Ampelausfall, Unfall, Verletzte – Das Buch zu Stromausfall und Blackout

— Foto: AliceKeyStudio/Pixabay

Seit Jahren wurde gewarnt – Verarmung und De-Industrialisierung sind nun Realität

Inzwischen wird es offen angekündigt: Städten, Regionen und Unternehmen soll der Strom abgeschaltet werden, wenn Windparks und Solaranlagen wenig Strom bereitstellen und konventionelle Kraftwerke stillgelegt worden sind. Robert Jungnischke und Henrik Paulitz warnen mit ihrem neuen Buch vor „Strom-Abschaltungen und Blackout-Risiko“. Die Autoren empfehlen eine Korrektur der Energiepolitik und raten Wirtschaft und Privatkunden zur Blackout-Vorsorge.

Von Henrik Paulitz. — Seeheim-Jugenheim, 14. Juli 2022

Es ist höchste Zeit neben der ökologischen Frage die zwei anderen Säulen einer nachhaltigen Energieversorgung neu zu entdecken: die der Wirtschaftlichkeit und die der Versorgungssicherheit. Sonst landet man sehr schnell in dem düsteren Szenario, das uns Henrik Paulitz und Robert Jungnischke beschreiben: dem Blackout.

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, Politiker (ehem. Umweltsenator), Manager und Hochschullehrer

Es ist keine Fiktion, was unlängst in Nord-Baden geschah: „Eine Ampel erlischt plötzlich, bei den Autofahrern herrscht Verwirrung. An einer Straßenkreuzung rasen dann zwei Fahrzeuge ineinander. So geschehen am Dienstagmorgen in Rastatt. Drei Verletzte mussten bei dem Unfall im Krankenhaus behandelt werden. Zuvor war im Stadtgebiet über eine Stunde lang der Strom weg.“ – So berichteten die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) am 22. Juni 2022 und bezeichneten schon das als „Schreckensszenario“.

In Rastatt geschah im Kleinen genau das, wovor seit Jahren bei Stromausfällen gewarnt wird: Stromausfall, Ampelausfall, Verletzte. Oder auch: Stromausfall, Steckenbleiben in Fahrstühlen, Dehydrierung. Dies allerdings ist nicht unbedingt nur kleinräumig und kurzzeitig zu erwarten. Die inzwischen völlig fehlgesteuerte Energiewende sieht eine „angebots-orientierte Energieversorgung“ vor, wonach der Strom künftig in ganzen Städten und Regionen nicht nur für eine Stunde, sondern auch sehr viel länger absichtlich abgeschaltet werden könnte. Und zwar regelmäßig. Immer dann, wenn die Sonne nicht oder nicht hinreichend scheint und der Wind nicht genügend weht; und das ist, entgegen der landläufigen Meinung: ständig.

Die Politik provoziert neue Zwänge

Ausgerechnet in einer derart prekären Situation provoziert die Politik neue Zwänge, indem sie mit Elektro-Autos und Elektro-Wärmepumpen versucht, den Leistungsbedarf gerade dann auf die Spitze zu treiben, wenn die Solaranlagen so gut wie keinen Strom erzeugen können: nachts und im Winterhalbjahr.

„Flexibilität“ ist dabei eines der Zauberwörter, mit dem die offenkundigen Probleme dieser Energiewende kaschiert und schöngeredet werden, was beispielsweise meint, dass Industrie, Gewerbe und Privathaushalte regelmäßig vom Stromnetz abgetrennt werden, wenn nicht mehr genügend Strom erzeugt werden kann. Durch den Ukrainekrieg und die Sanktionspolitik wurde vieles noch deutlich verschärft und beschleunigt. Die weiteren Entwicklungen in den kommenden Monaten sind höchst ungewiss.

Beschleunigende De-Industrialisierung

Dass die Industrie sukzessive nicht mehr in Deutschland investiert, vielmehr abwandert, Arbeitsplätze verloren gehen und auch deswegen Sozialstaats-Maßnahmen nur noch mit neuen Schulden zu Lasten der jungen Generation finanzierbar erscheinen, wird bislang nur unzureichend verstanden. Die sich nun dramatisch beschleunigende De-Industrialisierung, die absehbare Verarmung und Verelendung Deutschlands wird vielfach noch immer geleugnet, obwohl sie längst Realität ist.

