Schlesinger und das Schlaglicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Patricia Schlesinger, bis zu ihrem Rücktritt RBB-Intendantin — Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons

Top-Juristen kritisieren politische Unausgewogenheit der Berichterstattung

Wie in der „Bonzensiedlung Wandlitz“ – Affäre um RBB-Chefin ist der Image-Supergau für zwangsfinanzierte Medien

Aus unserer Redaktion. — Dresden, 10. August 2022

RBB-Intendantin Patricia Schlesinger mußte am 7. August 2022 zurücktreten. Die Affäre hat auch ein Schlaglicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) geworfen, denn die mutmaßlich verschwendeten oder veruntreuten Gelder speisten sich aus Zwangsabgaben der Bürger. In diesem Zusammenhang kritisieren renommierte Juristen die zunehmend politische Unausgewogenheit in der Berichterstattung der ÖRR-Medien. PC-WELT meint dazu:

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland entwickelt sich die Affäre um Patricia Schlesinger immer mehr zu einem Image-Supergau.

Die Liste der konkreten Vorwürfe gegen Schlesinger ist lang. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über Vorwürfe und Verfehlungen sowie über politische Reaktionen gegeben werden:

Vier-Gänge-Menü und Champagner „dienstlich“ abgerechnet

Die Affäre um die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger deutet auf Korruption und Bereicherung – mit Geldern aus GEZ-Zwangsgebühren:

Bei dem kleinen Empfang in Schlesingers Wohnung am Schlachtensee gab es offenbar ein Vier-Gänge-Menü, sechs Flaschen französischen Rotwein für 28,45 Euro das Stück, dazu sechs Flaschen französischen Weißwein für 24,65 Euro je Flasche, aber auch zwei Flaschen Champagner der Marke „Veuve Clicquot“ für insgesamt 83 Euro. Hinzu kommen Kosten für Tischwäsche, Service und Küche sowie die Lieferung von Speisen und Getränken für 227,50 Euro.

Die Zeche sollten aber die Gebührenzahler berappen, denn weiter berichtet der Berliner Tagesspiegel:

Teilnehmer eines Essens bei Patricia Schlesinger gingen von einem privaten Treffen aus. Die damalige RBB-Intendantin rechnete es aber dienstlich ab.

Gäste an diesem 12. Februar 2022 waren „namhafte Mitglieder der Stadtgesellschaft“, darunter die Berliner Polizeipräsidentin Slowik.

Außergewöhnlich luxuriöser Dienstwagen

Der Business Insider berichtet:

Wie aus Akten zu ihrem Dienstwagen hervorgeht, nutzte Schlesinger trotz strenger Compliance-Richtlinien den „Regierungspreis“, um u.a. einen Audi A8 mit Massagesitzen im Wert von 145.000 Euro anzumieten. Dabei gewährte der Hersteller der Medienmanagerin zu Werbezwecken einen Nachlass von fast 70 Prozent. Zudem nutzte Schlesinger ihre persönlichen RBB-Chauffeure nicht nur für dienstliche, sondern auch für private Besorgungen. Bei anderen ARD-Anstalten ist dies untersagt. […] Die Daten ihrer Krönung ließ Patricia Schlesinger auf das Kennzeichen ihres Dienstwagens stanzen. 716, im Juli 2016 setzte sich die ehemalige Moderatorin des Politmagazins „Panorama“ im sechsten Wahlgang gegen die Konkurrenz durch und regiert seither den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).

Der Spiegel zum Dienstwagen von Schlesinger:

Zudem wird ihr vorgeworfen, einen außergewöhnlich luxuriösen Dienstwagen zu nutzen. Eine Umfrage unter den öffentlich-rechtlichen Anstalten zeigt nun: Auch im Vergleich zu anderen Sendern fällt Schlesingers Ausstattung mit einem Audi A8 inklusive Massagesitzen auf.

