Bericht von den Hayek-Tagen 2024

Übergabe der Hayek-Medaille (v.r.n.l. Carlos A. Gebauer, Prof. Dr. Stefan Kooths, Staatspräsident Javier Milei, Dr. Gerhard Papke, Prof. Dr. Gerd Habermann, Dr. Lisa Marie Kraul und Thorsten Harke) — Foto: Hayek-Gesellschaft e. V.

»Die Ideen der Freiheit sind so stark,
dass sie gewinnen werden«

Festakt zur Auszeichnung von Staatspräsident Javier Milei

Von Dr. Reinhard Günzel. — Dresden, 12. Juli 2024

Links von der Mitte, dort wo die Hüter unserer Demokratie sich hinter der Brandmauer verschanzt haben, sind Friedrich August von Hayek oder Ludwig von Mises kaum bekannt und wenn doch, werden sie als kaltherzige, unsoziale Verfechter eines ungezügelten Kapitalismus etikettiert und in die Ecke gestellt. Nun gut, einen Marcel Fratzscher, Chef des regierungsnahen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der mit seinen Wirtschaftsprognosen eigentlich selten richtig liegt, würden sicherlich auch nicht sehr viele Leute kennen, hörte man sich auf der Straße nach ihm um. Aber den letzten deutschen Nobelpreisträger auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften, Hayek, da gehe ich jede Wette ein, den kennen noch weniger Leute. So ergeht es auch der nach Hayek benannten Gesellschaft, von der die Presse letztmalig vor einigen Jahren Notiz nahm, als etliche ihrer Mitglieder, darunter auch der heutige Finanzminister Christian Lindner, ihre Mitgliedschaft beendeten. Vordergründig ging es um Abgrenzung von der AfD, aber, wie sich alsbald zeigte, man wusste wohl mit Hayek nichts mehr anzufangen, hatte sich auseinandergelebt.

Das Lebenswerk Hayeks, und noch mehr seines Mentors Mises, liest sich als eine immerwährende Auseinandersetzung mit dem Sozialismus in allen seinen Spielarten, dem sie beide die Ideen von der Freiheit des Menschen und einer Wirtschaftsordnung ohne staatlichen Interventionismus entgegensetzten. Diese Ideen sind Horrorvorstellungen für Politiker unserer Tage. Freie Bürger, die über ihre ureigensten Belange selbst und selbstbewusst entscheiden, das geht nach deren Selbstverständnis schon mal gar nicht. Wirtschaftspolitik, das liegt ja nahe, braucht eben Politiker zum Planen und Lenken. Und so mancher Politiker meint, er könne eben beides, Wirtschafts- und Sozialpolitik, alles zum Wohle des Volkes. So wie Erich Honecker, der kannte noch ein Volk, auch wenn er lieber von „unseren Menschen“ sprach, was der Sache schon näher kam.

Politik ganz nach Gutsherrenart

Heutige Politiker sind da anders. Nehmen wir Herrn Özdemir, skandalträchtiger Minister für Ernährung und Landwirtschaft, der will das Fleisch mit einer Steuer um 7 Prozent oder mehr verteuern, was die bedepperten Verbraucher gar nicht merken würden, und wenn doch, dann essen sie wenigstens weniger Fleisch. Ganz nach Gutsherrenart spricht er von „diesem Geld“, also nicht seinem eigenen Geld, und meint natürlich damit die eingetriebenen Steuern, „dieses Geld stecke ich dann in neue Ställe, die dem Tierwohl dienen“. Ja also, wer so wie Herr Lindner mit Roten und Grünen gemeinsam regieren will, für den ist Hayek nun wirklich ein Klotz am Bein.

Um die Hayek-Gesellschaft, von manchen schon mal totgesagt, wurde es alsbald wieder still – bis zum Juni diesen Jahres, denn die Gesellschaft hatte den Präsidenten der Republik Argentinien, Javier Milei, nach Deutschland eingeladen, um ihm in Hamburger Hotel Hafen die Hayek-Medaille zu überreichen. Der Präsident hatte sich erfreut gezeigt und war auch tatsächlich erschienen. Eine wunderbare Aktion. Milei, der Libertäre, wurde gebührend gefeiert und bedankte sich in einer längeren Rede. Darin führte er aus, wie er als ursprünglich sozialistisch-kollektivistischer, staatsgläubiger Professor für Wirtschaftswissenschaften auf die Schriften von Mises und Hayek stieß (er fand sie in einem Antiquariat, nicht in der Universitätsbibliothek), wie er zu der schrecklichen Erkenntnis gelangte, dass alles, was er bisher seinen Studenten beigebracht hatte, falsch sei, Voodoo-Ökonomie eben, und wie er als Ökonom nochmal von vorn anfing und schließlich in die Politik gelangte.

