auflösung des deutschen Nationalstaats. Der Massenmord an den europäischen Juden wird als ein geeignetes Mittel angesehen, um das Volk hierfür gefügig zu machen, da er sich dem „konventionellen Verstehen entzieht“[10]. Da er auch keinen erkennbaren Sachzwängen gefolgt ist, muß er einem „absoluten, grundlosen, gleichsam teuflisch Bösen entsprungen sein [11]“. Oder einem dem Menschen eigenen Aggressionstrieb, denn laut dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz kennt der Mensch keine Aggressionshemmung wie das Tier. Er kann ungehemmt aggressiv auftreten. Als ein Volk von Dichtern und Denkern haben wir nicht nur die Höhen, sondern auch die Tiefen des Menschseins durchmessen. Wenn Untiefen zum Menschsein dazu gehören, dann ist es eine frevelhafte Selbstüberhebung, sich über oder unter andere stellen zu wollen.

Was können wir tun?

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DIE ERSTEN TEILE

Teil 1 von „Wo stehen wir heute und was können wir tun?“ erschien unter dem Titel Die unerträgliche Freiheit. Wie Recht und Ordnung heute verspielt werden
Teil 2 von „Wo stehen wir heute und was können wir tun?“ erschien unter dem Titel Vom Verlust der Freiheit. Wie Recht, Ordnung und Wohlstand heute verspielt werden

