Henrik Paulitz warnt vor radikaler Energie- und Klimaschutzpolitik

— Foto: jwvein auf Pixabay

Verrat an der Geschäftsgrundlage der Energiewende

Bei allen Auseinandersetzungen um die Energiepolitik war man sich stets einig: Die Lichter dürfen nicht ausgehen.

Von Henrik Paulitz. — Seeheim-Jugenheim, 25. September 2021

Wir erleben derzeit einen Überbietungswettbewerb für eine immer radikalere „Energie-, Klimaschutz- und Verzichtspolitik“, die sich in bedrohlicher Weise mehr und mehr von ihrer einstigen „Geschäftsgrundlage“ entfernt, Arbeitsplätze, Wohlstand, Frieden, Freiheit und Demokratie zu bewahren.

Zur mahnenden Erinnerung: Der Titel des Grundlagenwerks der Energiewende aus dem Jahr 1980 lautete: „Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ (Öko-Institut). Bei allen Auseinandersetzungen um die Energiepolitik war man sich in diesem Land in einem Punkt strömungs-übergreifend stets einig: Die Lichter dürfen nicht ausgehen.

Unsere Gesellschaft war sich in dieser „vor-dekadenten Zeit“ noch einigermaßen bewusst, wie große Teile der Eltern bzw. Großeltern-Generation wirtschaftete und auf welchen Trümmern der hart erkämpfte, relative „Wohlstand für alle“ in diesem Land und in Europa entstanden ist. In Teilen der Politik ist nun aber von einer „angebotsorientierten“ Energieversorgung (Sylvia Kotting-Uhl), also von ständigen Strom-Unterbrechungen je nach Wetterlage die Rede, und Olaf Scholz spricht von einer „staatlich festgelegten Strommenge“, die zukünftig noch verbraucht werden dürfe. Es geht also um Stromrationierungen, um regelmäßige Stromabschaltungen, um eine „StromMangelWirtschaft“, vor der die Akademie Bergstraße und andere seit langer Zeit warnen.

Was ist das eigentliche Ziel einer solchen Politik? „Klimaschutz“ kann es kaum sein, wenn man offenkundig kein Problem damit hat, dass die Industrieproduktion und der damit verbundene Wohlstand u. a. nach Asien abwandern und dort die CO₂-Emissionen mehr und mehr in die Höhe treiben.

Bei rationaler Betrachtung muss man wohl davon ausgehen, dass es um eine gezielte Verarmung von Deutschland und Teilen Europas geht. Auch ist eine Ent-Demokratisierung zu befürchten. Das aber hat mit den Ursprüngen der Energiewende nichts mehr zu tun.

„Wachstum und Wohlstand“

Die Energiewende wurde konzeptionell entworfen und seit 1980 propagiert als ein Umbau des Energiesystems ohne Wohlstandsverluste – und im Übrigen auch als ein Projekt von Freiheit und Demokratie. Man versprach „erhebliche Wohlstandssteigerungen“, „mehr Wohlstand mit weniger Energie“.

Vorgeschlagen wurde damals ein vergleichsweise solider Energiemix aus Kohle, Biomasse, Sonne, Wind und Wasser. Auf dieser Basis postulierte man, auf den Einsatz von Atomenergie „schon kurzfristig verzichten“ zu können.

Grundlage der Energiewende war es, den Wohlstand nicht zu gefährden. Das energiepolitische Zieldreieck „Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit“ wurde in keiner Weise in Frage gestellt.

„Gesicherte Leistung“

Im Gegenteil: Regelmäßig wurde in den 1990er Jahren – auf der Basis des damaligen Kraftwerksparks – mit Studien der Nachweis geführt, dass auch bei einem Atomausstieg „die Lichter nicht ausgehen“ würden. So wurde beispielsweise 1991 festgestellt: „Die technische Machbarkeit dieses Sofortausstiegs ist bei den heute gegebenen Kraftwerksparken in West- und Ostdeutschland sowie dem derzeitigen Bedarf an Strom und gesicherter Leistung möglich (vgl. im Einzelnen ÖKO 1990).“

Den Bedarf an gesicherter Leistung hatte man damals noch wie selbstverständlich im Blick. Man stützte sich auf die großen Kapazitäten des konventionellen deutschen Kraftwerksparks, insbesondere auf die Kohlekraftwerke, die den Strom stets zuverlässig liefern würden, wenn Wind und Sonne versagen.

