Rubrik Personen

Wichtige Personen
von A bis Z

Hier finden Sie – in alphabetischer Ordnung – Kurzbiografien freiheitlicher Denker der Geschichte und aktueller Autoren der liberalen und libertären Szene.

A

Lord ACTON — Britisch-deutscher Historiker und Philosoph

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Lord Acton

* 10. Januar 1834 in Neapel — † 19. Juni 1902 in Tegernsee, Bayern

Dieser britisch-deutsche Historiker und Philosoph – mit vollständigem Namen John Emerich Edward Dalberg-Acton, 1. Baron Acton KCVO DL – sei all jenen empfohlen, die meinen, man könne als Liberaler nicht auch (auf verständige Art) katholisch sein. Lord Acton war ein enger Freund des liberalen englischen Politikers Gladstone und verkehrte freundschaftlich mit Männern wie Alexis de Tocqueville und Leopold von Ranke. Seine Veröffentlichungen blieben leider schmal. Eine vorgenommene Geschichte der Freiheit blieb er uns, gelähmt durch seinen perfektionistischen Anspruch, schuldig. Er beeinflusste den Sozialphilosophen und Ökonomen Friedrich A. von Hayek, der die heutige Mont-Pelerin-Society nach ihm (und Tocqueville) benennen wollte. Berühmt ist sein Ausspruch: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut (es wäre zu ergänzen, was später Friedrich Nietzsche tat: dass auch Ohnmacht korrumpieren und zu einer rachsüchtigen Moral des Ressentiments führen kann).

LESETIPP

Alexander Dörrbecker (Hrsg.): Geschichte und Freiheit. Ein Lord-Acton-Brevier, Zürich 2010.

ARISTOTELES — Philosoph und Naturforscher

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Aristoteles

* 384 v. Chr. in Stageira – † 322 v. Chr. in Chalkis auf Euböa

Ein für die Wurzeln des Liberalismus entscheidender Denker im alten Griechenland, ein Philosoph bürgerlicher Herkunft, was auch in seinen politischen Anschauungen zum Ausdruck kommt. Er ist der erste Vertreter eines auf den „Mittelstand“ gestützten verfassungsmäßigen Staates und hat als erster die Grundsätze eines Rechtsstaates, einer Herrschaft, die durch allgemeine Gesetze gebändigt ist, formuliert. Ihm gilt eine unumschränkte Demokratie, die Freiheit und Eigentum manipuliert, als eine entartete Massenherrschaft. Dagegen vertritt er das Ideal der „Politeia“. Obwohl sein Denken an die Voraussetzung der antiken Polis gebunden ist, sind seine Bücher heute noch von größtem „Nährwert“, besonders auch seine Auseinandersetzung mit dem Sozialisten Platon.

LESETIPP

Aristoteles: Politik;
Aristoteles: Nikomachische Ethik (diverse Ausgaben).

B

Roland BAADER — Kritiker des Interventionsstaates

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann (aktualisiert)

Roland Baader

* 14. Februar 1940 in Kirrlach – † 8. Januar 2012 ebenda

Einer der wortgewaltigsten deutschsprachigen Kritiker des modernen Interventions- und Wohlfahrtsstaates mit stark libertärer Tendenz. In Aufsätzen und umfangreichen Büchern hat er plastisch alle wesentlichen Argumente für freien Tausch und gegen staatliche Manipulationen zusammengestellt.

LESETIPPS

Roland Baader: Fauler Zauber. Schein und Wirklichkeit des Sozialstaates, Gräfelfing 1997;
Roland Baader: Die belogene Generation, Gräfelfing 1999;
Roland Baader: Geldsozialismus, Gräfelfing 2010.

WIKIPEDIA

Roland Baader (* 14. Februar 1940 in Kirrlach; † 8. Januar 2012 ebenda) war ein deutscher Volkswirt und als freier Publizist der Autor mehrerer Bücher und zahlreicher Fachartikel zum klassischen Liberalismus. Auch war er regelmäßiger Autor der Zeitschriften eigentümlich frei und Schweizer Monat. Er war Student bei Friedrich August von Hayek an der Universität von Freiburg im Breisgau und Mitglied der Mont Pelerin Society.

Ludwig BAMBERGER — Finanzexperte, Bankier und parlamentarischer Führer

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Ludwig Bamberger

* 22. Juli 1823 in Mainz — † 14. März 1899 in Berlin

Dieser Finanzexperte und Bankier ist eine der erfreulichsten Gestalten des deutschen Liberalismus, geistreicher und eleganter, auch weltläufiger als der verbissene Kämpfer und hartnäckige Junggeselle Eugen Richter. Er war als revolutionärer Heros auch am Pfälzischen Aufstand von 1849 beteiligt, was ihm Verfolgung und (1852) selbst ein Todesurteil einbrachte, dem er sich durch Flucht in die Schweiz entzog. Er lebte dann als Bankier in Paris, London und Rotterdam, bevor er einer der brillantesten parlamentarischen Führer von „Fortschritt“ und später „Freisinn“ im Reichstag wurde. Er arbeitete zunächst eng mit Bismarck bei der Installierung der Reichsbank und der Goldwährung zusammen, wurde aber nach der antiliberalen Wendung des Kanzlers (1878 ff.) schärfster Gegner von dessen Schutzzoll- und Sozialpolitik (Arbeiterzwangsversicherung). Er war ein überzeugender Repräsentant des „Manchesterkapitalismus“, der bisher besten Zeit des deutschen Liberalismus. B. ist in Berlin auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee neben seinem Mitkämpfer Eduard Lasker begraben.

LESETIPP

Ralph Raico: Die Partei der Freiheit, Stuttgart 1999.

Frédéric BASTIAT — Ökonom, Politiker und bedeutender Vertreter des Liberalismus

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Frédéric Bastiat

* 30. Juni 1801 in Bayonne (Frankreich) — † 24. Dezember 1850 in Rom

Wohl der wirksamste Publizist der freien Marktwirtschaft und des Freihandels gegen staatssozialistische Ideen jeder Art. In didaktisch meisterhafter Weise widerlegte er viele populäre ökonomische Trugschlüsse. Hauptwerk: Ökonomische Harmonien (1850).

LESETIPPS

Detmar Doering: Frédéric Bastiat, St. Augustin 1997;
Henry Hazlitt: Economics! (2. deutsche Aufl., München 2009).
Marianne und Claus Diem (Hrsg.): Der Staat – die große Fiktion. Ein Claude-Frédéric-Bastiat-Brevier, Thun 2001.

Max BENSE — Naturwissenschaften, Kunst und Philosophie unter einer Perspektive

Eintrag aus verschiedenen Quellen

Max Bense

* 7. Februar 1910 in Straßburg — † 29. April 1990 in Stuttgart

Max Bense war ein deutscher Philosoph, Schriftsteller und Publizist und ist durch Arbeiten zur Wissenschaftstheorie, Logik, Ästhetik und Semiotik hervorgetreten. Sein Denken verbindet Naturwissenschaften, Kunst und Philosophie unter einer gemeinsamen Perspektive und verfolgt eine Definition von Rationalität, die als existentieller Rationalismus die Trennung zwischen geistes- und naturwissenschaftlichem Denken aufzuheben anstrebt.

Der Literaturwissenschaftler Helmut Kreuzer schreibt über ihn:

„Bense bekannte sich ausdrücklich dazu, Rationalist und Atheist zu sein; er entwarf eine Informationsästhetik, die darauf angelegt war, ihre Urteile auch statistisch zu fassen und empirisch zu begründen. Er liebte es, im Radio und im Fernsehen diskussionsfreudig aufzutreten, rhetorisch kühn zu pointieren und sich auch essayistisch an eine breitere Öffentlichkeit zu wenden. Er war einer der führenden Köpfe in der Literatur- und Kunstszene der ›experimentierenden‹ Avantgarde jener Jahre, veranstaltete Ausstellungen und Lesungen und schrieb selber ›experimentelle Texte‹. CDU-Politiker in Stuttgart fühlten sich von ihm so provoziert, dass sie der TH Stuttgart eine zweite Philosophie-Professur bewilligten, unter der Auflage, dass sie mit einem christlich orientierten Philosophen zu besetzen sei. (So kam Robert Spaemann nach Stuttgart, dem freilich nur allzubald von der Universität München ein größerer Wirkungskreis mit Erfolg angeboten wurde).“

LESETIPPS

Max Bense: Von der Verborgenheit des Geistes. Carl Habel Verlagsbuchhandlung, Berlin 1948;
Max Bense: Ausgewählte Schriften in vier Bänden. Herausgegeben von Elisabeth Walther. Bd. 1: Philosophie. Bd. 2: Philosophie der Mathematik, Naturwissenschaft und Technik.Bd. 3: Ästhetik und Texttheorie. Bd. 4: Poetische Texte. Metzler Verlag, Stuttgart 1997/98.

Otto von BISMARCK — Meister der Staatskunst und Spalter der liberalen Bewegung

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Otto von Bismarck

* 1. April 1815 in Schönhausen (Elbe) — † 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Aumühle

Mit diesem großen Meister der Staatskunst, der Rede und der deutschen Sprache stehen Liberale auf zwiespältigem Fuß: Ein großer Teil unterlag seiner Faszinationskraft, so die Nationalliberalen Bennigsen oder von Miquel; der kleinere behauptete gegen ihn die liberale Programmatik (wie Ludwig Bamberger oder Eugen Richter). Mag ein deutscher Liberaler ihm noch (mit Bedenken) beim Werk der nationalen Einigung folgen, so trennen sich die Wege spätestens bei seiner neomerkantilistischen Politik (Wiedereinführung von Zöllen) und besonders der Teilentmündigung der Arbeiterschaft durch die Durchsetzung der Zwangsarbeiterversicherung (nach 1878). Auch sein Kampf gegen die katholische Kirche und seine Sozialistengesetze können kaum den Beifall eines Liberalen finden. B. stoppte die Demokratisierung und Liberalisierung Deutschlands. Sein Motiv für die heute sogenannte „Sozialversicherung“ war ein politisches: die Bindung der Arbeiter an das „Reich“ (durch Staatsversorgung), das Ausstechen der Sozialdemokratie und bürgerlicher Sozialreformer (Schulze-Delitzsch, Hirsch-Duncker u. a.). Durch sein Wirken spaltete sich die liberale Bewegung und der Niedergang des Liberalismus begann. An diesem Triumph Bismarcks leidet der Liberalismus bis heute. Nie mehr erlangte er die Bedeutung wie im 19. Jahrhundert, selbst nicht nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus in Russland und seinem Imperium (1989 ff.) und in der Krise des Wohlfahrtsstaates (gegenwärtig).

LESETIPPS

Erich Eyck: Bismarck, 3 Bde., Zürich 1941–1944;,
Ludwig von Mises: Im Namen des Staates, Stuttgart 1978;
Wilhelm Röpke: Die deutsche Frage, 3. Aufl, Erlenbach 1948.

Stefan BLANKERTZ — Aktivist des Anarchokapitalismus und Schriftsteller

[Provisorischer Eintrag aus Wikipedia]

Stefan Blankertz

* 23. Juni 1956 in Bünde

Stefan Blankertz ist ein Vertreter und Aktivist des Anarchokapitalismus, Theoretiker der Gestalttherapie und Schriftsteller.

LESETIPP

Stefan Blankertz: Politik der neuen Toleranz: Plädoyer für einen radikalen Liberalismus. Verlag Büchse der Pandora (1988)

Peter BOEHRINGER — Initiator von „Holt unser Gold heim“

Eintrag aus verschiedenen Quellen

Peter Boehringer

* 6. April 1969 in Schwäbisch Gmünd

Peter Boehringer ist Gründungsvorstand der Deutschen Edelmetall-Gesellschaft e.V. und Hauptinitiator der Bürgerinitiative „Holt unser Gold heim!“, die entgegen vielfacher Erwartung seit 2013 zu einer tatsächlichen Heimholung eines Teiles des deutschen Goldbestandes geführt hat. Er ist einer der am meistgelesenen deutschsprachigen Autoren zum Thema Gold, unter anderem durch seinen Blog auf goldseiten.de. Bevor er sich dem Thema Edelmetalle widmete, war er unter anderem in führenden Positionen bei Booz & Co, 3i und der European Telecom Holding tätig. Peter Boehringer ist als AfD-Politiker seit 2017 Abgeordneter des Deutschen Bundestags, seit dem 31. Januar 2018 Vorsitzender des Haushaltsausschusses.

1988 Allgemeine Hochschulreife. 1988 bis 1989 Wehrdienst. 1991 kaufmännische Berufsausbildung mit Auszeichnung, bester Absolvent in Baden-Württemberg.

1991 bis 1995 Studium an der European Business School sowie in den USA und England.

1994 bis 1998 Internationale Managementberatung „Booz Allen Inc.“, Schwerpunkt Deregulierung TK-Markt; 1999 unternehmerische Tätigkeit mit erfolgreichem Firmenverkauf; seit 1999 Technologieinvestor und Finanzberater, seit 2003 selbständig „Technologieholding“ & “3i plc“; 2002 bis 2017 Wirtschaftspublizist (sechs Bücher, hunderte Magazin- und Blogartikel).

