ANALYSE von Prof. Thorsten Polleit: Der Weg in eine Weltelitenherrschaft

Prof. Dr. Thorsten Polleit — Foto: FB privat

Große Transformation

Umgesetzt durch die Geldpolitik

Von Prof. Dr. Thorsten Polleit. — Dresden, 5. Januar 2021

Wer in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 prognostiziert hatte, die internationale Kreditpyramide würde kollabieren und alles mit sich in die Tiefe reißen, der wurde eines Besseren belehrt. Das System überlebte.

Die gleiche Lektion lernen nun diejenigen, die den „großen Crash“ im Zuge der politisch diktierten Lockdown-Krise befürchteten: Das System ist wieder einmal nicht untergegangen. Dafür gibt es eine Erklärung: Die Korrekturkräfte, die das ungedeckte Geldsystem aus den Angeln heben könnten, sind längst ausgeschaltet. Die Zentralbanken wissen sehr genau, wo und wie sie manipulieren müssen: beim Marktzins und bei der von der Öffentlichkeit erwarteten Geldmengenvermehrung.

Die Zentralbankräte kontrollieren mehr denn je die Marktzinsen – nicht nur die Kurzfristzinsen, sondern auch die Langfristzinsen. Alle wichtigen Zinsen unterliegen dem Zinsdiktat der Geldbehörden: Zinsen für Staatsanleihen, Bankschuldpapiere, Unternehmens- und Hypothekaranleihen. Das reicht aus, um alle anderen Zinsen – wie die für Firmen- und Konsumkredite – niedrig zu halten beziehungsweise an einem Ansteigen zu hindern. Die Zentralbanken halten das Geldmonopol. Daher haben sie die Macht, die Marktzinsen auf jedes politisch gewünschte Niveau zu schleusen und dort zu fixieren. Ein politisch unerwünschter Anstieg der Marktzinsen ist mittlerweile unmöglich gemacht worden.

Die Zentralbanken versorgen zudem alle systemrelevanten Schuldner – allen voran Staaten, Banken und Großunternehmen – mit jeder benötigten Kredit- und Geldmenge, bereitgestellt zu Null- oder auch zu Negativzinsen. Die Zentralbanken stellen auf diese Weise sicher, dass jede Kreditnachfrage auf ein entsprechendes Kreditangebot trifft. Das vertreibt auf den Kreditmärkten die Zahlungsausfallsorgen. Die künstlich gesenkten und niedrig gehaltenen Marktzinsen gaukeln vor allem aber eine Scheinprosperität vor, die in der Realität keine Entsprechung hat. Volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen wie Überkonsum, Fehlinvestitionen, Kapitalverzehr und Misswirtschaft werden unter den Teppich gekehrt.

Die Minizinsen katapultieren die Preise für Vermögensbestände – allen voran Aktien und Immobilien – in die Höhe. Steigende Aktienkurse senken die Kapitalkosten der Unternehmen und ermuntern sie zu Investitionen, von denen sie ansonsten aus guten Gründen die Finger lassen würden. Die Verteuerung der Immobilienpreise setzt einen Bauboom in Gang, an dem Bauherren, Bauunternehmen und Banken bei unvoreingenommener Sicht der Dinge gar nicht teilnehmen wollten. Die ökonomischen Verwerfungen bleiben nicht national beschränkt, sondern zeigen sich weltweit: Sie wirken sich auf Handel, Produktion und Beschäftigung sowie auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen weltweit aus.

Die Durchsetzung künstlich gesenkter Zinsen erfordert die Ausweitung der Geldmenge: Um die Zinsen niedrig zu halten, müssen die Zentralbanken Schuldpapiere in großem Stil aufkaufen und die Käufe mit neuem, aus dem Nichts geschaffenem Geld bezahlen. Dabei kommt den Geldbehörden allerdings der „Erwartungseffekt“ zu Hilfe: Wenn Investoren damit rechnen, dass die Zentralbank Schulden kaufen wird, um den Zins niedrig zu halten, dann werden sie nicht auf steigende Marktzinsen spekulieren. Und bleibt die Verkaufswelle an den Anleihemärkten aus, steigen auch die Zinsen nicht. Die Zentralbank braucht dann gar nicht so viele Anleihen zu kaufen und die Geldmenge so stark zu erhöhen.