Man kommt an der Tatsache nicht vorbei, dass das Stromnetz auf der Höchstspannungsebene aufgrund der Energiewende immer labiler und störanfälliger geworden ist. Mussten die Übertragungsnetzbetreiber in früheren Zeiten nur höchst selten stabilisierend eingreifen, so müssen sie inzwischen ständig „Feuerwehr spielen“, um einen großräumigen und lang-andauernden Zusammenbruch des europäischen Strom-Verbundsystems zu verhindern, den gefürchteten Blackout, der einer ungeahnten Katastrophe gleich käme. In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Situationen, die das Potenzial zum Blackout hatten.

Katastrophe für unsere Volkswirtschaft

Scheinbar möchte man den ultimativen Blackout vermeiden, indem man den Strom regelmäßig „absichtlich und planvoll“ in Städten, Regionen und Industrie abschaltet, beispielsweise mit „rollierenden Blackouts“, wenn zu wenig Wind- und Solarstrom zur Verfügung steht. Dass bereits das eine Katastrophe für unsere Volkswirtschaft darstellt, wird in den meisten Medien bislang nicht thematisiert, geschweige denn skandalisiert.

Gut verständliche Beschreibungen dieser Misere und Lösungs-Alternativen finden Sie in dem neuen Buch der Akademie Bergstraße.

DIE AUTOREN

Henrik Paulitz leitet die Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung.
Der Friedens- und Konfliktforscher, der seit Jahrzehnten auch mit der Energiepolitik befasst ist, ist Autor u.a. des Buches „Strom-Mangelwirtschaft“ (2020). Henrik Paulitz untersucht ökonomische und energiewirtschaftliche Hintergründe von Krisen, Konflikten und Kriegen. Paulitz ist Diplom-Biologe. Schwerpunkte seines Studiums in Marburg und Bielefeld waren Ökologie, Mikrobiologie und Biochemie.
Robert Jungnischke berät seit mehr als 30 Jahren als Experte klein- und mittelständische Unternehmen. Er führt ein Ingenieur- und Sachverständigenbüro für Blackout Vorsorge Beratung in Wesseling (Nordrhein-Westfalen).

DAS BUCH

Robert Jungnischke, Henrik Paulitz: Strom-Abschaltungen und Blackout-Risiko. Warum Versorgungssicherheit und Risikovorsorge überlebenswichtig sind. Mit einem Vorwort des renommierten Hochschullehrers und Energieexperten, Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, und einem Nachwort des österreichischen Blackout-Experten Herbert Saurugg. Taschenbuch, 192 Seiten; Akademie Bergstraße, 2022. Siehe Link

 

Das Buch ist wichtig, um den Aufbau und die Wirkungsweise des Stromversorgungssystems und die inhärenten Risiken zu verstehen. In der Bevölkerung dürfte das Wissen darüber eher schwach sein, naturwissenschaftlich-technische Bildung hat bei weitem nicht mehr den früheren Stellenwert. Dazu kommt, dass jeglicher Erfahrungshintergrund zu größeren Stromausfällen fehlt. Auch ist weitgehend unbekannt, in welchem Ausmaß Netzbetreiber permanent eingreifen müssen, um die Stabilität zu sichern. Gab es früher einen planmäßigen Netzbetrieb, ist es heute ein operativer mit entsprechend höheren Kosten. Am Ende bleibt der ernüchternde Eindruck eines komplizierten, angreifbaren und zunehmend unsicheren Systems, das permanent geschwächt wird und dessen ständigen Funktionierens wir uns offenbar weit weniger als bisher sicher sein können. Das Buch lädt ein, tiefer zu gehen. 17 Seiten Quellenangaben geben Hinweise, wo man noch fündig werden kann. Fazit: Ein erhellendes, ernüchterndes und wichtiges Buch.

Frank Hennig, Dipl.-Ing. für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung

 

 

 

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