2006 bis 2015 Mitglied im Gründungsvorstand der Deutschen Edelmetall-Gesellschaft e. V., Beiratsvorsitzender der größten deutschen Einkaufsgemeinschaft für Sachwerte; seit 2011 Hauptinitiator der national und international erfolgreichen Bürgerinitiative „Holt unser Gold heim“/“Repatriate our Gold“; anerkannter Finanz- und Edelmetall-Experte sowie Zentralbank-Kritiker; seit 2013 Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e. V.; seit 2005 Euro-kritischer Referent auf überparteilichen Podien (u. a. gegen Stabilitätspakts-Brüche, gegen EFSF/ESM). 2013 Roland-Baader-Auszeichnung für liberale und konservative publizistische Verdienste im wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Bereich. Kurator der Deutschen Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit e.V.

Seit März 2015 Mitglied der AfD, seit 2015 Sprecher des Bundesfachausschusses Euro, Geld- und Finanzpolitik, seit 2015 Mitglied der Bundesprogramm-Kommission der AfD; mitverantwortlich für das Grundsatz- und Bundestagswahlprogramm der AfD; Referent zu wichtigen gesellschaftlichen Problemen Europas.

Mitglied des Bundestages seit Oktober 2017. Seit Januar 2018 Haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion und Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags.

LESETIPPS

Peter Boehringer: Die geistige Vorbereitung. In: Simone Boehringer (Hrsg.): Der private Rettungsschirm. Weil Ihnen Staat und Banken im Krisenfall nicht helfen werden. FinanzBuch Verlag, München (2012);
Peter Boehringer mit Thorsten Schulte, Marc Faber, Dimitri Speck & Bruno Bandulet: Insiderwissen Gold. Fünf Experten beantworten die wichtigsten Fragen zum deutschen Staatsgold und zur dreisten Goldpreis-Manipulation. Kopp Verlag (2014);
Peter Boehringer: Holt unser Gold heim. Der Kampf um das deutsche Staatsgold. FinanzBuch Verlag (2015)

Edmund BURKE — Politiker, Publizist und Kritiker der Französischen Revolution

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Edmund Burke

* 12. Januar 1729 in Dublin — † 9. Juli 1797 in Beaconsfield

Dieser englisch-irische Politiker und Publizist ist in Deutschland vor allem als Kritiker der Französischen Revolution (Betrachtungen über die Französische Revolution, 1790) bekannt geworden: Für Liberale wie Friedrich A. von Hayek hat er entscheidende Argumente gegen den naiven Rationalismus formuliert, gegen Intellektuelle, die glauben, eine Gesellschaft nach einer Blaupause neu konstruieren zu können, einschließlich der Einführung einer neuen Zeitrechnung. Auf diesen Annahmen beruht auch der spätere Sozialismus, der so jämmerlich überall gescheitert ist, wo er Gelegenheit fand, seine Experimente durchzuführen. B. sah schon 1790, dass diese Revolution – im Unterschied zur gelobten Revolution in Amerika – in blutigem Terror, Chaos und schließlich einer Militärdiktatur enden müsse. Er ist kein konservativer Reaktionär wie Karl Ludwig von Haller oder Joseph de Maistre, sondern ein evolutionistischer Reformer, der weiß, dass sich die Weiterentwicklung von Gesellschaft und Staat nur auf Basis vorhandener erprobter Wissensbestände und Verhaltensformen („Tradition“) vollziehen kann. Burke war im Übrigen ein Freund von Adam Smith, dessen Freihandelslehre er teilte. B. warnte vor den Exzessen einer unbeschränkten Demokratie.

LESETIPP

Detmar Doering (Hrsg.): Freiheit, Tradition, Revolution. Ein Edmund-Burke-Brevier, Bern 2009.

C

Marcus Tullius CICERO — Staatsmann, Redner und Gegner des Cäsarismus

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Marcus Tullius Cicero

* 3. Januar 106 v. Chr. in Arpinum — † 7. Dezember 43 v. Chr. bei Formiae

Ein Stichwortgeber des modernen Liberalismus und als römischer Staatsmann, Publizist (und Redner) schon im Altertum berühmt. Als Gegner des Cäsarismus wurde er schließlich von einem Mordkommando des Marcus Antonius getötet – einer der frühen Märtyrer des Rechtsstaates. Freiheit, sagt er, kann es nur unter dem Gesetz geben und wir werden frei dadurch, dass wir den Gesetzen gehorchen – aber nicht jedem Gesetz, sondern nur denen, die sich natur- oder vernunftrechtlich begründen lassen, wozu namentlich das Gesetz des Eigentums gehört. Abgesehen von seinen bekannten staatsphilosophischen Schriften (De legibus, De re publica) empfiehlt sich heute besonders seine Pflichtenlehre, welche die Werte und Verantwortlichkeiten, denen auch und gerade ein Liberaler folgt, beschreibt, entgegen der flachen Lehre des „anythinggoes“. Liberale sind keine Wertnihilisten.

LESETIPP

Cicero: De officiis. Vom pflichtgemäßen Handeln, Stuttgart 1992 (Reclam).

Benjamin CONSTANT — Schweizer Essayist, Romancier und Staatstheoretiker

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Benjamin Constant

* 25. Oktober 1767 in Lausanne — † 8. Dezember 1830 in Paris

Ein in Deutschland leider viel zu wenig bekannter Schweizer Essayist, Romancier und politischer Theoretiker (und auch Praktiker), dessen Werke – besonders „Vom Geist der Eroberung und Usurpation in ihrem Verhältnis zur europäischen Zivilisation“ – eine ungewöhnlich beredte und schwungvolle Darstellung einer liberalen Demokratie wie auch eine entsprechende Ablehnung des modernen Cäsarismus (Napoleon) geben. Seine Schriften inspirierten im 20. Jahrhundert Liberale wie Wilhelm Röpke, Friedrich A. von Hayek und Bertrand de Jouvenel. C. lehnt das absolutistische Souveränitätskonzept ab, gleich ob im monarchischen, aristokratischen oder (heute) demokratischen Gewande. Der Staat findet seine Schranke an der Freiheit und der Privatsphäre seiner Bürger. Krieg ist archaisch, Freihandel mit seiner verbindenden und ausgleichenden Wirkung muss ihn ablösen.

LESETIPP

Karen Ilse Horn (Hrsg.): Die liberale Demokratie. Ein Benjamin-Constant-Brevier, Bern 2004.

Benedetto CROCE — Freiheitskämpfer gegen den italienischen Faschismus

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Benedetto Croce

* 25. Februar 1866 in Pescasseroli, Provinz L'Aquila — † 20. November 1952 in Neapel

Diesen begeisterten Freiheitskämpfer (italienischer Philosoph, Historiker und gelegentlich liberaler Politiker) sollte jeder Liberale kennen. Er ist zwar ein Neo-Hegelianer, nimmt aber besonders den freiheitlichen Zug Hegels auf, indem er die Geschichte als Geschichte der Freiheit deutet, was ja ein sehr schöner Gedanke ist. Er überlebte den Faschismus in Oppositionshaltung, was belegt, wie viel weniger konsequent brutal der italienische Faschismus als der deutsche Nationalsozialismus war – und dass es insoweit eine Verharmlosung des Nationalsozialismus ist, ihn als „Faschismus“ zu bezeichnen. Er nennt den Liberalismus eine „Religion der Freiheit“. Ein bemerkenswertes Zitat soll nicht fehlen: „Merkwürdig, dass manche uns den Liberalismus gern als einen Propheten ohne Schwert malen, wo es doch nicht nur im Begriff der Freiheit und Politik, sondern durch die Tatsachen gegeben und erwiesen ist, dass für keine andere Idee so viele und heiße Schlachten gewagt, solche Ströme von Blut vergossen, so hartnäckig gekämpft und so großherzig Opfer gebracht wurden.“

LESETIPP

Benedetto Croce: Geschichte Europas im 19. Jahrhundert, Zürich 1947 (Taschenbuchausgabe 1979).

D

Charles DARWIN — Begründer der Evolutionstheorie

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Charles Darwin

* 12. Februar 1809 in Shrewsbury — † 19. April 1882 in Down House/Grafschaft Kent

Dieser berühmte Biologe hat die soziale Entwicklungstheorie (von Moral, Recht, Sprache, Geld) auf die Natur angewandt, also die Lehren der schottischen Philosophen (Adam Smith, David Hume) und der Sprach- und Kulturtheoretiker, zudem wurde er inspiriert durch Thomas Malthus: Wie in der Natur durch Wettbewerb und Auslese die Vielfalt der Arten (analog zur Arbeitsteilung) entstand und so das bis heutige gültige Weltbild der Biologen bestimmt. Fragwürdig war nun die Übertragung der spezifisch natürlichen Selektions- und Differenzierungsmechanismen auf die Sozialtheorie („sozialer Darwinismus“). In der Kultur geht es aber um Wettbewerb und Auslese von Regeln und Traditionen, die nicht durch biologische Vorgänge, sondern durch Lernen und Nachahmen und Auswahl derjenigen Regeln, die Gruppen prosperieren ließen, bestimmt werden – ein Vorgang jenseits der Biologie und jenseits bewussten Erfindens (wie der naive Rationalismus meint). Unsere Verhaltensregeln (Eigentum, Tausch, Moral, Sprache) bilden eine nicht zentral gesteuerte und auch niemals steuerbare (aber leider zerstörbare) spontane Ordnung. Die spontanen Ordnungen und Traditionen (die Popper'sche „Welt 3“) enthalten mehr Wissen und Erfahrung als je ein einzelner wissen kann und es ist einfach eine „Anmaßung“, die Kultur, deren Ergebnis der Mensch mit seiner besonderen Intelligenz ist, bewusst neu, sozusagen nach beliebiger Wünschbarkeit, zu machen, wie es aller Konstruktivismus oder Sozialismus verspricht. Der Wettbewerb in einer spontanen Ordnung geht im Übrigen nicht um „Leben und Tod“ („struggle for life“, „Kampf ums Dasein“), sondern nur um Status und Vorrang. Er ist nicht „sozialdarwinistisch“, wie auch Darwin sich gegen den „sozialen Darwinismus“ gewandt hat, besonders aber sein Schüler Thomas Huxley. Der Mensch ist „von Natur aus“ ein Kulturwesen, nicht nur ein Teil der Popper'schen „Welt 1“).

LESETIPP

Friedrich August von Hayek: Die drei Quellen menschlicher Werte, in: Recht, Gesetz und Freiheit, Tübingen 2003, S. 460ff

E

Ralph Waldo EMERSON — Philosoph des liberalen Individualismus

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Ralph Waldo Emerson

* 25. Mai 1803 in Boston, Massachusetts — † 27. April 1882 in Concord, Massachusetts

Ein amerikanischer Philosoph, der jedem, besonders jungen Menschen, der nach dem eigenen Weg sucht, das Herz höher schlagen lässt. Friedrich Nietzsche nennt ihn seinen „Bruder im Geiste“ – das will schon etwas heißen. Emersons „Essays“ zeigen einen enthusiastischen, pantheistisch überhöhten Individualismus, wie er sich besonders in dem berühmten Essay „Selbstvertrauen“ (self-reliance) zeigt. „Wer ein Mann sein will, muss ein Nonkonformist sein ... kein Gesetz kann mehr geheiligt sein als das meiner Natur“; „Vertraue dir selbst, jedes Herz fliegt bebend diesem eisernen Nerv zu“; „... aber von Feiglingen will Gott sein Werk nicht offenbart haben.“ Emersons begeisternde Botschaft zeigt, dass der liberale Individualismus als Persönlichkeitslehre mehr sein kann als Utilitarismus, Sozialtechnologie oder müde Toleranzpredigt.

LESETIPP

Ralph Waldo Emerson: Die Natur. Ausgewählte Essays, Stuttgart 1982.

Ludwig ERHARD — Begründer der Sozialen Marktwirtschaft

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Ludwig Erhard

* 4. Februar 1897 in Fürth — † 5. Mai 1977 in Bonn

Die fast vergessene Ikone der Sozialen Marktwirtschaft. Erhard wollte eine Gesellschaft von Eigentumsbürgern, nicht die „komfortable Stallfütterung“ des Wohlfahrtsstaates, wie wir sie inzwischen haben. Sein Argument war: nicht immer umfassendere Umverteilung des Sozialprodukts, sondern dessen Mehrung („Multiplikation, nicht Division des Sozialprodukts“). Je mehr Wohlstand und Eigentum, desto weniger Sozialpolitik sei notwendig. Schließlich könne sie ganz absterben. Seine christlich-sozialistischen Gegner argumentierten dagegen: Je wohlhabender wir werden, desto mehr soziale Sicherung können wir uns leisten. Die „soziale Sicherung“ avancierte zum Selbstzweck, ein folgenreicher Irrweg.