Doch das ist ein riskantes Spiel. Verlieren die Menschen das Vertrauen in das Geld, weil sie befürchten, die Zentralbank werde die Geldmenge immer weiter und immer stärker ausweiten, geht die Geldnachfrage zurück. Menschen beginnen ihr bislang gespartes Geld auszugeben – beispielsweise für Vermögensgüter wie Aktien, Häuser, Uhren, Edelmetalle oder Kunst. Die Preise dieser Güter steigen, und das lässt die Bereitschaft der Menschen, Geld zu halten, zusätzlich schwinden. Wer nun aber meint, die mitunter gewaltigen Geldmengenvermehrungen der Zentralbanken in den Krisen 2008/2009 oder 2020 hätten das Vertrauen der Menschen in das ungedeckte Geld geschädigt, der irrt. Beispielsweise steigt die Geldmenge M1 in den USA aktuell um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im Euro-Raum um etwa 13 Prozent, in China um gut neun Prozent – Tendenz steigend, und das bei stark geschrumpfter Güterproduktion. Gleichzeitig hat in allen großen Währungsräumen der Welt die Geldhaltung in Relation zur Wirtschaftsleistung historische Rekordstände erreicht. Das zeigt: US-Dollar, Euro und Co genießen nach wie vor großes Vertrauen. Von einer „Flucht aus dem Geld“ ist zumindest bislang nichts zu erkennen. Doch ein böses Erwachen wird wohl noch kommen. Eine zunehmende Preisinflation ist nur eine Frage der Zeit.

Aber auch das läutet nicht zwangsläufig das Ende des ungedeckten Geldes ein. Denn um die Wirtschaft und Gesellschaft, die durch das ungedeckte Geld geformt wurden, vor dem Kollaps zu bewahren, ist man bereits dabei, das Wenige, das noch von den freien Märkte übrig geblieben ist, auch noch abzuschaffen und stattdessen eine Art Lenkungs- und Befehlswirtschaft zu errichten: Der Staat bestimmt durch Vorgaben, Preiseingriffe und -kontrollen darüber, welche Firmen wann und unter welchen Bedingungen produzieren und welche Güter die Konsumenten in welcher Menge verbrauchen. Dafür stehen die „große Transformation“, der „Great Reset“, die „neue Weltordnung“, die neosozialistische Eiferer in die Tat umzusetzen suchen.

Die Zentralbanken bringen neues Geld in Umlauf, um die wahren Kosten des Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft zu verdunkeln. Die Duldung der breiten Bevölkerung wird erkauft, indem sie stärker denn je an der Geldmengenvermehrung beteiligt wird – in der Lockdown-Krise etwa durch Auszahlung von neu geschaffenem Geld in Form von Lohnfortzahlungen („Kurzarbeitergeld“), bald wohl auch in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens. Unter diesen Bedingungen ist ein großer Crash zwar nicht unmöglich, aber er ist doch viel weniger wahrscheinlich als der Weg in einen neuen Kollektivismus, in eine größenwahnsinnige Weltelitenherrschaft – der begünstigt wird, wenn die Preisinflation an Fahrt aufnimmt.

Dass es gegen diese Entwicklung in der breiten Öffentlichkeit nur recht geringen Widerstand gibt, deutet an, wie weit sie vorangeschritten ist und welche Legitimität sie bereits für sich in Anspruch nehmen kann. Die Worte von Baron de Montesquieu (1689–1755) erfassen es trefflich: „Es gibt keine grausamere Tyrannei als die, die unter dem Deckmantel der Gesetze und mit dem Schein der Gerechtigkeit ausgeübt wird.“

DER AUTOR

Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist Chefvolkswirt der Degussa sowie Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Seine Website: thorsten-polleit.com. Prof. Polleit hat den Text seiner Analyse mit freundlicher Genehmigung für unsere Webseite überlassen. Der Beitrag ist mit vielen weiteren interessanten Artikeln im „eigentümlich frei“-Magazin Nr. 209, Jan./Feb. 2021 auf den Seiten 48/49 erschienen.

 

 

 

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