SLIDERGALERIE №8 — Aus dem Dresdner Historica Antiquariat

Für die Slidergalerie №8 haben wir diesmal antike Dresden-Postkarten aus den Beständen des Historica Antiquariats herausgesucht, dessen Inhaber Bert Wawrzinek unsere Leser stimmungsvoll an „Dresdens ältestes Vehikel für den öffentlichen Nahverkehr“ erinnert.




Gottlob Moré: Königl. Porte-Chaisenträger in Dresden (1895) — Foto: Privatarchiv Bert Wawrzinek

 

Die Dresdner Chaisenträger

Vom Tragestuhl zum Lastkraftwagen

Von Bert Wawrzinek. — Dresden, 27. Februar 2020

Bereits im Altertum ließen sich ägyptische und babylonische Würdenträger in Sänften transportieren. Die Portechaise (frz. = Tragestuhl) kam seit dem 17. Jahrhundert auch in europäischen Städten in Gebrauch, wurde in Paris und Berlin heimisch und gelangte schließlich auch an die Elbe, in die Residenz Augusts des Starken.

„Dresdens ältestes Vehikel für den öffentlichen Nahverkehr“ (Silvia Brand) bestand aus einer mannshohen hölzernen Kabine, die von zwei kräftigen Männern, den Chaisenträgern, an seitwärts angebrachten Holmen getragen wurde. Der Einstieg erfolgte durch eine Vordertür, für etwa nötige Diskretion sorgten Vorhänge an Tür- und Seitenfenstern. Nicht zuletzt muß es beim Zustand damaliger Straßen für den Fahrgast eine Wohltat gewesen sein, aus dem federlosen Kutschwagen in die weitaus bequemere Sänfte zu wechseln.

1705 begründete der Dresdner Senator und Kaufmann Johann Friedrich Landsberger mit zunächst vier Chaisen und acht Trägern eine Sänftenträgeranstalt auf eigene Rechnung, vier Jahre später verrichteten zwanzig Träger mit zehn Portechaisen ihren Dienst. Landsbergers Witwe führte den „Contract“ fort, für 285 Taler vermachten deren Erben das Geschäft schließlich der Elbestadt. So führte seit 1730 ein Stadtrat Aufsicht über die Beschaffenheit von Sänften und Bekleidung der „Ratschaisenträger“, deren Domizil ab 1745 im eigenen Chaisenhaus auf der Südseite des Altmarktes, ausgangs der Schreibergasse sich befand.

Der Volksmund aber reimte:

Das Geschlecht, das dieses Haus bewohnte,
Mächt’ges, Schönes trug’s mit sich herum,
So lang’ noch der Zahn der Zeit es schonte,
Unsrer Residenz Paladium.

Ein Zeitgenosse, Hermann Günter Meynert alias Janus (1808 – 1895), attestierte den Chaisenträgern ein „roh-pfiffiges Bediententalent“ und rühmte ihre durch Bescheiden- und Verschwiegenheit gegebene Eignung als „Postillons d’Amour“. Zugleich seien die Chaisenträger „mechanische Tausendkünstler“, die in ihrer auftragsfreien Zeit Mäusefallen, Stiefelknechte und Vogelkäfige anzufertigen wußten und außerdem noch Strümpfe und Socken strickten. Ihr bei Umzügen bewiesenes Geschick war legendär; so soll im neuen Quartier das Salzfaß genau auf jener Stelle des Tisches zu finden gewesen sein, wo es schon in früherer Wohnung Platz gefunden ...

1719/20 hatte der Kammerherr Rudolph Gottlob von Seifertitz (1664 – 1740) die Aufstellung von Chaisen am kurfürstlichen Schloss veranlaßt, trugen nunmehr auch die „Hofchaisenträger“ in gelben Leibröcken Kavaliere und Hofdamen durch die barocke Stadt. Ebenso waren im rechtselbischen Altendresden Sänftenträger in Mode gekommen.

Doch eine neue Zeit brach sich Bahn, auch und gerade im Verkehrswesen. Aufgrund der zunehmenden Konkurrenz durch Pferdedroschken wurde das Chaisentragen in Dresden 1878 eingestellt, das Chaisenhaus im selben Jahre abgebrochen. Doch die seit 1717 bestehende Genossenschaft der Chaisenträger blieb bestehen, vollzog manch technischen Wandel, wechselte vom Tragestuhl zum Lastkraftwagen, vom Frack zur Arbeitskombi. Noch heute firmiert die „Genossenschaft Ratschaisenträger e. G. zu Dresden“ als Spezialtransportbetrieb für Maschinen, Geldschränke, Öfen und Klaviere in 01189 Dresden, Am Eiswurmlager 5.

Die gelbuniformierten Herren aber, die, in Spitzwegscher Manier, dereinst die Dresdner und ihre Gäste durch die Residenz bugsierten, haben ihren Platz in den Annalen längst eingenommen. Als sympathische Erinnerung an ein beschauliches Zeitalter, in dem die städtische Personenbeförderung per pedes, und dabei auch bequem, geräuschlos und umweltschonend, eine schöne Selbstverständlichkeit gewesen war.

LITERATUR

Silvia Brand: Dresdener Bilderbuch. Dresden 1888.
W. E.: Für fünf Groschen nach Neustadt. Aus der Geschichte der Dresdner Chaisenträger. In: Dresdner Monats-Blätter. Zeitschrift der Freunde Dresdens. 37. Jahrgang, Folge 1, Frankfurt am Main 1986.
Janus (d. i. Hermann Günter Meynert): Charaktergemälde von Dresden, grau in grau; für Alle, welche die Elbresidenz bewohnen oder kennen zu lernen wünschen. Pößneck 1833.

DIE POSTKARTEN

1. Dresden Rundblick von der Dreikönigskirche (ca. 1910)
2. (Dresden) Gruß vom Osterberg Cossebaude (1902)
3. (Dresden) Loschwitz (1915)
4. Gruss aus Dresden (ca. 1900)
5. Dresden Augustusbrücke (1902)
6. Hygiene-Ausstellung Dresden 1911, Lennéstraße mit Überbrückung und Aussichtsturm
7. Dresden-Tolkewitz Krematorium (ca. 1920)
8. Dresden, Elb-Klondyke 1904
9. Dresden Jägerkaserne und Albertbrücke (1903)
10. Dresden Enthüllung des König Albert-Denkmals 1906
11. Dresden-Hellerau Am Grünen Zipfel (1914)
12. Dresden Palais im Grossen Garten (1906)

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