LESETIPPS

Gerd Habermann (Hrsg.): Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier, 2. Aufl., Thun 2005;
Alfred C. Mierzejewski: Ludwig Erhard. Der Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft, Berlin 2005.

Walter EUCKEN — Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft

Eintrag aus Wikipedia und verschiedenen Quellen

Walter Eucken

* 17. Januar 1891 in Jena — † 20. März 1950 in London

Walter Eucken war ein deutscher Ökonom. Er war Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft und begründete die Freiburger Schule des Ordoliberalismus.

Leben

Walter Eucken wuchs in Jena im Haus seiner Eltern, des Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Rudolf Eucken und der Malerin Irene Eucken auf. Ein Bruder war der Physikochemiker Arnold Eucken. An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität Jena studierte Eucken Geschichte, Staatswissenschaft, Nationalökonomie und Rechtswissenschaft. Ab 1910 war er Mitglied des Corps Saxonia Kiel. Sein Studium schloss er 1913 mit einer Dissertation bei Hermann Schumacher (1868–1952) ab. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Schumachers Assistent an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Gleichzeitig war er als Redaktionssekretär von Schmollers Jahrbuch tätig. 1920 heiratete er Edith Erdsiek. 1921 habilitierte er sich in Berlin. Bis 1925 Privatdozent, folgte er 1925 dem Ruf der Eberhard Karls Universität Tübingen auf einen Lehrstuhl. 1927 wechselte er als o. Professor an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, an der er bis zu seinem Tode tätig war. Er starb kurz vor Vollendung der Grundsätze der Wirtschaftspolitik, als er an der London School of Economics eine Vortragsreihe unter dem Titel This Unsuccessful Age hielt (publiziert 1952).

Wirken

Anfang der 1930er-Jahre gründete Walter Eucken mit den Juristen Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth die Freiburger Schule. Als nach 1933 in Freiburg unter dem Rektor Martin Heidegger eine nationalsozialistische Universitätsverfassung eingeführt wurde und die Judenverfolgung im Wissenschaftsbetrieb begann, bezog Eucken offen Stellung. Eucken wurde, wie der Historiker Bernd Martin feststellt, „zum eigentlichen Widerpart und Herausforderer des die nationalsozialistische Hochschulpolitik vorantreibenden Rektors“.

1936 hielt Eucken eine Vorlesungsreihe für die Freiheit des Denkens mit dem Titel Kampf der Wissenschaft. Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Walter Eucken, der mit dem Goerdeler-Kreis in Verbindung gestanden hatte, von der Gestapo mehrfach verhört, aber nicht verhaftet. Drei Freunde Euckens aus dem „Freiburger Kreis“, die Ökonomen Adolf Lampe und Constantin von Dietze sowie der Historiker Gerhard Ritter, wurden vom NS-Regime inhaftiert und zum Tode verurteilt. Nur das Kriegsende bewahrte sie vor der Hinrichtung.

Eucken gehörte zu den Beratern der französischen und der amerikanischen Militärregierung; die später als Ordoliberalismus bezeichneten wirtschaftspolitischen Grundgedanken der sogenannten „Freiburger Schule“ lagen den Reformen zugrunde, mit denen Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack die zunächst planwirtschaftliche Wirtschaftsverwaltung der ersten Nachkriegsjahre ablösten.

Eucken beschäftigte sich nicht nur mit Ökonomie, sondern interessierte sich auch sehr für Philosophie und Geschichte. Zu den Menschen, mit denen er sich geistig austauschte, gehörten Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und Künstler wie z. B. Friedrich August von Hayek, Joseph Schumpeter, Werner Heisenberg, August Macke, Ernst Ludwig Kirchner, Max Reger, Hermann Staudinger. Als er im April 1947 an der Gründung der Mont Pelerin Gesellschaft teilnahm, kamen neue Kontakte zum Beispiel mit dem Philosophen Karl Popper hinzu.

Von besonderer Bedeutung war für ihn seine Freundschaft mit Edmund Husserl, der ihn wissenschaftstheoretisch stark beeinflusste. Kritisch setzte er sich nicht nur mit den Ideologien in der Ökonomie auseinander, sondern generell mit den Ideologien der Macht. Zu den Traditionen des freiheitsfeindlichen Irrationalismus rechnete er nicht nur die Philosophen Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger, sondern auch den Voluntarismus Martin Luthers, die Volonté générale Jean-Jacques Rousseaus und die Fortschrittsideologie Henri de Saint-Simons.

Wissenschaftliches Werk – Grundgedanken

Im Mittelpunkt von Euckens Arbeit stand die Frage des Zusammenhangs von Macht, Unfreiheit und Armut. Auf Basis dieser Analyse könnten die Rahmenbedingungen für eine Wirtschaftsordnung bestimmt werden, die zugleich die größtmögliche Freiheit und eine rationale Steuerung der Wirtschaft ermöglicht. Er war davon überzeugt, dass die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates auf die Gestaltung der Wirtschaftsordnung gerichtet sein sollte und nicht auf die Lenkung der Wirtschaftsprozesse. Mit dieser These gilt Eucken als Begründer des Ordoliberalismus und als einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft.

Sein wohl wichtigstes Werk Grundlagen der Nationalökonomie veröffentlichte Eucken 1939. Hier formulierte er seine Hypothese von der Interdependenz der Ordnungen: Marktwirtschaft (Eucken bevorzugte den Begriff Verkehrswirtschaft) bedingt den freiheitlichen Rechtsstaat. Zentralverwaltungswirtschaft, wie sie die Nationalsozialisten seinerzeit in Deutschland eingeführt hatten und wie sie in der Sowjetunion und später in den osteuropäischen Staaten des Rates für gegenseitige wirtschaftliche Zusammenarbeit praktiziert wurde, braucht zu ihrer Durchsetzung die Diktatur. Kaum weniger bedeutend sind seine 1952 postum von seiner Frau Edith Eucken-Erdsiek und seinem Assistenten Karl Paul Hensel herausgegebenen Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Zum Standard des Lehrbuchwissens gehört heute Euckens Unterscheidung moderner Wirtschaftsordnungen in Zentralverwaltungswirtschaft und Verkehrswirtschaft. Kriterium zur Unterscheidung war für Eucken jedoch nicht, wie heute oft üblich, die wirtschaftliche Aktivität des Staates, sondern die Verteilung wirtschaftlicher Macht. So ist für Eucken der Gegenpol zur Zentralverwaltungswirtschaft, in der eine Zentrale über die größtmögliche Macht verfügt und der Einzelne maximal entrechtet ist, nicht etwa die „freie Marktwirtschaft“ des Laissez-faire. Der Gegenpol ist vielmehr der vollständige Wettbewerb, bei dem niemand über die Macht verfügt, einen anderen ökonomisch zu lenken. Zwischen diesen beiden Polen gibt es einen weiteren Ordnungstyp, die vermachtete Marktwirtschaft. Bei diesem Ordnungstyp können einzelne Machtgruppen, durch Preispolitik oder Lobbyismus, in die ökonomische Freiheit anderer Marktteilnehmer eingreifen.

Eine gemäß dem Laissez-faire-Prinzip sich selbst überlassene Wirtschaft führt nach Euckens Überzeugung systematisch zu einer Wirtschaftslenkung durch Machtgruppen. So erklärt Eucken im Vorwort für den ersten Band des Jahrbuchs ORDO:

Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit – diese Frage geht am wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Problem. Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozess zu steuern versuchen, noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: Staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein. Den Unterschied von Form und Prozess erkennen und danach handeln, das ist wesentlich. Nur so kann das Ziel erreicht werden, dass nicht eine kleine Minderheit, sondern alle Bürger über den Preismechanismus die Wirtschaft lenken können. Die einzige Wirtschaftsordnung, in der dies möglich ist, ist die des 'vollständigen Wettbewerbs'. Sie ist nur realisierbar, wenn allen Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen wird, die Spielregeln des Marktes zu verändern. Der Staat muss deshalb durch einen entsprechenden Rechtsrahmen die Marktform – d. h. die Spielregeln, in denen gewirtschaftet wird, – vorgeben. – Walter Eucken

Wissenschaftliches Werk – Sozialpolitik und Konjunkturpolitik

Nach Ansicht von Karl Georg Zinn gab Alfred Müller-Armack „der Sozialpolitik und der staatlichen Konjunktur- und Strukturpolitik ein weit größeres Gewicht als Eucken, für den Sozialpolitik allenfalls „als Minimalprogramm gegen extreme Mißstände“ erforderlich erschien und der Konjunkturpolitik für schlichtweg überflüssig, ja schädlich hielt, weil eine ideale Marktwirtschaft, wie er sie in seiner Ordnungstheorie meinte entworfen zu haben, überhaupt keine zyklischen Konjunkturen und Krisen mehr aufweisen würde.“ Richtig verstandene Sozialpolitik war für Eucken identisch mit der „Politik zur Ordnung der Wirtschaft“.

Die Wirtschaftspolitik schließt in der Vorstellung Euckens die Verantwortung für einen hohen Beschäftigungsstand mit ein. Für den traditionellen Bereich der sozialen Sicherung gegen Arbeitslosigkeit, sowie die Unfall-, Gesundheits- und Altersversicherung ergibt sich eine unstrittige sozialpolitische Begründung.

Doch über die Wettbewerbspolitik hinaus seien mit Hilfe einer speziellen Sozialpolitik „Vorkehrungen notwendig, um Lücken auszufüllen und Härten zu mildern.“ Insbesondere für die Arbeitsmarktverfassung sieht er zusätzlichen Handlungsbedarf des Staates, da die „Arbeit keine Ware“ sei und zwischen Sachgüter- und Arbeitsmärkten Unterschiede bestünden, „die zu beachten sind“. So seien „Arbeiterschutzmaßnahmen“ notwendig, um Missstände zu beseitigen. Neben staatlichen Maßnahmen komme den Gewerkschaften große Verdienste „zur Verbesserung der Lage der Arbeiter“ zu. Obwohl monopolartige Organisationen, seien die Gewerkschaften „freilich durch monopolistische Übergewichte der Unternehmer auf den Plan gerufen“ worden.

Nachlass und Rezeption

Der Nachlass Euckens wurde 1954 im Walter Eucken Institut untergebracht, auch sein Arbeitszimmer blieb vollständig erhalten. In den 1990er Jahren wurde es aufgelöst und der Nachlass der Familie „in ungeordneten und unvollständigen Zustand“ übergeben. Das Walter-Eucken-Archiv in Frankfurt am Main verwaltete und sortierte den Nachlass ab 2000 und koordinierte die Herausgabe bisher unveröffentlichter Werke Euckens sowie Übersetzungen in andere Sprachen. Seit 2013 wird der Nachlass Euckens an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena erschlossen. Die Veröffentlichung der gesammelten Werke Euckens bei Mohr Siebeck ist für 2020 angekündigt.

Euckens Enkel Walter Oswalt leitete das Eucken-Archiv bis zu seinem Tod 2018. Das Archiv setzte sich kritisch mit der Rezeption Euckens und des Ordoliberalismus durch die deutsche Regierungspolitik und die europäische Kommission auseinander. Die Bedeutung Walter Euckens für die soziale Marktwirtschaft würde zwar betont, aber seine fundamentale Kritik an wirtschaftlicher Macht vergessen. Oswalt kritisierte auch die marktliberale Rezeption Euckens (beispielsweise durch das Walter-Eucken-Institut oder die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) und sah die geistes- und sozialwissenschaftliche Perspektive als unterrepräsentiert an. Die machtfreie Ökonomie als das eigentliche ordnungspolitische Leitbild Euckens würde in einer „verfälschenden Kurzfassung“ meist unterschlagen. Das Archiv wollte daher an das „ursprüngliche Forschungsprogramm des konstitutionellen Liberalismus ('Ordoliberalismus')“ anknüpfen und gab auch Werke andere Ordoliberaler wie Alexander Rüstow und Franz Böhm heraus.

HINWEISE

Walter-Eucken-Institut in Freiburg => LINK
Walter Eucken mit Werk- und Literaturliste in Wikipedia => LINK

F

Milton FRIEDMAN — Wichtiger Gegenspieler von Lord Keynes

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Milton Friedman

* 31. Juli 1912 in Brooklyn, New York City — † 16. November 2006 in San Francisco

Eine Ikone des Neoliberalismus der ersten Generation und – neben F. A. von Hayek – wichtigster Gegenspieler von Lord Keynes. Sein Buch „Kapitalismus und Freiheit“ (1962) brach einem kritischen Verständnis des Wohlfahrts- und Interventionsstaates der Nachkriegszeit Bahn. Sein besonderes Verdienst in „sozialer“ Hinsicht war es, in unsentimentaler Weise klargemacht zu haben, dass der wichtigste Indikator der „Sozialbilanz“ des Unternehmens die erzielte Rendite ist. Das Unternehmen ist aus sich heraus sozial, indem es die ökonomischen Bedürfnisse der Menschen befriedigt. Ein Unternehmen ist nicht für die eigenen Beschäftigten oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen da, sondern für seine Kunden. Je besser es den „Dienst am Kunden“ leistet, desto höher wird auch der Gewinn sein. Gewinn machen ist darum die erste moralische Pflicht und Schuldigkeit eines Unternehmers. Je höher der Gewinn – bei Wettbewerb – desto größer die soziale Leistung eines Unternehmens für die Konsumenten, für welche die Wirtschaft schließlich „veranstaltet“ wird. Friedman ist einer der wichtigsten Vertreter des Konzepts der Direktunterstützung der Bedürftigen (z. B. über eine Negativsteuer statt politisch manipulierter Preise) und einer angebotsorientierten, „monetaristischen“ Politik.