Luxus-Umbau der Chefetage mit Parkett für 17.000 Euro

Noch weit größere Beträge als die Spesen für eine Party in ihrer Wohnung in Berlin-Zehlendorf oder für den Luxus-Dienstwagen soll Schlesinger nach Berichten des Berliner Tagesspiegel für die Ausstattung ihres Büros aufgewendet haben:

Erneut thematisiert wurden auf der Belegschaftsversammlung auch die exorbitanten Baukosten, die für die Umbauten im Büro der Intendantin im Haus des Rundfunks in Berlin anfielen: 650.000 Euro wurden demnach für das Büro ausgegeben, insgesamt 1,4 Millionen für die Etage, auf der sich das Intendanten-Büro befindet. Und auch für die Etage, in dem RBB-Direktor Christoph Augenstein sitzt, wurden nach Informationen dieser Zeitung 750.000 Euro ausgegeben.

Auch der Focus berichtet über die Ausstattung der „Chefetage“ von Schlesinger:

Samt neuer Möblierung soll die Umgestaltung insgesamt 658.112 Euro gekostet haben. […] Im 13. Stock des Bürogebäudes in Berlin liegt geöltes Parkett aus Italien für 17.000 Euro hängen Blumen im Wert von 7.500 Euro an der Wand und stehen Sofas im Wert von 20.000 Euro. In einer Sondersendung am Montagabend berichtete der RBB schonungslos über sich selbst, zeigte auf, wo Gelder verschwendet wurden in einer Zeit, in der der Rundfunkbeitrag bereits in der Kritik steht.

Gehalt stieg um 16 Prozent auf 303.000 Euro

Finanziell hat sich für Schlesinger die von den Gebührenzahlern finanzierte Chefposition mehr als gelohnt. PC-WELT schreibt:

Die schon länger anhaltende Debatte darüber, wie angemessen die Gehälter der Intendanten (also die Leiter der ARD-Rundfunkanstalten und des ZDF) sind, nahm kürzlich wieder an Fahrt auf: Das Gehalt von Patricia Schlesinger, Intendantin des rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg und derzeit auch ARD-Vorsitzende, stieg um 16 Prozent auf 303.000 Euro, während bei den übrigen Personalkosten des Senders rbb gespart werden muss.

Laut Business Insider wird sie auch nach ihrem Ausscheiden fürstlich versorgt:

Die Altersversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt als üppig. Die Zahlen dazu kommen nur selten ans Licht. Vor einigen Jahren wurde bei Dagmar Reim, Schlesingers Vorgängerin, bekannt: Sie bekommt eine Pension in Höhe von 60 Prozent ihres letzten Jahresgehaltes (240.000 Euro) – das sind 12.000 Euro im Monat. […] Sollte Schlesinger ebenfalls 60 Prozent ihres letzten Gehaltes als Pension beziehen, würde sie rund 15.000 Euro pro Monat bekommen.

Möglicherweise kann Schlesinger noch eine fette Abfindung beziehen, denn ihr Vertrag lief eigentlich noch bis 2026.

Exorbitante Baukosten von 150 Millionen Euro?

Die „RBB-Filz-Affäre“ (so die B.Z.-Berlin) bringt auch wieder den geplanten Neubau eines digitalen Medienzentrums neben den TV-Studios am Kaiserdamm in Berlin-Charlottenburg in der Kritik:

Ab 2025 sollen dort Journalisten für TV, Radio und Internet zusammenarbeiten. Die Baukosten sind von 65 auf 100 Millionen Euro gestiegen. Laut Jan Redmann (43, CDU) soll schon von 150 Millionen Euro die Rede sein. Bei dem Projekt sollen laut dem Online-Portal „Business Insider“ mit RBB-Verwaltungsratschef Wolf verbundene Berater lukrative Aufträge bekommen haben.

Es wird von „sechsstelligen Honoraren“ berichtet, die Wolf als Aufsichtsratschef befördert habe. Auf die Vorwürfe wurde inzwischen reagiert. Der Sender habe „den Digitalpalast gestoppt.“ (so die B.Z.-Berlin). Der RBB selbst äußerte sich ebenfalls in dieser Angelegenheit:

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) lässt alle seine Aktivitäten mit Blick auf das geplante Digitale Medienhaus am Standort Berlin vorläufig ruhen. […] 2020 hat der rbb einen Architekturwettbewerb für das Projekt abgeschlossen, es soll 2026 verwirklicht sein. Die Vorwürfe gegen den rbb beziehen sich unter anderem auf die Beschäftigung von Beratern für das Immobilienprojekt. Der rbb hat die Compliance-Beauftragte und die Revision des Senders eingeschaltet.