ANMERKUNGEN UND QUELLEN

[1] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/die-darstellung-des-kaiserreichs-ist-oft-verkuerzt-17148429.html (abgerufen 3.1.2022)
[2] „Da das deutsche Volk innerhalb von nur einer Generation nicht weniger als zwei Weltkriege verloren hatte, sah man es als nicht in der Lage, sich eine erneute Verfassung zu geben. Die Aufrechterhaltung von Ordnung und Disziplin galt als wichtiger als die Herstellung eines positiven Selbstbezugs durch eine sonst übliche nationale, freiheitliche, bürgerliche-liberale Staatsgründung.“
Die Antwort der deutschen Seite auf die Aufforderung durch die westlichen Besatzungsmächte, eine „deutsche Nationalversammlung“ einzuberufen, lautete: „Die Einberufung einer deutschen Nationalversammlung und die Ausarbeitung einer deutschen Verfassung sollen zurückgestellt werden bis die Voraussetzungen für eine gesamtdeutsche Regelung gegeben sind und die deutsche Souveränität in ausreichendem Maße wiederhergestellt ist.“ [Hervorhebung PKJ]
Becker/Stammen/Waldmann (Hrsg.), Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Seite 386 bzw. 387, München 1979
[3] Am 25. Februar 1947 wurde durch das vom Alliierten Kontrollrat verfügte Gesetz Nr. 46 die Auflösung des Staates Preußen beschlossen. In einem stillschweigenden Konsens mit den Deutschen sollte hiermit der Weg für die Vollendung der Deutschen Einheit im Rahmen einer europäischen Lösung der historischen 'Deutschen Frage' geebnet werden. Gerhard Dassow (Autor), Die Auflösung des Staates Preussen. Einführungstext abgerufen 1.1.2022 bei https://www.peterlang.com/document/1049707
[4] Eine Sammlung weiterer deutschlandfeindlicher Zitate einschließlich solcher von Mitgliedern der jetzigen deutschen Regierung findet sich unter http://de.pluspedia.org/wiki/Deutschfeindliche_Zitate_von_Prominenten (abgerufen 1.1.2022).
„Eine entspannte Verwurzelung in der eigenen nationalen Identität ist für die wenigsten Deutschen möglich. […] Ein natürliches, gelassenes Selbstbewusstsein und ein positives nationales Selbstbild können sich nicht entwickeln ohne eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.“ Entnommen der Rückseite des Schutzumschlags von: Gabriele Baring, Die Deutschen und ihre verletzte Identität, Berlin 2017
[5] Der erste Satz der Präambel zur Einführung in das Grundgesetzes lautet: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“[Hervorhebung PKJ] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/pr_ambel.html (abgerufen 4.1.2022)
[6] Dominik Geppert, Ein Europa das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro. Seite 137, Berlin 2013: „Einerseits ist Deutschland zu stark, um sich in die Institutionen der Währungsunion einzufügen, und zu mächtig, um dort als Gleicher unter Gleichen zu agieren. Es ist aber auch zu schwach, um im Rest der Eurozone die deutsche Politik durchzusetzen. Vor allem wird es nicht gelingen, anderen Ländern dauerhaft eine nachhaltige Haushaltspolitik aufzuzwingen, die deren politischen und ökonomischen Traditionen und Mentalitäten widerspricht.“ [7] Geppert, Seite 92 „Auch in Frankreich zieht sich die Vorstellung vom Vorrang der Politik und vom instrumentellen Charakter des Rechts von den Anfängen des bürokratischen Staates im absolutistischen Zeitalter bis in die Gegenwart der Fünften Republik.“
[8] Siehe hierzu Martin Wagener: Die neu konstruierte Nation – Die Politik der Bundesregierung ist darauf ausgerichtet, aus der gewachsenen deutschen Kulturnation eine multikulturelle Willensnation zu machen. Tichys Einblick 08/21, Seite 30–32
[9] „Dem gesamten deutschen Volk muss eingehämmert werden, dass die ganze Nation an der gesetzlosen Verschwörung gegen die Gesittung der modernen Welt beteiligt war.“ (Präsident Roosevelt). „Die Schläge dieses 'Hammers' wirken bis heute nach.“ Entnommen der Rückseite des Schutzumschlags von: Heinz Nawratil, Der Kult mit der Schuld. Geschichte im Unterbewusstsein, München 2002
[10] „Der prominenteste Singularitäts-Narrator, der Historiker Dan Diner, hatte vor knapp 35 Jahren den Begriff ‚Zivilsationsbruch' geprägt, der viel mehr meint als die Tatsache, daß die Monstrosität des Massenmords an den europäischen Juden die zivilisatorischen Standards und Vorstellungen sprengt.“ Thorsten Hinz: Heißer Streit um die Unvergleichbarkeit. Holocaust und Kolonialschuld: Der australische Historiker A. Dirk Moses hat eine geschichtspolitische Debatte entfacht. JUNGE FREIHEIT 47/21, 19.11.2021, Seite 19
[11] Hinz: „Soll heißen, daß der Holocaust keinerlei nachvollziehbare Vorgeschichte gehabt habe, keinen ökonomischen, militärischen, politischen oder anderweitigen Berechnungen, Erwägungen und Sachzwängen gefolgt sei. Folglich muß er einem absoluten, grundlosen, gleichsam teuflischen Bösen entsprungen sein, das seinen Grund allein in sich selbst findet – und von dem Kant allerdings schrieb, daß es auf die Menschenwelt nicht anwendbar sei.“

DER VERFASSER

Peter K. Jaensch M.Ed. ist Magister der Erwachsenenbildung und Personalentwicklung (Bradford Universität England), Dozent in der Erwachsenenbildung, Übersetzer und Dolmetscher für die englische Sprache, Mitarbeit an der Handlungshilfe für Rufdienste „The Call Centre Training Handbook“, London 2008.
Die Idee zum Schreiben der Artikelserie „Wo stehen wir heute und was können wir tun?“ kam mir während meiner Teilnahme an einem Lehrgang für Philosophische Anthropologie unter der Leitung der Hochschule München.
Als vergleichsweise junge Wissenschaft – als eigene Fachrichtung ist die Anthropologische Philosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert entstanden – befaßt sie sich in erster Linie mit der Freiheit und schöpferischen Leistungsfähigkeit des Menschen. In diesem Sinne möchte ich in verständlicher Sprache zur Klärung unserer heutigen Lebenssituation beitragen.
Kontakt: p.jaensch@englisch-kommunikation.net; www.englisch-kommunikation.net

HINWEIS

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