LESETIPP

Milton Friedman: Chancen, die ich meine. Berlin, Frankfurt/M., Wien 1980.

G

Johann Wolfgang GOETHE — Staatsdiener und wohlwollender Reformer

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Johann Wolfgang Goethe

* 28. August 1749 in Frankfurt am Main — † 22. März 1832 in Weimar

Wie stehen Liberale politisch zu Goethe, dem großen deutschen Dichter, der für über zehn Jahre Verkehrs-, Kriegs-, schließlich Finanzminister im Kleinstaat Sachsen-Weimar (1.900 km2, 120.000 Einwohner, 800 Beamte) war? Seine Grundposition war die eines wohlwollenden, vorsichtigen Reformers, der nicht unbeeindruckt war von den liberalen Wirtschaftstheorien und (mit wechselhaftem Erfolg) so manches in deren Sinn versuchte. Er war von Anfang an Gegner der Französischen Revolution, Antimilitarist (halbierte die kleine Armee), Antinationalist (kein Freund der Befreiungskriege), Bewunderer Napoleons, großer Eu-ropäer und Kosmopolit. Man konnte von ihm als Staatsdiener und engem Freund des regierenden Herzogs wohl kaum verlangen, dass er sich an die Spitze der Umsturzpartei setzte oder radikaler Demokrat würde. Er bezeichnete sich einmal als „gemäßigten Liberalen wie alle vernünftigen Leute“, polemisierte gegen den Sozialismus in Gestalt des Saint-Simonismus und fand gute Worte für den Freihandel: „Der Freihandel der Begriffe und Gefühle steigert ebenso wie der Verkehr in Produktion und Bodenerzeugnissen den Reichtum und das allgemeine Wohlbefinden der Menschheit.“ Er verteidigte die überlieferte ständische Ordnung und das aristokratische Prinzip.

LESETIPP

Ekkehart Krippendorff Goethe. Politik gegen den Zeitgeist, Frankfurt/M. 1999.

Michail GORBATSCHOW — Reformer und Zerstörer des Sowjetreichs

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Michail Gorbatschow

* 2. März 1931 in Priwolnoje, Russland

Es bleibt ein Wunder, dass dieser seit Chruschtschow erste sowjetische Politiker „mit menschlichem Antlitz” und der Gabe wie John F. Kennedy, sich nichts vorzumachen, in dem Apparat von verlogenen, machtversessenen und korrupten Bürokraten der „Nomenklatura“ – besonders Geheimpolizei und Militär – hochkommen konnte. Wir Deutsche sind ihm mit Recht seit der Wiedervereinigung dankbar zugetan und er ist bei uns populärer als in seinem eigenen Land, wo er als „Reichszerstörer“ bei vielen in Misskredit geraten ist. Es gibt auch in Deutschland einige superkluge Kritiker ohne eigene politische Praxis, die ihm Letzteres offenbar vorhalten – als Mangel an – Staatskunst, realpolitische Naivität usw. In der Tat wollte er – im Kampf mit Boris Jelzin – die Sowjetunion erhalten und hatte etliche Illusionen hinsichtlich der Interdependenz von Ordnungen. Die „List der Vernunft“ machte aus dem Reformer auch einen Zerstörer – aber was lag denn an der Erhaltung dieses auf einer menschenfeindlichen Idee und unsäglicher Brutalität und Menschenopfern beruhenden Sowjetreiches? Gewiss, dieses Imperium war ökonomisch am Ende, aber das schmälert doch nicht die Größe dieses Mannes, der mutig, unter Lebensrisiko, den neuen Weg suchte.

LESETIPP

György Dalos: Gorbatschow. Mensch und Macht, München 2011.

H

Gerd HABERMANN — Geschäftsführer und Initiator der Hayek-Gesellschaft
— Foto: Privat/misesde.org

Eintrag aus verschiedenen Quellen

Gerd Habermann

* 1945 in Petershagen, Westfalen

Gerd Habermann ist liberaler Wirtschaftsphilosoph und Publizist. Er ist Initiator und Geschäftsführer der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft und Vorstandsvorsitzender der Friedrich A. von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft, ferner Honorarprofessor an der Universität Potsdam und ordnungspolitischer Berater der Familienunternehmer – ASU, deren Unternehmerinstitut er bis 2010 geleitet hat. Gerd Habermann ist Mitglied der Mont Pelerin Society und Autor von über 400 Publikationen – darunter: Der Wohlfahrtsstaat. Die Geschichte eines Irrwegs (3. Aufl. in Vorbereitung), Philospohie der Freiheit – ein Friedrich August von Hayek-Brevier (4. Aufl. 2005) und Mitherausgeber des Bandes “Der Liberalismus – eine zeitlose Idee”. Er ist ferner regelmäßig Autor in der Neuen Zürcher Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Welt. (misesde.org)

Auf seiner Webseite schreibt Prof. Gerd Habermann:

In einer kleinen Stadt nördlich von Minden, Petershagen an der Weser, wurde ich nach dem Ende des 2. Weltkrieges geboren. Die Spuren meiner Ahnen weisen in den niedersächsisch-norddeutschen Raum, inklusive Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Meine Eltern sind in Hamburg groß geworden.

Beruflich habe ich mich nach langjähriger Tätigkeit als Leiter des Unternehmerinstituts der Familienunternehmer/ASU (1983 – 2010) jetzt auf die Friedrich August von Hayek-Gesellschaft, deren Geschäftsführer und Initiator ich bin, und der Friedrich-August von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft, deren Vorsitzender ich bin, konzentriert, daneben viel freie publizistische Tätigkeiten. Derzeit bin ich dabei, diese Einrichtung zu professionalisieren und freue mich über jedes Hilfsangebot http://www.hayek.de.

Als (Honorar)-Professor an der Universität Potsdam lehre ich im Wintersemester an der WISO-Fakultät Ordnungstheorie, im Sommersemester Ökonomie und Philosophie des Wohlfahrtsstaates; nach zwei Jahrzehnten Lehre an der Universität Bonn.

An Mitgliedschaften möchte ich erwähnen: die Mont Pelérin Society, ein 1947 gegründeter internationaler Club von entschiedenen Freiheitsdenkern mit u. a. Friedrich August von Hayek, Milton Friedman, Wilhelm Röpke, Ludwig von Mises als Gründungsmitgliedern. Ich bin ferner auch Fördermitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung in Bonn.

Ich habe bisher über 400 Essays, Rezensionen, Broschüren und Bücher geschrieben, in eigenem Namen oder für die Familienunternehmer / Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer oder andere Organisationen, für die ich tätig war oder bin.

LESETIPPS

Gerd Habermann: Der Wohlfahrtsstaat: Ende einer Illusion. (4. akt. Neuausgabe, München 2013)
Gerd Habermann: Knechtschaft oder Freiheit? Ein Handlexikon für liberale Streiter (München 2011)
Gerd Habermann: Philosophie der Freiheit. Ein Friedrich August von Hayek-Brevier. NZZ libro
Gerd Habermann: Das Maß des Menschlichen. Ein Wilhelm Röpke-Brevier. NZZ libro
Gerd Habermann: Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier. NZZ libro
Gerd Habermann: Der Weg zum Wohlstand. Ein Adam-Smith-Brevier. NZZ libro
Gerd Habermann: Freiheit oder Gleichheit. Ein Tocqueville-Brevier. NZZ libro

LINK

Webseite von Gerd Habermann

Friedrich August von HAYEK — Österreichischer Ökonom und Sozialphilosoph
Der Maler/Grafiker, Bildhauer und Autor Stefan Klinkigt stellt sein Hayek-Porträt dankenswerterweise für unsere Webseite zur Verfügung. Mehr seiner Grotesken & Karikaturen prominenter Köpfe auf http://www.klinkigt.net/

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Friedrich August von Hayek

* 8. Mai 1899 in Wien — † 23. März 1992 in Freiburg im Breisgau

Bedeutendster Freiheitsphilosoph und -ökonom des 20. Jahrhunderts, Gegenspieler von Lord Keynes, entschiedenster Gegner von Sozialismus und Wohlfahrtsdemokratie. H. inspirierte die erfolgreichen Reformen Ronald Reagans, Margaret Thatchers oder des slowakischen Finanzministers Ivan Miklos. H. sieht die „Schacherdemokratien" auf dem Weg zur Knechtschaft" und setzte dagegen die Konzeption einer „Verfassung der Freiheit" (Neuaufl. 2005). Besonders weitgehend, aber bisher wenig beachtet sind seine Vorschläge zur „Entthronung der Politik" (Demokratiereform) und zur Entnationalisierung der Währungen. Das Geldmonopol ist das gefährlichste und am häufigsten missbrauchte Staatsmonopol überhaupt.

LESETIPPS

Hans-Jörg Hennecke: Friedrich August von Hayek. Die Tradition der Freiheit, Düsseldorf 2000;
Gerd Habermann (Hrsg.): Philosophie der Freiheit, 4. Aufl., Bern 2005.

J

Bertrand de JOUVENEL — Sozialphilosoph und Kritiker der „sozialen Gerechtigkeit“

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Bertrand de Jouvenel

* 31. Oktober 1903 in Paris — † 1. März 1987 in Paris

Dieser französische Ökonom und Sozialphilosoph kann als ein „Bruder im Geiste“ Friedrich A. von Hayeks angesehen werden und seine Hauptwerke wie „Über die Staatsgewalt“ (dt. 1972) und „Über Souveränität“ (dt. 1963) sollten in keiner liberalen Bibliothek fehlen. Seine Kernthese ist, dass der Freiheit Verhaltensregeln wie Moral, Sitten, religiöse Bindungen, Gewohnheiten und Vorbilder vorgelagert sein müssen, um die soziale Kohäsion zu ermöglichen. Diese werden aber geschwächt von einem sozialen Rationalismus / Konstruktivismus, der nur den isolierten Einzelnen und den Staat sehen will und so die Staatsmacht entfesselt. Diese „destruktive Metaphysik verkannte die Rolle moralischer Autoritäten und aller jener intermediären gesellschaftlichen Mächte, die den Menschen einrahmen, beschützen und lenken. Sie hat nicht vorausgesehen, dass die Zerstörung dieser Hindernisse und Bollwerke die Regellosigkeit egoistischer Interessen und blinder Leidenschaften verursachen würde, die eine unheilvolle Tyrannei unvermeidlich erscheinen lassen“. Niemand hat so eingehend wie de Jouvenel auch die Idee einer „sozialen Gerechtigkeit“, die der Zerstörung der sozialen Ordnung das ethische Fundament gibt, kritisiert.

LESETIPP

Gerd Habermann: Die soziale Weisheit des Bertrand de Jouvenel, in: Ordo, Bd. 46, 1995, S. 57ff.

K

Immanuel KANT — Philosoph des Rechtsstaates und der Freiheit

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Immanuel Kant

* 22. April 1724 in Königsberg, Preußen — † 12. Februar 1804 in Königsberg, Preußen

Dieser große Philosoph auch des Rechtsstaates und der Freiheit ist ein Höhepunkt in der Geschichte des deutschen Liberalismus, da jeder Mensch zunächst als Eigner seiner selbst sich selbstständig seine Lebensziele suchen muss, „Glück“ immer nur subjektiv definiert werden kann und der Mensch als vernunftbestimmtes Wesen nicht nur Mittel im Dienste fremder Zwecke sein darf. So ist für Kant klar, dass ein Staatstyp abgelehnt werden muss muss, der – wie der alte Wohlfahrtsstaat seiner Zeit, der „aufgeklärte Polizeistaat“ – ebenso wie der gegenwärtige, in hohem Maße über Eigentum, Freiheit und Lebensglück seiner Bürger verfügt. Es gibt kaum einen schärferen moralischen Kritiker des Wohlfahrtsstaates als Kant: „Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen dürften: so zeigen sie nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie versuchen, allein zu gehen.“ Wilhelm Röpke wird später von „komfortabler Stallfütterung“, Konrad Lorenz gar von der „Verhausschweinung des Menschen“ im Wohlfahrtsstaat sprechen.

LESETIPP

Immanuel Kant: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (div. Ausgaben).