Nicht nur Schlesinger hat mutmaßlich Kosten verursacht, sondern auch die Aufklärung ist nicht gerade billig:

Die Kosten der Schlesinger-Affäre explodieren derweil weiter: Die Compliance-Untersuchung einer externen Rechtsanwaltskanzlei wird Angaben auf der Belegschaftsversammlung zufolge bis zu einer Million Euro kosten. Diese Gelder könnte sich der Sender wohl von Schlesinger zurückholen, sollten sich die Vorwürfe gegen sie erhärten.

Schlesingers Luxus-Büro wie in der „Bonzensiedlung Wandlitz“

BILD meldet, dass am Montagabend (8. August 2022) die RBB-Abendschau erstmals ausführlich kritisch berichtet und Schlesingers Luxus-Büro gezeigt habe. Die Mitarbeiter wären „wütend auf das Versagen des RBB“. Ein Mitarbeiter dort äußerte sich:

Es wirkte wie der Besuch des DDR-Fernsehens in der Bonzensiedlung Wandlitz nach dem Sturz von Egon Krenz.

Neben Schlesinger sind weitere Verantwortliche, wie RBB-Chefaufseher Wolf-Dieter Wolf und Intendanz-Leiterin Verena Formen-Mohr zurückgetreten. Ein Ende der Affäre ist nicht abzusehen. Es werden auch Rücktritte von Vize-Intendant Hagen Brandstäter und Programmchef Jan Schulte-Kellinghaus gefordert.

Top-Juristen kritisieren die zunehmende politische Unausgewogenheit

Die Affäre Schlesinger bringt auch erneut die politische Komponente zur Sprache. Unter der fetten Überschrift „Sender übernehmen Regierungslinien!“ schreibt BILD: „Namhafte deutsche Staatsrechtsprofessoren kritisieren die zunehmende politische Unausgewogenheit in der Berichterstattung der ARD-Sender!“ Wörtlich werden renommierten Top-Juristen folgendermaßen zitiert:

Die öffentlich-rechtlichen Sender lenken nicht selten durch einseitige, tendenziöse Berichterstattung den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung in ganz bestimmte Richtungen.

Prof. Dr. Christian Hillgruber, Rechtswissenschaftler und Rechtsphilosoph an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Bonn

In der Darstellung politischer Prozesse sehe ich oft eine gewisse politische Einseitigkeit. Zum Beispiel werden bei den Themen Ökologie oder Europäisierung Kritiker immer wieder in die rechte Ecke gestellt. […] Die Sender übernehmen undifferenziert Regierungslinien. ARD und ZDF fungieren immer mehr als Akklamationsforum für die Politik. […] Unterhaltungssendungen sind nach meinem Eindruck oftmals im Niveau sehr flach und in den Kosten deutlich überhöht.

Prof. Dr. Christoph Degenhart, emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht der Universität Leipzig; von 2010 bis 2020 Richter am Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen

ARD-Journalisten machen mithilfe einflussreicher Politiker Karriere. Sie wollen weniger Bericht erstatten als vielmehr Regierungspolitik erklären und ihre Zuschauer zu „Haltung“ und „Werten“ erziehen.

Prof. Dr. Christoph Gröpl, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, deutsches und europäisches Finanz- und Steuerrecht an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken

84 Prozent der Befragten sind gegen die Zwangsgebühr

In der Berliner Zeitung kommentiert Jesko zu Dohna, verantwortlich für die gesamte Wirtschaftsberichterstattung des Blattes, den Fall Schlesinger und zielt mit seiner Kritik auf das „drakonische Gebührensystem“. Er hält ARD und ZDF für „unreformierbar“ und schlägt vor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „jetzt endlich ab[zu]schaffen“ oder „eine konsequente Privatisierung des aufgeblähten Apparates“ durchzuführen:

Die Mehrheit der Bürger, und ich übrigens auch, will laut einer Insa-Umfrage im Auftrag der Bild den monatlichen Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro nicht mehr bezahlen. 84 Prozent der Befragten sind gegen die Zwangsgebühr. Und wie das in einer funktionierenden Demokratie so ist, wird am Ende das gemacht, was die Mehrheit der Bürger will. Das ist nur eine Frage der Zeit. Und wenn es den Rundfunkbeitrag nicht mehr gibt, gehen bei den Sendeanstalten sofort die Lichter aus.