Mises und Hayek auf dem Schreibtisch

Nun ist Milei, mit Mises und Hayek auf dem Schreibtisch, der Präsident der Republik Argentinien und da die Argentinier dereinst ihre Verfassung mehr oder weniger von den USA übernahmen, hat er weitreichende Vollmachten, die ihm segensreiche Handlungsspielräume eröffnen. Er steht praktisch auf Augenhöhe mit dem Parlament und hat viele Möglichkeiten, das Land zu verändern.

Vor rund 100 Jahren war Argentinien, man glaubt es kaum, Sehnsuchtsort vieler Deutscher, die gern ihr vom Kriege ausgeblutet und ausgeplündertes Deutschland verlassen hatten, um sich in einem der wohlhabendsten Industrieländer, dem prosperierenden Argentinien, ein neues Leben aufzubauen.

Allerdings wäre anzumerken: Zu jener Zeit befand sich Argentinien bereits im Niedergang, man bemerkte es nur noch nicht so genau. Denn am Beginn des Niedergangs, ausgelöst durch staatlichen Dirigismus verquickt mit monopolistischen Gewerkschaftsstrukturen, sank zunächst lediglich die Investitionsquote. Die ist zwar für das Wohlergehen eines Landes enorm wichtig, doch gleichzeitig wuchsen, natürlich auf Pump, die Konsumausgaben. Die Wohlstandsillusion ließ sich so gut vermitteln. Etwas später, unter Präsident Juan Perón, die sozialen Verwerfungen aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage waren nicht mehr zu übersehen, griff der Staat ungehemmt und immer mehr in die Wirtschaft und das Sozialgefüge ein. Renten, Löhne, Preise, die Währung, Exporte und Importe, vermeintlich gute, vom Staat geförderte Industrien und Bereiche mit Extrasteuern, Gesundheitswesen, was zu welchen Bedingungen importiert, was exportiert werden durfte, alles wurde der staatlichen Regulierung unterworfen.

Zangengriff von Regulierung und Inflation

Nichts mehr erinnerte an das ursprüngliche, sein Wirken legitimierendes Versprechen staatlicher Tätigkeit: Du zahlst Steuern, ich garantiere die körperliche Unversehrtheit und ein funktionierendes Rechtssystem, den Rest erledigst du selbst. Der argentinische Staat war vielmehr zu einem alles durchdringenden und regulierenden Ungeheuer geworden, ein stetig immer weiter wachsendes immer fetter werdendes Ungeheuer mit ungezügeltem Appetit, dem mehr und mehr inflationiertes Geld in den Rachen geworfen werden musste, während die Wirtschaftsleistung durch den tödlichen Zangengriff von staatlicher Regulierung und inflationierter Währung stetig abnahm.

Soviel zu Argentinien.

Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts hatte sich der Stalinismus, jene Variante einer sozialistischen Gesellschaftsform, gekennzeichnet durch offene Machtausübung, die brutale staatliche Lenkung und Steuerung in Wirtschaft und Gesellschaft, weltweit nahezu erledigt. Doch der Sozialismus an sich war noch lange nicht erledigt, sondern breitete sich jetzt in der von Trotzki propagierten Form, dem Marsch der Kader durch die Institutionen des Staates, mit dem Ziel innerer Zersetzung und interner Machtübernahme, desto stärker aus. Dies geschieht naturgemäß langsamer als durch einen revolutionären Umsturz, werden doch die Freiheit der Märkte und der Gesellschaft schleichend eingeschränkt. Und so ist auch die Gegenwehr gegen diese Form der Wohlstandsvernichtung und Freiheitsberaubung nur wenig ausgeprägt.

Erodierte ökonomische Grundlagen

Doch irgendwann ist die Party vorbei, denn mit inflationiertem Geld kann der Kapitalstock eines Landes nicht mehr gehalten werden, ja selbst die Zahlungen des Staates an die ihn stützende Klientel verlieren ihren Wert, da die Kaufkraft der Währung sich immer weiter verschlechtert. Erodierte ökonomische Grundlagen des Gemeinwesens führen auch zu Instabilitäten des Staates, denen auf vielfältige Weise zu begegnen versucht wird. Doch weder Zwang noch Repressionen, Täuschung der Wähler durch gezielte Informationskampagnen regierungsnaher Medien und Organisationen, bis hin zur schlichten Propaganda und Wahlgeschenken verbessern die Lage. Nichts davon ist geeignet, die sich auftürmenden ökonomischen Probleme zu lösen. Übrigens, genauso wenig wie die Schaffung supranationaler Verbünde sozialistischer Staaten. Das kennen wir bereits aus der Geschichte des Ostblocks. Anstehende Probleme werden da nur selten gelöst, sondern in der Regel verschärft.