John Maynard KEYNES — Stichwortgeber für Inflation und Schuldenkrisen

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

John Maynard Keynes

* 5. Juni 1883 in Cambridge — † 21. April 1946 in Tilton bei Firle, East Sussex

Britischer Ökonom und Zyniker, der die chronische Inflation hoffähig gemacht und mit dem berühmten Satz „Auf lange Sicht sind wir alle tot“, dahinwurstelnden Pragmatikern der Politik das Stichwort geliefert hat. Die nachfrageorientierte Schule der keynesianischen Ökonomie geht von Illusionen möglicher Gesellschaftssteuerung aus. Sie arbeitet mit Globalgrößen („Gesamtnachfrage“ usw.), die eher metaphysischer Art sind, da es kausale Beziehungen nur zwischen Individuen geben kann, nicht zwischen abstrakten Aggregaten. Für die Ökonomie wäre es insgesamt besser gewesen, hätte dieser Engländer nicht gewirkt. Er ist einer der Hauptverantwortlichen an dem extremen Anstieg der Staatsquoten in den vergangenen Jahrzehnten, für das Aufkommen des „Wohlfahrtsstaates“ und seiner Schuldenkrisen.

LESETIPP

Henry Hazlitt (Hrsg.): The Critics of Keynesian Economics, New York 1995.

Steffen KRUG — Gründer des Instituts für Austrian Asset Management

Eintrag aus verschiedenen Quellen

Steffen Krug

* 8. November 1972

Steffen Krug studierte Volkswirtschaftslehre an der Uni Heidelberg, ESC Reims in Frankreich und an der Europa-Universität-Viadrina in Frankfurt an der Oder. Er war zwei Jahre lang wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Jan Winiecki, einem Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomie, wo er 1997 seine Diplomarbeit zum Thema „Systemwettbewerb und Europäische Integration“ schrieb. Nach einem Traineeprogramm bei der Vereins- und Westbank in Hamburg war er dort anschliessend als Wertpapierspezialist am Alten Wall tätig. 2001 machte er sich als Anlageberater und Finanzmakler selbständig (Lacruche Brokerage). Während seiner praktischen Tätigkeit entwickelte er den Investmentstil des Austrian Asset Management und gründete 2009 das Institut für Austrian Asset Management.

L

John LOCKE — Erzvater des Liberalismus und Gegenspieler von Hobbes

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

John Locke

* 29. August 1632 in Wrington bei Bristol — † 28. Oktober 1704 in Oates, Epping Forest, Essex

Erzvater des Liberalismus, zu dem jedes liberale Denken am Ende zurückkehren sollte, Gegenspieler von Thomas Hobbes, der den Staatsabsolutismus lehrt. Locke sagt, dass die Regierung dem Volk verantwortlich ist und ihre Macht durch das Sittengesetz und die geschichtlich entwickelten Verfassungsgrundsätze begrenzt sind. Der Naturzustand der Menschen ist nicht der Hobbes'sche Krieg aller gegen alle, sondern Frieden und gegenseitige Hilfe. Die Moral macht das Gesetz und nicht umgekehrt. Der Mensch hat ein natürliches Recht auf „Leben, Freiheit und Eigentum“; Einschränkungen dieses Rechts sind nur zum Schutz der gleichartigen Rechte anderer Individuen zulässig. Die vornehmste Pflicht der Regierung ist der Schutz des Eigentums. Locke war wahrscheinlich von Thomas von Aquin angeregt, der ebenfalls ein wichtiger Name in der Geschichte des Liberalismus ist.

LESETIPP

Hardy Bouillon: John Locke, St. Augustin 1997.

M

Karl MARX — Erzfeind der bürgerlichen Ordnung

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Karl Marx

* 5. Mai 1818 in Trier — † 14. März 1883 in London

Die Ikone des modernen Sozialismus. Die Folgen seiner vom Hass gegen Privateigentum, Arbeitsteilung und Individualität verzerrten Lehre waren so entsetzlich, dass man sich fragen muss, ob es nicht besser gewesen wäre, er hätte nie geschrieben. Die von ihm entdeckten angeblichen „Entwicklungsgesetze des Kapitalismus“ waren im Wesentlichen seine frommen Wünsche und seine Verklärung der kommunistischen „Horde“ (der „Gattung“, wie er schreibt) machte ihn zum Erzfeind der bürgerlichen Ordnung, auf der die moderne Zivilisation beruht. Wichtigste Marx-Kritiker sind Eugen von Böhm-Bawerk, Max Weber, Ludwig von Mises, Karl Popper, Friedrich August von Hayek und die jahrzehntelang demonstrierte Realität des untergegangenen Sozialismus des Sowjetimperiums und anderer sozialistisch beherrschter Länder (gegenwärtig noch besonders Kuba und Nordkorea).

Carl MENGER — Urvater der österreichischen Schule der Nationalökonomie

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Carl Menger

* 23. Februar 1840 in Neu-Sandez, Galizien — † 26. Februar 1921 in Wien

Urvater der modernen österreichischen Schule der Nationalökonomie. Neben und über Adam Smith hinaus leistete er Grundlegendes zum Verständnis einer spontanen Ordnung und der Preisbildung, namentlich durch seine subjektive Wertlehre und Grenznutzenanalyse, die den objektiven Wertlehren (selbst eines Adam Smith) den Todesstoß gab, zumindest theoretisch. So wurde er auch wichtiger Vertreter des methodischen Individualismus gegenüber nationalen Kollektivisten der jüngeren historischen Schule der Nationalökonomie, an der Spitze Gustav Schmoller. Carl Menger war von prägendem Einfluss auf Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek.

LESETIPPS

Carl Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1968;
Carl Menger: Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften und der Politischen Ökonomie, Tübingen 1966

John Stuart MILL — Philosoph und Repräsentant des englischen Liberalismus

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

John Stuart Mill

* 20. Mai 1806 in Pentonville, Vereinigtes Königreich — † 8. Mai 1873 in Avignon, Frankreich

Ein besonders edler Repräsentant des englischen Liberalismus, Ökonom und Philosoph. Wir verdanken ihm den wunderschönen Essay „Über die Freiheit“. In seinem Alterswerk näherte sich Mill dem Sozialismus, aber nicht als Staatssozialismus, sondern in Gestalt von freien Genossenschaften, Produktivassoziationen usw. an (was wir heute gar nicht Sozialismus nennen würden). Er war auch ein liberaler Feminist, d. h. im Sinne der Gleichberechtigung, nicht der zwangssozialistischen Gleichmachung oder -„stellung“. Mill wäre heute ein dezidierter Kritiker des egalitär-zentralistischen Wohlfahrtsstaates. Die zeitgenössischen sogenannten „Sozialliberalen“ berufen sich zu Unrecht auf ihn.

Ludwig von MISES — Lehrer von Friedrich August von Hayek

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Ludwig von Mises

* 29. September 1881 in Lemberg, Österreich-Ungarn — † 10. Oktober 1973 in New York

Lehrer von Friedrich August von Hayek, großer liberaler Nationalökonom und wichtigster Kritiker des Sozialismus aus der „österreichischen Schule der Nationalökonomie“. Mises hat (neben Max Weber) als erster klargemacht, dass die sozialistische Planwirtschaft, da sie keine Möglichkeit zur Kalkulation hat, denn Knappheitspreise sind abgeschafft, ökonomisch-technisch unmöglich ist. Die Frage: Wer, was, wann, wo, in welcher Menge und Qualität produzieren soll, kann ohne Kostenrechnung nicht entschieden werden. Die sozialistische Planwirtschaft wird damit zu einem organisierten Chaos, in dem Verschwendung herrscht und niemand weiß, wo die wirklichen Knappheiten und Bedürfnisse der Menschen liegen. Es ist damit bereits aus diesem Grund sinnlos, ihn anzustreben. Er ist „technisch“ unmöglich, wenn man auf nachfragegerechte Versorgung Wert legt und Hungerkatastrophen vermeiden will. Von der Möglichkeit realitätsgerechter Kalkulation hängt unser aller Überleben ab oder doch der meisten von uns.

LESETIPP

Ludwig von Mises: Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus, München 1981 (1922);
Roland Baader: Die Logik der Freiheit. Ein Ludwig-Mises-Brevier, 2. Aufl., Bern 2006.

Michel de MONTAIGNE — Freiheits- und Menschenfreund

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Michel de Montaigne

* 28. Februar 1533 Schloss Montaigne im Périgord (Frankreich) — † 13. September 1592 ebenda

Die „Essays“ dieses großen Freiheits- und Menschenfreundes gehören in die Bibliothek jedes Liberalen, genau wie einige Werke seines wahlverwandten Erasmus. Er ist ein Verteidiger des privaten Lebens, Staats- und Gesetzesskeptiker wie auch Gegner jedes Dogmatismus und Absolutheitsanspruchs, aber selbst in dieser Skepsis nicht dogmatisch. „Hast du dein Leben zu bedenken und zu führen gewusst? So hast du das größte aller Werke vollbracht ... Die schrecklichste unserer Krankheiten ist die Verachtung unseres eigenen Wesens.“ Er wurde stark durch Seneca und Epikur, Plutarch, überhaupt durch die „Alten“ beeinflusst und beeindruckte seinerseits große liberale Geister bis zu Friedrich Nietzsche und darüber hinaus. Von Letzterem stammt die Empfehlung: „Mit ihm würde ich es halten, wenn die Aufgabe gestellt wäre, es sich auf der Erde heimisch zu machen.“

Alfred MÜLLER-ARMACK — Mitbegründer der Sozialen Marktwirtschaft

Original-Artikel von Hubert Milz: 1949 – 2019: Siebzig Jahre „Soziale Marktwirtschaft“

Alfred Müller-Armack

* 28. Juni 1901 in Essen — † 16. März 1978 in Köln

Einleitung | Liebe Mitglieder des Hayek-Club-Dresden e. V., beim Treffen mit dem Dresdener Hayek-Club am 06.12.2018 war gegen Ende hin auch Alfred Müller-Armack ein Stichwort gewesen. Ich hatte angemerkt, dass er nicht ohne Grund Mitglied bei den „braunen Sozialisten“ gewesen war; man habe gewisse Stränge im Werk Müller-Armacks vorsichtig zu lesen. Diesen Ansatz konnte ich – wegen der allgemeinen Aufbruchstimmung – nicht vertiefen. Deswegen hatte ich zugesagt, dass ich ein paar Gedankensplitter bezüglich Müller-Armack zur Verfügung stellen werde. Dem bin ich nachgekommen und verfasste die „Anmerkungen zu Alfred Müller-Armack“. Diese Anmerkungen interessierten Prof. Kurt R. Leube, er ist akademischer Direktor des „European Center of Austrian Economics Foundation (ECAEF)“ in Vaduz, Liechtenstein. Prof. Leube bat mich den Text zur überarbeiten, damit er ihn bezüglich „Siebzig Jahre soziale Marktwirtschaft“ auf den ECAEF-WEB-Seiten veröffentlichen kann. Ergo wurden die Anmerkungen von mir im Zusammenspiel mit Prof. Leube überarbeitet und anschließend auf den ECAEF-WEB-Seiten veröffentlicht.

Mit den besten Grüßen
Hubert Milz

 

1949 – 2019: Siebzig Jahre „Soziale Marktwirtschaft“

Von Hubert Milz

Vorbemerkungen | Zum 70. Jubiläum der sozialen Marktwirtschaft werden wahrscheinlich viele Publikationen dem so genannten deutschen Wirtschaftswunder gewidmet sein, wobei Alfred Müller-Armack (1901 – 1978) eine wichtige Rolle einnehmen wird. Obschon das wirtschaftspolitische Konzept der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard energisch und mit großem Erfolg umgesetzt wurde, gilt Müller-Armack nicht nur als Erfinder des politisch zündenden und wirkungsvollen Slogan „soziale Marktwirtschaft“, sondern somit auch als einer der Väter des so genannten deutschen Wirtschaftswunders. Auch wenn es im Folgenden kaum gelingen wird, der Person Müller-Armacks gerecht zu werden, soll hier doch versucht werden diese wirtschafts- und gesellschaftspolitisch wichtige Persönlichkeit der deutschen Nachkriegsjahre kritisch zu sehen.

Müller-Armack und der „starke Staat“

Studiert hatte Müller-Armack „wirtschaftliche Staatswissenschaften“, dieser Studiengang umfasste neben der Volkswirtschaftslehre auch Staats- und Verwaltungslehre, Öffentliches Recht, Privatrecht, Wirtschaftsgeschichte und mehr – und wurde damals im Deutschen Reich dominant beherrscht von den Vertretern der „jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie“. Grob gesprochen lässt sich festhalten, dass diese Schule der „ökonomischen Theorie“ weitgehend ablehnend gegenüber stand, sie wollte Wirtschaft und Gesellschaft anhand historisch erarbeiteter Entwicklungsgesetze sozusagen vermessen (1), daneben sind wesentliche Schwerpunkte der Schule in den Feldern „gesellschaftliche Institutionen“ und „Sozialpolitik“ („Kathedersozialisten“) zu verorten. In der Regel waren die Vertreter der „jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie“ auch stark etatistisch geprägt; sie glaubten an den „starken Staat“.

Müller-Armack ist meiner Meinung nach stark durch diese „jüngere Historische Schule der Nationalökonomie“ geprägt, was den Glauben an den „starken Staaten“ und die Sozialpolitik betrifft, diesen Glauben hat er auch nach 1945 in modifizierter Form beibehalten.