Jesko zu Dohna, stellv. Chefredakteur der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung: Historiker und Absolvent der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München; arbeitete u. a. für den Deutschlandfunk und den SPIEGEL

Außerdem weist Jesko zu Dohna darauf hin, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit den Gebühren-Milliarden im Rücken den Wettbewerb verzerrt:

Dass die meisten Menschen heute keinen Fernseher mehr haben, wird vom ÖRR einfach ignoriert. Und trotzdem hat man sich ins Internet aufgemacht, um dort die Inhalte von schätzungsweise rund 30.000 Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland zu publizieren und in einen direkten Konkurrenzkampf gegen die privaten Verlage einzusteigen. Man gründete dazu 2016 mit Funk sogar ein eigenes Angebot für junge Leute. Nur sorgt das nicht für erhöhte Pluralität, sondern für einen unfairen Verdrängungsmechanismus. Denn wer auf so viel Geld sitzt und sich keine Sorgen um die Wirtschaftlichkeit seiner Produkte machen muss, der kann sogar die besten Inhalte frei raushauen und muss sich über echte Kunden und eine Paywall-Strategie keine Gedanken machen.

Der Kommentator gibt am Beispiel Großbritannien zu bedenken,

… wie man ein veraltetes System reformiert. Die scheidende Regierung Johnson will die Beiträge für die BBC bis 2027 komplett abschaffen. […] Wir Deutsche legen zusammen 8,4 Milliarden Euro jährlich auf den Tisch. Konsumiert werden die Inhalte fast ausschließlich von höchstens 100 Millionen Menschen in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Die BBC kostet die britischen Haushalte lediglich 3,8 Milliarden Euro im Jahr, aber sendet relevante Inhalte für die ganze Welt.

So weit eine Übersicht über den aktuellen Stand. Schlesinger hat der Affäre mit ihrem Rücktritt zunächst nur die Spitze genommen. Die Aufarbeitung hat aber erst begonnen.

QUELLEN

PC-WELT: Rundfunkbeitrag: So viel verdienen die Intendanten
Business Insider: Nach Doppel-Rücktritt: Jetzt kämpft Patricia Schlesinger um ihre Pension – es geht um rund 15.000 Euro pro Monat
Tagesspiegel: „Multiplikatoren“ bei Schlesinger zu Gast – Empfang bei Ex-RBB-Intendantin war offenkundig privates Treffen
Tagesspiegel: Wer muss noch gehen beim RBB? – Schlesinger-Affäre weitet sich auf weitere Führungskräfte aus
BZ-Berlin: Projekt auf Eis gelegt – Die Kostenexplosion beim RBB-Digitalpalast
RBB: In eigener Sache Vorwürfe gegen den rbb: Sender lässt Planungen für Neubau in Berlin vorläufig ruhen
Focus: In RBB-Sondersendung – Parkett für 17.000 Euro: Sender zeigt Luxus-Etage von Schlesinger
Focus: Für 650.000 Euro – RBB-Intendantin soll sich Luxus-Umbau ihrer Chefetage gegönnt haben
Spiegel: Audi A8 mit Massagesitzen – Schlesingers Dienstwagen sticht unter Sendeanstalten heraus
Business Insider: Regierungsrabatt, Massagesitze, Privat-Chauffeur: Geheime Unterlagen offenbaren die brisanten Dienstwagen-Deals von ARD-Chefin Schlesinger
BILD: Mitarbeiter wütend auf das Versagen des RBB: Die ganz hässlichen Sachen kommen noch
Berliner Zeitung: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Jetzt endlich abschaffen
BILD: Top-Juristen kritisieren ARD: „Sender übernehmen Regierungslinien!“

 

 

 

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