Schließlich und endlich ist es gleichgültig, auf welchem Weg, dem Weg Stalins, Trotzkis oder einem dritten Weg, sich eine Gesellschaft in den Sozialismus aufmacht: Die von Mises beschworene Interventionsspirale staatlicher Eingriffe dreht sich erst langsam, danach immer schneller, mit immer weniger Wirkung und endet mit tödlicher Gewissheit im wirtschaftlichen Niedergang, Armut und dem Verlust der persönlichen Freiheit.

In Argentinien, als Milei gewählt wurde, lag die Inflation bei weit über 1.000 Prozent. Es gibt hier unterschiedliche Angaben, doch alle liegen über diesem Wert. Das einst reichste Land der Welt belegte beim Pro-Kopf-Vermögen Platz 19 unter 173 Ländern – welch ein Absturz.

Eine Reihe von Reformen durchgesetzt

Milei konnte in dem halben Jahr seiner Amtszeit eine Reihe von Reformen durchsetzen. Ob und wie stark sie greifen, lässt sich noch nicht mit Gewissheit sagen, doch zumindest der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt Milei, die richtigen Reformen anzugehen. Er prognostiziert einen Rückgang der monatlichen Inflation von derzeit über 200 Prozent auf weniger als 50 Prozent, was zwar gut klingt, aber bei weitem noch nicht ausreicht. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass die Argentinier ihrem gewählten Präsidenten weiterhin den Rücken stärken, denn ein verarmtes und wirtschaftlich heruntergewirtschaftetes Land wieder aufzurichten, ist eine Generationenaufgabe.

Trotzdem, Milei geht die Probleme an. Er wurde dafür in Hamburg auch gebührend gefeiert und verließ die Veranstaltung Richtung Berlin, um beim Kanzler vorbeizuschauen. Ob der sich der Parallelen zwischen EU-Deutschland und Argentinien bewusst war, den Staatsbesuch gar als Anstoß nahm, den Protagonisten dirigistischer Eingriffe in die Wirtschaft in den Arm zu fallen? Mehr Freiheit zu wagen und dort, wo „Demokratie“ draufsteht, diese auch reinzupacken?

Ich glaube weder an den Weihnachtsmann, noch an Scholzens Willen zur Reform.

Draußen das obligatorische „Nazis raus“-Gebrüll

Außerhalb des Tagungsgebäudes, hinter den polizeilichen Absperrungen die üblichen Demotouristen mit abstrusen Forderungen an Wirtschaft und Politik und nach jedem zweiten Satz das obligatorische „Nazis raus“-Gebrüll. Natürlich berichtete die Presse auch über die Gegendemo und adelte die Hayek-Gesellschaft dabei mit dem Label „umstritten“.

Ach Deutschland, deine akademische Jugend, die leistest du dir auch noch.

DIE VERANSTALTUNG

Laudatio von Prof. Dr. Stefan Kooths anläßlich der Verleihung der Hayek-Medaille an Javier Milei (16:29 min.) Link zum Video

Hamburger Rede von Javier Milei am 22. Juni 2024 (Deutsche Übersetzung; 1:02:57 Std.) Link zum Video

Laudatio von Prof. Dr. Stefan Kooths (deutsch) Link zum PDF

Deutsche Übersetzung der Rede von Javier Milei (übertragen von Carlos A. Gebauer) Link zum PDF

Weitere Berichte zu den Hayek-Tagen 2024: Argentiniens Staats­präsident Javier Milei wurde mit begeisterten »Libertad« Rufen im restlos ausgebuchten Veranstaltungssaal in Hamburg begrüßt. Zweifelsohne waren sein Besuch, der Festakt zur Auszeichnung und seine Rede der Höhepunkt der Hayek-Tage 2024. »Verteidigen Sie Ihre Ideen mit Leidenschaft. Die Ideen der Freiheit sind so stark, dass sie gewinnen werden, auch wenn zuerst alle dagegen sind.« so Mileis abschließende Botschaft. Es ist gut, wenn die Hayek-Medaille an Javier Milei auch dazu beitragen kann, sein Programm und die Lage Argentiniens hierzulande besser zu verstehen. Link

DER AUTOR

Dr. Reinhard Günzel ist Dipl.-Physiker im Ruhestand. Ab 2016 versammelte er libertär gesinnte Mitstreiter zu monatlichen Treffen, aus denen dann unser Hayek-Verein Dresden e. V. hervorging, dessen Vorsitzender er ist. Folgen Sie ihm auf Telegram: https://t.me/opakalypse Seine Kolumne erscheint bei Freiheitsfunken (Link).

 

 

 

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