Müller-Armack war ein Anhänger des Korporatismus (2), vielleicht nicht ganz so, wie dieser im Italien Mussolinis umgesetzt wurde, jedoch sind Müller-Armacks damalige Sympathien für die korporatistische Wirtschaftspolitik nicht zu übersehen (3). Großindustrie, Kartelle und staatlich gelenkte Wirtschaft, mit diesen Stichworten kann man Müller-Armacks Sympathien und wirtschaftspolitische Positionen der späten 1920er und frühen 1930er Jahren umschreiben und plakativ zusammenfassen.

Müller-Armack wird – dies ist meine Sicht der Dinge – zu Beginn der „braunen Revolution“ der Ansicht gewesen sein, dass seine Ansichten zum wirtschaftspolitischen Korporatismus mit der „NSDAP“ umsetzbar und zu machen sind, so dass Wirtschaft und Gesellschaft im Vergleich zur „Weimarer Republik“ stabiler und auch relativ frei sein sollten. Dies war ein Irrtum, den Müller-Armack schnell einsah, so dass er sich ins Passive zurückzog, er publizierte bis 1945, wenn überhaupt, dann sozusagen neutral.

Korporatismus oder sozialistische Wirtschaftspolitik?

Die „Nazis“ betrieben hingegen eine sozialistische Wirtschaftspolitik, eine Kommandowirtschaft war dies – und kein Korporatismus. Dies wurde z. B. vom sozialistischen Ehepaar Alva Myrdal und Gunnar Myrdal, beide sind Nobelpreisträger, anerkannt. Das Ehepaar bereiste Mitte der 1930er Jahre das „braune Deutschland“, danach fabulierten die Myrdals geradezu schwärmerisch vom sozialistischen Fortschritt im „braunen Deutschland“. Nach dem II. Weltkrieg wurden Teile der schwedischen Verfassung von 1809 geändert. Die Initiative hierfür lag bei den sozialistisch-marxistischen Sozialdemokraten Schwedens; auch z. B. für die fast wörtlich übernommenen Passagen eines Ernst Rudolf Huber (4), der als einer der „Kronjuristen“ der „NSDAP“ gilt. Auch diese kleine – weitgehend unbekannte Anekdote – zeigt, dass die sozialistischen Spielarten – egal, ob rot, rosa-rot, grün, braun oder welche Farbe auch immer – aus gleichen Wurzeln sprießen. Auch der „Vorwärts“, der von den emigrierten deutschen Sozialdemokraten zunächst in Prag und später in Paris herausgegeben wurde, sprach von den ab 1936 aufgelegten Vierjahrespläne der „braunen Sozialisten“ lobend im Sinne des sozialistischen Fortschritts (5).

Solche Anekdoten, die heutzutage nicht gerne gehört werden und unter das Schweigegebot der „political correctness“ fallen, zeigen deutlich, dass Joseph Goebbels nicht ohne Grund 1930 im „Angriff“ schrieb, dass die „NSDAP“ die äußerste linke Speerspitze der sozialistischen Revolution ist.

Sollte nun jemand einwenden, dass die „braunen Sozialisten“ die Wirtschaftsbetriebe nicht verstaatlicht haben und dass doch Verstaatlichung der Wirtschaft das Kennzeichen jedweder Form von Sozialismus zu sein hat, dem sei entgegnet: Karl Marx hat nicht von Verstaatlichung gesprochen, sondern von Vergesellschaftlichung, von Sozialisierung; der Staat sollte gemäß Marx im Sozialismus absterben. Demzufolge waren die „braunen Sozialisten“ in Fragen der „Sozialisierung der Wirtschaft“ näher an Marx als es der „real existierende Sozialismus“ von Lenin, Stalin etc. oder die Pläne der marxistischen Sozialdemokratie waren. „GröFaZ“ soll diesbezüglich sogar gesagt haben, dass er die Wirtschaft nicht zu sozialisieren brauche, sondern es genüge vollauf, wenn er die Menschen sozialisiere.

Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard

Schon in den vertraulichen Zirkeln, die es während der zwölf Jahre der „braunen Sozialisten“ gab, lernte Müller-Armack Ludwig Erhard kennen. Müller-Armack, Erhard und andere6 arbeiteten in diesen Zirkel an Konzepten für die Nachkriegsordnung. Mitunter geschah dies auch ganz offiziell, z. B. in der „Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath“. Dies war eine mehr oder weniger private Runde, die unter dem Schutz der „Akademie für Deutsches Recht, Abteilung Volkswirtschaftslehre“ ganz normal als offizielle Forschungsgruppe bis zur Auflösung der Abteilung 1943 tätig war. Danach arbeitete die Gruppe inoffiziell weiter. In dieser Gruppe wurden schon vor 1943 Positionen erarbeitet, die in die deutsche Nachkriegsordnung einflossen.

Wer sich ein wenig mit den Positionen Erhards und Müller-Armacks befasst, dem sollten die grundlegenden Unterschiede zwischen Erhard und Müller-Armack in die Augen springen.

Für Ludwig Erhard ist die Marktwirtschaft sozial an sich! Ein vernünftiger, einfacher rechtlicher Handlungsrahmen genüge, um die Institution des Marktes zum Vorteil aller wirken zu lassen – eben zum „Wohlstand für alle“. Oder anders ausgedrückt (Erich Weede), „Der Markt kann selbst Egoisten und Neider zwingen, sich so zu verhalten, als ob sie am Wohlergehen ihrer Mitmenschen interessiert sind. Die Politik kann das nicht.“

Müller-Armack war völlig anderer Meinung. Er meinte, dass die Marktwirtschaft sozial gerecht feingesteuert werden müsse, man könne diese sich nicht selbst überlassen7. Besonders beim alten Müller-Armack wird der interventionistische Korporatismus wieder deutlich, richtiggehend prägend, z. B. lobte Müller-Armack 1978 – also kurz vor seinem Tod – die Interventionen des Staates „Generationenvertrag mit dynamischer Rentenformel; Betriebsverfassungsgesetz; die (so genannte) Spar- und Vermögenspolitik“ vollumfänglich und diese Dinge befand Müller-Armack als sehr gut in den Händen der Regierung – Müller-Armack wollte dies alles als soziales Ordnungsinstrument des Staates in den Händen der Regierung gebündelt wissen.

Bei solchen Ausführungen sollte nach meinem Empfinden ein tatsächlicher „Ordoliberaler“ (8) widersprechen; denn z. B.

=> beim sog. Generationenvertrag war schon während der Vorbereitung klar, dass dieser scheitern wird. Adenauer 1955 soll an seine Mitarbeiter, welche die Blaupause von Prof. Schreiber zum Rentenreformgesetz gestalteten, die Frage gerichtet haben: „Meine Herren, was ist, wenn der Erhard, der Schäffer, der Röpke und deren Freunde richtig liegen und das Ding geht schief, was dann?“ Die Antwort soll gewesen sein: „Herr Bundeskanzler, wenn das Ding schief geht, dann sind Sie schon lange nicht mehr und wir auch nicht!“ Also, den tatsächlichen „Ordoliberalen“ war schon 1955 klar, dass der sog. „Generationenvertrag“ schief gehen wird;

=> ebenso klar war echten „Ordoliberalen“, dass die „Vermögensbildungsgesetze“ kaum Vermögen in Arbeitnehmerhand bilden werden

=> und dass das Betriebsverfassungsgesetz langfristig, wegen etlicher falscher Anreize des Gesetzes, kontraproduktiv sein wird.

Müller-Armack war eben kein echter „Ordoliberaler“, sondern war meines Erachtens nur ziemlich flexibel. Seinen Korporatismus reicherte er nach 1945 mit liberalen Anteilen an, vertrat jedoch als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium weiterhin – wiederum mein persönlicher Eindruck – eine Art von weichem, mildem Korporatismus und damit letztlich doch die Interessen der Großindustrie.

Müller-Armack war meinem Eindruck nach eher eine Art von Bremser bei der Entflechtung der Kartelle, der Syndikate und der vermachteten Strukturen in der Wirtschaft – in der wirtschaftlichen Prozesspolitik stand Müller-Armack den alten „Granden“ näher als den „Ordoliberalen“ und übte sich prozesspolitisch in den Dingen, die Friedrich August von Hayek mit vollem Recht „Anmaßung von Wissen“ nannte. Dies ist auch schon leicht aus den oben genannten drei Punkten abzuleiten. Diese Art von „sozialer Feinsteuerung“ lässt sich grob gesprochen viel leichter bewerkstelligen mit

=> den Konzernlenkern der Großbetriebe, die keine Unternehmer, sondern nur Betriebsverwalter sind. Die Franzosen haben meiner Meinung mit „société anonyme“ die bessere Bezeichnung für Aktiengesellschaften; die „Führer“ dieser anonymen Großbetriebe sind politisch einfacher auf Linie zu bringen als die Eigentums-Unternehmer;

=> den straff organisierten Verbänden von Industrie und Handel, die starken Einfluss auf ihre Mitglieder ausüben und deren Verbandsfunktionäre meistens auch politisch gut verbandelt sind;

=> flankierend hinzu kommen dann noch die Industrie- und Handelskammern, ergänzt um die Handwerkskammern, deren Funktionäre auch regelmäßig gute Drähte zur Politik pflegen;

=> und unabdingbar sind natürlich Gewerkschaften mit Gewerkschaftsbossen, welche die eigenen Interessen verfolgen, aber clever genug sind dies den Gewerkschaftsmitgliedern als Gewerkschaftsinteresse einzuimpfen, somit die Mitglieder fest im Griff haben und natürlich die politischen Spielchen mitspielen.

Mittels einer derartigen Gemengelage kann das Spiel der so genannten „sozialen Feinsteuerung der Marktwirtschaft“ im Sinne von Müller-Armack gespielt werden. Doch dies hat kaum noch etwas mit Marktwirtschaft zu tun; dies ist eine extrem verkrüppelte Marktwirtschaft, die zwar effizienter ist als die Planwirtschaft, jedoch nur deshalb, weil den Menschen – zumindest über eine lange Zeitspanne hinweg – vorgegaukelt wird, dass dies „Soziale Marktwirtschaft“ ist. Und wenn das Ding dann schiefgeht, dann ist dies natürlich der „ungebändigte Kapitalismus“ schuld, der die guten Ansätze der „Sozialen Marktwirtschaftler“ unterlaufen hat. Selbstredend sind natürlich keinesfalls die wirkliche Täter die Schuldigen. Diese wirklichen Täter sind zu finden in einer furchterregenden Symbiose aus ähnlichen Kreaturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die zusammengeführt, zusammengehalten, organisiert und gehandhabt durch Regierungspolitik zum Schaden der allgemeinen und individuellen Wohlfahrt agieren.

Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard und Franz Böhm trieben hingegen – mit Blick auf funktionierenden Wettbewerb – die Entflechtung und Auflösung der aus Kaiserreich und Weimarer Zeit überkommenen alten, vermachteten Strukturen voran.

Der grundlegende Unterschied in den Konzepten ist schon in der Schreibweise zu erkennen. Anhänger des wirtschaftspolitischen Konzepts von Ludwig Erhard schreiben „soziale Marktwirtschaft“; die Anhänger des Konzepts von Müller-Armack schreiben hingegen „Soziale Marktwirtschaft“. Noch heute lässt sich an der unterschiedlichen Schreibweise erkennen, wer „Marktwirtschafter“ und wer mehr oder weniger ein „Interventionist“ und/oder „Korporatist“ ist. Herbert Giersch z. B. konnte „soziale Marktwirtschaft“ gerade noch hinnehmen, bei einer Realisierung des Konzepts „Sozialer Marktwirtschaft“ des Müller-Armacks hingegen befürchtete Giersch die Zerstörung der Wirtschaft und damit auch der Gesellschaft (9); denn auch der Korporatismus in der Art und Weise der „Sozialen Marktwirtschaft“ Müller-Armacks führt längerfristig zu einer Spielart von Sozialismus oder Kollektivismus, da Regierungen in solchen korporatistischen Systemen ihre Ansprüche immer weiter ausdehnen werden.

Die Folgen sind leicht abzuleiten: Eigentums- und Verfügungsrechte werden stetig immer weiter ausgehöhlt, so dass diese Rechte zu leeren, formalen Hülsen verkommen. Der eigentliche Chef der Verfügungsrechte ist dann die Regierung, diese führt dann die „Regie“ über das Eigentum, das nur formal noch irgendwelchen Privatpersonen gehört. Letztlich gilt dies auch für den Korporatismus des Müller-Armacks, der – zwar auf die sanfte Art und Weise der Tarnkappe „Soziale Marktwirtschaft“ – zum Sozialismus und damit zu „Armut, Not und Elend für ALLE“ führen wird, ausgenommen sind natürlich die politischen Führungskader.

Damit ist nicht gesagt, dass das korporatistische Konzept des autoritären Liberalismus nach Müller-Armack nicht kurzfristig erfolgreich sein kann. Doch durch die Anreize, die gesetzt werden, ist eben das Potential absolut gegeben, dass dieses Konzept scheitern lässt – mag der eine oder andere auch der Meinung sein, dass ein solches Konzept noch immer eine gute „zweitbeste Lösung“ ist. Wird hingegen ein liberaler Korporatismus im Sinne von „Freiheit“ eingesetzt, dann heißt das Ziel weniger Staat. Ein Konzept des liberalen Korporatismus, welches ein erster Schritt sein sollte, um den Weg zu beschreiten aus dem derzeitigen Maximalstaat wieder einen Minimalstaat zu machen (10). Mit dem Konzept von Müller-Armack ist dies jedoch nicht möglich; Müller-Armacks Konzept führt zu immer mehr und immer mehr Staat.

ANMERKUNGEN

(1) Dies wollen die heutigen, den Ton angebenden, modernen Mainstream-Ökonomen („Ökonomokraten“) auch, und zwar wollen diese „Ökonomokraten“ nicht nur die Welt vermessen, sondern auf der Grundlage statistischer Datenberge mittels ökonometrischer Modelle mit der Vergangenheit – also der Geschichte – sogar die Zukunft vorhersagen. Darf man diese „Ökonomokraten“ folglich als die legitimen Erben der „jüngeren Historischen Schule der Nationalökonomie“ bezeichnen?

(2) Korporatisten sind der Meinung, dass der Staat und die Interessengruppen der Wirtschaftsgesellschaft aufeinander angewiesen sind. Deswegen befürworten Korporatisten einen Deal (wie z. B. Roosevelts „New Deal“) zwischen Staat und jenen Interessengruppen, die durch Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften repräsentiert werden. Daraus folgt, dass Korporatisten nicht nur manchmal, sondern sehr häufig weitgehende staatliche Interventionen ins Marktgeschehen befürworten.

(3) Seine 1933 veröffentlichte Schrift „Staatsidee und Wirtschaftsordnung im Neuen Reich“ zeigt dies deutlich und illustriert meine These.

(4) Die Quellen dazu sind zu finden in Josef Schüßlburner: Roter, brauner und grüner Sozialismus. Grevenbroich 2008.

(5) Auch hier: Die Quelle sind zu finden in Josef Schüßlburner: Roter, brauner und grüner Sozialismus. Grevenbroich 2008.

(6) So z. B. Günter Schmölders, der als Professor für Finanzwissenschaft in Köln ein Kollege von Müller-Armack war. Schmölders Nachkriegsarbeiten hatten wesentlichen Einfluss auf die Steuerpolitik, sein Buch „Gutes und schlechtes Geld“ kann ich als Einführung in das „Rätsel Geld“ empfehlen. Nach eigenen Angaben stand Schmölders während seiner Breslauer Zeit dem „Kreisauer Kreis“ nahe; Götz Aly („Hitlers Volksstaat“) und Hauke Janssen („Nationalökonomie und Nationalsozialismus“) belegen durch entsprechende Quellen des Bundesarchivs in Koblenz, dass Schmölders wissenschaftlicher Schulungsleiter der SS war, außerdem sind einige Schriftsätze Schmölders aus der braunen Zeit nicht gerade „freiheitlich“ zu nennen. Auch an der Person Schmölders ist also leicht zu erkennen, wie differenziert mit der Wertung der Personen umzugehen ist, die nicht von Anfang an im Widerstand gegen „GröFaZ“ standen oder emigrierten.

(7) Dieter Haselbach („Autoritärer Liberalismus und Soziale Marktwirtschaft“) bezeichnet das Konzept Müller-Armacks als „autoritären Liberalismus“; ein Ausdruck, der sicher nicht als falsch verworfen werden kann. Haselbach ist promovierter und habilitierter Soziologe und meiner Meinung nach politisch „links“ zu verorten.

(8) Die „soziale Marktwirtschaft“ im Sinne des Konzeptes von Franz Böhm, Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke oder Alexander Rüstow wich in wesentlichen, wichtigen Punkten vom Konzept „Soziale Marktwirtschaft“ des Alfred Müller-Armacks stark ab. Übrigens, nahezu 100% der Politiker, die heutzutage von „sozialer Marktwirtschaft“ und „Ordoliberalismus“ in Abgrenzung zum bösen „Neoliberalismus“ reden, zeigen schon durch diese Wortwahl ihre völlige Ahnungslosigkeit. Die deutschen „Ordoliberalen“ der Nachkriegszeit betrachteten sich als Vertreter und Fechter des „Neoliberalismus“. Den Begriff Neoliberalismus schöpfte Alexander Rüstow 1938 in Paris beim „Colloque Walter Lippmann“. Das weltweit letzte verbliebene Häuflein „Freiheitlicher“ einigte sich damals auf das Label „Neoliberalismus“. Daraus folgt, die ursprünglichen deutschen „Ordoliberalen“ sind die deutschen Vertreter des „Neoliberalismus“, die man wegen ihres Jahrbuchs „Ordo“ als „Ordoliberale“ bezeichnete – ein Begriff der von Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow – nach meinem Kenntnisstand – nicht übernommen wurde, beide bezeichneten sich selbst als „Neoliberale“ oder auch „Neuliberale“.

(9) Aus dem Gedächtnis zitiert; ich hatte dies als Student im Rahmen einer Literaturrecherche in einer Zeitschrift „Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“ des Franz Steiner Verlags gelesen.

(10) Vgl. Robert Nef: Ein guter Deal zwischen Staat und Wirtschaft?; in: NZZ, 27.01.2009, https://www.nzz.ch/ein_guter_deal_zwischen_staat_und_wirtschaft-1.1793922 und derselbe mit seinem Vortrag beim Roland-Baader-Treffen-2017: https://www.youtube.com/watch?v=bAEdg6_iSVo, ab Zeitpunkt 2:03:05.

DER AUTOR

Hubert Milz wurde 1956 geboren, arbeitete nach dem Studium mehr als drei Jahrzehnte in der Energiewirtschaft und ist nun Rentner im Unruhestand.

QUELLE

Mit freundlicher Genehmigung des Autors. Hubert Milz: „Siebzig Jahre soziale Marktwirtschaft“ auf ECAEF.org

N

Robert NEF — Publizist und Verteidiger der Schweizer Unabhängigkeit

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Robert Nef

* 1942 in St. Gallen (Schweiz)

Wortmächtiger liberaler Publizist der Schweiz aus einer alten Appenzeller Familie. Er vertritt über sein Liberales Institut in Zürich und früher die „Schweizer Monatshefte“ einen entschiedenen Liberalismus und „Nonzentralismus“ (ein von ihm geprägter Begriff) und verteidigt das Milizsystem und die Unabhängigkeit der Schweiz gegen einen europäischen Supernationalstaat mit der Hauptstadt in. Brüssel.

LESETIPP

Robert Nef: Lob des Nonzentralismus, St. Augustin 2002.

Friedrich NIETZSCHE — Individualist mit antik-aristokratischen Zügen

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Friedrich Nietzsche

* 15. Oktober 1844 in Röcken — † 25. August 1900 in Weimar

Dieser Feuerkopf ist eine wahre Schatzkammer an Ideen und Botschaften auch für uns Liberale, obwohl er uns, und besonders die Unternehmer, lächerlich macht und beleidigt. Schon der Liberale Ludwig Bamberger hat ihm geistige „Überproduktivität“ bescheinigt. Wen von den großen Schriftstellern, Künstlern, Soziologen und manchmal sogar Sozialisten und welche politischen und philosophischen Richtungen hat er nicht inspiriert? Auch international. Thomas und Heinrich Mann, Max Weber, Ernst Jünger, Georg Simmel sind darunter. Er ist ein konsequenter Individualist mit antik-aristokratischen Zügen; für den modernen Staat, gar den Sozialismus, die „Horde“ und „Masse“ und für das „Grüneweideglück der Herde“ findet er nur wegwerfende Worte. Er lehrt die starke Persönlichkeit, die durch Leiden und Selbstüberwindung wächst („Not ist nötig!“). Er verachtet (wie Goethe) die Deutschen, den nationalen Machtstaat, er ist der „gute Europäer", er ist Anti-Antisemit und Gegner der Rassenlehre. Das hat leider nicht verhindert, dass ihn die Nationalsozialisten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versuchten (er wäre bei ihnen gewiss in einem Konzentrationslager gelandet). Was ihn grundsätzlich vom Liberalismus trennt, ist seine Ablehnung der Rechtsgleichheit des modernen Staates. Aber Montesquieu oder Burke verfochten auch die ständisch gegliederte Gesellschaft (wie auch Goethe) und selbst die amerikanischen Gründerväter waren keine „lupenreinen“ Demokraten in unserem (egalitären) Sinn.

LESETIPPS

Henning Ottmann: Philosophie und Politik bei Nietzsche; 2. Aufl., München 1999;
Gerd Habermann: Wir Liberalen und die Philosophie Friedrich Nietzsches, in: MUT, Nr. 517, 2010, S. 76ff

O

George ORWELL — Satiriker des Sozialismus

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

George Orwell

* 25. Juni 1903 in Motihari, Bihar, Britisch-Indien — † 21. Januar 1950 in London

Britischer Satiriker des Sozialismus. Als die sozialistische Utopie zum ersten Mal in Russland erprobt wurde, verlor sie bei allen nachdenklichen, selbst sozialistischen Intellektuellen an Kredit: Massenmorde, totale Vernichtung des Individuellen und ökonomische Verelendung, kombiniert mit dem Trumpf einer grausamen Bürokratie diskreditierten die Machthaber schon von Lenin an. In dieser Situation kam es zu Negativ- oder Dystopien, die in Romanform oder als Fabel das Schreckliche der Vorgänge darstellten. Nach dem Vorgang von Samjatins „Wir“ (1922) verfasste Orwell sein „1984“, das in bitterer Art die Vernichtung des individuellen Gewissens durch eine totalitäre Bürokratie schildert, und dazu seine Tierfabel „Farm der Tiere“, welche die Machtergreifung und -ausübung der Bolschewisten karikiert. Orwells Utopie war im Sowjetimperium verboten (im Unterschied zu Huxleys „Schöne Neue Welt“, die ja in Amerika spielt). Friedrich August von Hayek zeigte in seinem von Orwell gelobten „Weg zur Knechtschaft“, wie man in die Abgründe totaler Herrschaft hineinrutscht, ohne es eigentlich zu wollen.

P

PLATON — Erzgegner der „offenen Gesellschaft“

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Platon

* 428/427 v. Chr. in Athen oder Aigina — † 348/347 v. Chr. in Athen

Neben Aristoteles der bei Weitem einflussreichste Philosoph des antiken Griechenlands. Sein Wirken war leider insoweit verhängnisvoll, als er als Erster das Ideal eines von Intellektuellen beherrschten totalitären Zuchtstaates entwarf. Insoweit ein Erzgegner der „offenen Gesellschaft“ und Freund aller „Totalitären“.

LESETIPPS

Will Durant: Die großen Denker, Bergisch-Gladbach 1996;
Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. 1: Der Zauber Platons, Studienausgabe Tübingen 2003.

R

Ayn RAND — Libertäre russisch-amerikanische Bestseller-Autorin

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Ayn Rand

20. Januar 1905 in Sankt Petersburg — † 6. März 1982 in New York

Eine hinreißende libertäre russisch-amerikanische Autorin, deren Anliegen man besser versteht, wenn man bedenkt, dass sie die Russische Revolution oder sagen wir besser den Lenin-Putsch, dessen Philosophie und dessen unsäglich bedrückende Folgen als Augenzeugin und Mitleidende erfahren hat. Wie kein Autor vor ihr hat sie die moralische Basis von Individualismus und Marktwirtschaft nicht nur intellektuell erfasst wie Adam Smith oder Friedrich A. von Hayek, sondern apotheotisch verklärt. Das musste den Amerikanern gefallen (Gesamtauflage ihrer Bücher bis heute: 25 Millionen), die schon einen Mann wie Emerson hervorgebracht hatten. Man kann sagen: Ayn Rand ist die Übertragung von Nietzsches Philosophie auf den Kapitalismus. Man missversteht sie, wenn man ihr Vergötzung eines kruden Egoismus vorwirft, auch wenn sie nur „Einzelne“ kennt und insbesondere die Leistungsträger und ihre Unterdrücker, die parasitären Umverteiler von Wohlfahrtsstaat und So¬zialismus, darstellt. Man muß ihren sogenannten „Objektivismus“ nicht teilen, um von ihrem Schwung mitgerissen zu sein. Der gewaltige „Atlas Shrugged“, ein philosophischer Roman, gilt als ihr Hauptwerk (deutsch unter: „Wer ist John Galt?“, 1997). „Fountainhead“ wurde mit Gary Cooper verfilmt. Auch „Capitalism: the unknown Ideal“ taugt gut zum Einstieg in ihr minimalstaatliches Bekenntnis. Ganz kurz: „Anthem“ („Hymne“).

Murray N. ROTHBARD — Vordenker der anarchokapitalistischen Bewegung

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Murray N. Rothbard

* 2. März 1926 New York City — † 7. Januar 1995 ebenda

Rothbard ist der wortgewaltigste Vertreter des amerikanischen Anarchokapitalismus oder „100-Prozent-Kapitalismus“, etwas exaltierter Schüler von Ludwig von Mises mit einer Stiftungsprofessur an der Staatsuniversität in Las Vegas. Rothbard hat dem modernen Anarchokapitalismus sein breites ökonomisches Fundament gegeben, dies im Anschluss an die „Österreichische Schule“. Der Staat als „Gangster“, „Räuber“ und „Kidnapper“ (Schulzwang) soll durch privates Unternehmertum und Freiheit ersetzt werden. Obwohl Rothbards Positionen in dogmatischen Absurditäten enden, ist er doch als faszinierender und umfassend gebildeter Individualanarchist, auch durch seine vorzügliche ökonomische Ausbildung, außerordentlich anregend. Sein wichtigster Schüler ist der Deutsche Hans-Hermann Hoppe.

LESETIPPS

Murray N. Rothbard: Ethik der Freiheit, St. Augustin 1999;
Hans-Hermann Hoppe: Demokratie. Der Gott, der keiner ist, Leipzig 2003.

S

Thilo SARRAZIN — Volkswirt, Finanzsenator und unerschrockener Bestsellerautor

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann (ergänzt)

Thilo Sarrazin

* 12. Februar 1945 in Gera

Dieser unerschrockene Mann ist zwar kein Liberaler im Sinne einer Mitgliedschaft bei der FDP (er ist SPD-Mitglied), aber sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ (2010) ist doch der erste umfassende Angriff auf den ausufernden deutschen Wohlfahrtsstaat seit Erhard Röpke und Wolfram Engels. Er belegt mit reichlich Statistik die Fehlentwicklungen: Eine zu üppige Grundsicherung (60 Prozent des Durchschnittseinkommens) immobilisiert die Unterschichten und zieht namentlich aus der Türkei und dem arabischen Raum Einwanderer an, die bei uns mit Sozialleistungen besser leben können als in ihren Heimatländern mit Arbeit und sich hier überdies weit stärker vermehren als die deutsche Bevölkerung. Seine Vorschläge: Reduzierung der Transfers, kombiniert mit Arbeitspflichten nach amerikanischem Vorbild (z. B. Wisconsin); stärkere Selektion bei der Einwanderung (Vorbild: ebenfalls USA); emotionale Werbung für mehr deutsche Kinder. „Wer sich bei der Geburtenrate nichts zutraut, braucht bei der Welttemperatur gar nicht erst anzutreten.“

LESETIPPS

Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen. DVA, 2010;
Thilo Sarrazin: Europa braucht den Euro nicht. Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat. DVA, München 2012;
Thilo Sarrazin: Der neue Tugendterror. Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland. DVA, München 2014;
Thilo Sarrazin: Wunschdenken. Europa, Währung, Bildung, Einwanderung – warum Politik so häufig scheitert. DVA, München 2016;
Thilo Sarrazin: Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht. FinanzBuch Verlag, München 2018.

Friedrich SCHILLER — Dichter und Philosoph im Dienst der „Religion der Freiheit“

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Friedrich Schiller

* 10. November 1759 in Marbach am Neckar — † 9. Mai 1805 in Weimar

Dies ist unser wichtigster Dichter, ihr Liberalen! Sein Enthusiasmus, seine funkelnde Sprache, seine scharfe Psychologie und dies im Dienst der „Religion der Freiheit“ verdient anhaltende Bewunderung, abgesehen von seinem Mut: Damals kostete eine liberale Einstellung noch etwas. Nicht nur seine Dramen sind hier zu nennen, sondern auch seine philosophischen Essays und politischen Schriften, darunter besonders: „Die Gesetzgebung des Lykurg und des Solon“, in welcher er Athen als Sitz der Freiheit und der Musen feiert und Spartas Zwang und kulturelle Dürftigkeit verwirft. Zur Französischen Revolution, als sie entartete, stand er kritisch, wie Goethe von Anfang an. Nach den stürmischen und bitteren „Räubern“ wird er bald ein besonnener Reformer. Der Nationalsozialismus liebte ihn nicht, wie sich versteht und untersagte gelegentlich Aufführungen des „Wilhelm Tell“.

LESETIPP

Robert Neff: Der Dichter der Freiheit. Ein Friedrich-Schiller-Brevier, Bern 2000.

Adam SMITH — Deuter und Schilderer der spontanen Ordnung

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Adam Smith

Getauft am 5. Juni 1723 in Kirkcaldy, Grafschaft Fife, Schottland — † 17. Juli 1790 in Edinburgh

Kaum ein Ökonom ist so jämmerlich fehlgedeutet worden wie dieser fein gebildete Schotte, der nicht nur ein herausragender Deuter und Schilderer der spontanen Ordnung der arbeitsteiligen Marktwirtschaft war, sondern vor allem auch ein Mann, der die moralisch-geistigen Voraussetzungen einer solchen Ordnung detailliert beschrieben hat – und dies alles in einer bezaubernden Sprache. Die Überspezialisierung und Mathematisierung der Ökonomie macht es dringlich, zu den Grundlagen ökonomischen und moralischen Denkens zurückzukehren, um die Basis unserer freien Ordnung zu verstehen und so imstande zu sein, sie überzeugend gegen eine Ignoranz zu verteidigen, die auch gegenwärtig und sogar in zunehmendem Maße dabei ist, die Grundlagen von Freiheit und Wohlstand zu erschüttern. Man schaffe sich die „Theorie der ethischen Gefühle“ und die „Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker“ umgehend an, wenn sie in der persönlichen Bibliothek noch fehlen sollten.

LESETIPP

Gerd Habermann (Hrsg.): Der Weg zum Wohlstand. Ein Adam-Smith-Brevier, Bern 2008.

T

Alexis de TOCQUEVILLE — Demokratiekritiker mit Brillanz und Geistesfülle

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Alexis de Tocqueville

* 29. Juli 1805 in Verneuil-sur-Seine — † 16. April 1859 in Cannes

Eine der faszinierendsten Gestalten der liberalen Geistesgeschichte, ein französischer Autor von großer Brillanz des Stils und einer Geistesfülle, die ihresgleichen sucht, im Rang mit Aristoteles, Montesquieu, Max Weber oder von Hayek vergleichbar. Sein berühmtestes Buch ist „Die Demokratie in Amerika“, in der er visionär die Gefahren und Vorteile der modernen Demokratie beschreibt. Verblüffend genau ist seine Beschreibung des demokratischen Wohlfahrtsstaates, die erst heute voll zutrifft: „Das Volk ist nur noch eine Herde ängstlicher und arbeitsamer Tiere, deren Hirte die Regierung ist.“ Über die Parteienherrschaft: „... eine kleine Zahl schwacher und unwürdiger Hände, in deren Gewalt ein großes Volk fallen kann.“ Gegenmittel gegen den „Weg zur Knechtschaft“: freiheitliche Gesetze, Sitten, freie Vereine, Freihandel, die Pressefreiheit, die kommunale Selbstregierung, die Religion.

LESETIPP

Alexis de Tocqueville: Die Demokratie in Amerika, 2. Aufl., München 1984.

W

Max WEBER — Liberal und patriotisch gesinnter Geistestitan

Aus dem »Handlexikon« von Gerd Habermann

Max Weber

* 21. April 1864 in Erfurt — † 14. Juni 1920 in München

Leider zu früh verstorbener liberal und patriotisch gesinnter Geistestitan, Historiker, Soziologe, Ökonom. Er war einer der Ersten, die die ökonomisch-technische Undurchführbarkeit der sozialistischen Planwirtschaft erkannten, zeitgleich mit Ludwig von Mises (1919/20). Großer Kämpfer gegen die Bürokratisierung des Lebens und der Monopolherrschaft. Nach Anfängen im Sinne der historischen Schule (Gustav Schmoller) näherte sich Weber mehr und mehr der Österreichischen Schule (erklärte sich für die Geldlehre von Mises). Bemerkenswert ist sein verzweifelter Kampf gegen die „Dilettanten“ der Revolution von 1918, besonders der radikalen Linken wie Rosa Luxemburg und der Spartakisten. Karl Jaspers meint, er hätte als starker homo politicus, der er auch war, Hitler aufhalten können. Dagegen spricht, dass er mit dem parteipolitischen Klüngel nicht fertig wurde und seine unglaubliche Leidenschaftlichkeit, die ihn manchmal jede Räson vergessen ließ, z. B. in einer Diskussion mit Schumpeter.

LESETIPP

Joachim Radkau: Max Weber, München, Wien 2005.

Z

Rainer ZITELMANN — Historiker, Immobilienexperte und Reichtumsforscher

Aus verschiedenen Quellen

Rainer Zitelmann

* 14. Juni 1957 in Frankfurt am Main

Dr. Dr. Rainer Zitelmann wurde 1957 als Sohn des Schriftstellers und Theologen Arnulf Zitelmann in Frankfurt geboren. Er war nach eigenen Angaben als Schüler Maoist und von 1978 bis 1986 als Student der Geschichte und Politikwissenschaften an der Technischen Hochschule Darmstadt (Erste 1983 und Zweite Staatsprüfung 1987 für das höhere Lehramt) zunächst Marxist.

Bei der Vertiefung in sein spezielles Forschungsgebiet, die Grundlagen des Nationalsozialismus, entfernte er sich von der orthodoxen marxistischen Sicht des „deutschen Faschismus“ und befasste sich intensiv mit der freudomarxistischen Theorie über die Ursachen des historischen Erfolgs der Nationalsozialisten, die der marxistische Psychoanalytiker Wilhelm Reich 1933 in seinem Buch Massenpsychologie des Faschismus vorgelegt hatte. Er nahm mit Hilfe von Reichs Theorie Hitler nicht nur als Reaktionär, sondern auch als Revolutionär in den Blick. Seine 1986 als Buch erschienene Dissertation (Dr. phil. mit „summa cum laude“) bei Karl Otmar von Aretin über Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, die durch das Evangelische Studienwerk Villigst gefördert wurde, machte ihn überregional bekannt. Von 1987 bis 1992 war er als wissenschaftlicher Assistent bei Jürgen W. Falter an der Freien Universität Berlin tätig.

Anschließend begann er eine Karriere in verschiedenen konservativen Verlagen. Zunächst wurde er von 1992 bis 1993 Cheflektor der Verlage Ullstein und Propyläen und Mitglied der Geschäftsleitung. Bald darauf ging er zur Tageszeitung Die Welt, wo er die Leitung des Ressorts „Geistige Welt“ übernahm. Zitelmann wechselte später in den Bereich „Zeitgeschichte“, dann in das Ressort „Immobilien“. Laut Götz Kubitschek aus dem Umfeld der Jungen Freiheit scheiterte 1995 endgültig Zitelmanns Versuch, eine „Neue demokratische Rechte“ in Deutschland zu etablieren.

Im Jahr 2000 gründete er die Dr.ZitelmannPB.GmbH, die sich in den folgenden Jahren zum Marktführer für die Positionierungs- und Kommunikationsberatung von Immobilien- und Fondsgesellschaften entwickelte. Im Jahr 2016 verkaufte er die Gesellschaft. Ab 2011 veröffentlichte er mehrere Bücher über Zielsetzung, Erfolg und Finanzen. In sieben Sprachen übersetzt wurde das Buch „Setze dir größere Ziele“. Zudem veröffentlichte er die Bücher „Reich werden und bleiben“, „Worte des Erfolges“ und „Erfolgsfaktoren im Kraftsport“. Er schreibt Kommentare zu Themen aus Wirtschaft, Politik und Finanzen in Medien wie Daily Telegraph, City AM, Neue Zürcher Zeitung, Focus, FAZ, wallstreet:online und The European.

2016 wurde Zitelmann bei Wolfgang Lauterbach an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam mit der Dissertation Persönlichkeit und Verhaltensmuster der Vermögenselite in Deutschland zum Dr. rer. pol. (magna cum laude) promoviert. Die Studie erschien 2017. Im selben Jahr veröffentlichte er seine Autobiografie „Wenn du nicht mehr brennst, starte neu!“, in der er die verschiedenen Stationen seines Lebens (Historiker, Journalist, PR-Unternehmer, Investor) sowie seine Wandlung vom Maoisten zum Nationalliberalen darstellt.

LESETIPPS

Rainer Zitelmann: Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs. Berg, Hamburg 1987; 2. überarb. u. erg. Auflage: Klett-Cotta, Stuttgart 1989, (Erweiterte Neuauflage Auflage mit drei weiteren Aufsätzen des Autors), Lau Verlag, Reinbek 2017;
Rainer Zitelmann, Uwe Backes und Eckhard Jesse (Hrsg.): Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus. Ullstein, Frankfurt/M. 1990;
Rainer Zitelmann: Wenn Du nicht mehr brennst, starte neu!: Mein Leben als Historiker, Journalist und Investor. FinanzBuch Verlag, München 2017;
Rainer Zitelmann: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Eine Zeitreise durch fünf Kontinente. Finanzbuch Verlag, München 2018.