So war bis vor Jahren stets sichergestellt, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wurde. Nun aber sind die Kraftwerkskapazitäten aufgrund des gleichzeitigen Atom- und Kohleausstiegs so weit abgebaut, dass die jetzt unmittelbar bevorstehenden Kraftwerks-Stilllegungen zu einer massiven Gefährdung der Versorgungssicherheit führen dürften.

Soziale Ungleichheit ungeahnten Ausmaßes

Aus der Energiewende droht auf unauffällige Weise eine unseriöse Mogelpackung zu werden: Nur weil der Ruf nach Förderung erneuerbarer Energien stets gleichbleibend ist, fällt es kaum auf, dass die Energiewende-Politik ihre Geschäftsgrundlage fundamental verändert hat:

An die Stelle von erschwinglicher und zuverlässiger Energie für alle tritt der Versuch, klammheimlich eine Agenda der sozialen Ungleichheit und der Wohlstandszerstörung für die breite Bevölkerung durchzusetzen:

Nur „Besserverdienende“ sollen sich künftig noch Strom, Mobilität und Wärme uneingeschränkt leisten können.

In der „grünen Theorie“ sollen Auflagen und stetig steigende CO₂-Preise eine „Lenkungswirkung“ hin zu energiesparenden Technologien induzieren, die zu sinkenden Betriebskosten und unterm Strich zu allenfalls unwesentlich höheren Gesamtkosten führen.

Dieser Ansatz mag vor Jahrzehnten vielleicht noch eine gewisse Berechtigung gehabt haben. Inzwischen sieht die Wirklichkeit ganz anders aus: Die mit verhältnismäßigem Aufwand erschließbaren Energiespar-Potenziale sind – entgegen aller Propaganda – heute zum großen Teil längst ausgeschöpft! Trotz einer ambitionierten Energiespar- und -effizienzpolitik der vergangenen Jahrzehnte ist mit einem wachsenden Stromverbrauch zu rechnen. Das hat inzwischen auch das Bundeswirtschaftsministerium eingeräumt.

Energieverbrauch lässt sich kaum noch reduzieren

Auch im Gebäudesektor lässt sich der Energieverbrauch kaum noch reduzieren: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellte in seinem „Wärmemonitor 2019“ fest, dass es in der vergangenen Dekade selbst mit Ausgaben von einer halben Billion Euro (!) für Wärmedämmmaßnahmen nicht gelang, den Heizwärmebedarf „klima- und witterungsbereinigt“ weiter abzusenken.

Trotz dieses katastrophalen Studienergebnisses soll die Bevölkerung weitere Billionen für Wärmedämmmaßnahmen ausgeben und aufgrund der „CO₂-Bepreisung“ immer mehr für Heizöl und Erdgas ausgeben.

Anstelle des Heizkessels soll es künftig dann auch noch die Elektrowärmepumpe sein, für die der Strom ebenfalls immer teurer wird, sofern er überhaupt fließt. Zu erwarten ist, dass bei wenig Sonne und Wind der Strompreis astronomische Höhen annehmen könnte.

Das Ergebnis der „Lenkungswirkung“ solcher Maßnahmen wäre absehbar: Ein wachsender Teil der Bevölkerung würde sich Strom, Mobilität und Wärme kaum noch leisten können: Im Zweifelsfall muss das Thermostat am Heizkörper im Winter auf Null gedreht werden.

Führt „Klimaschutz“ direkt in eine Enteignung?

Noch zu wenige fragen danach, ob sich junge Familien, Menschen mit mittlerem Einkommen, Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Alleinerziehende, Unterhaltspflichtige und weniger wohlhabende Rentner all die teuren Ausgaben für neue, insuffiziente Heizungsanlagen, Wärmedämm-Maßnahmen, Elektroautos etc. etc. leisten können – und wollen.

Was passiert mit den Immobilien derjenigen, die sich all das nicht leisten können? Müssen sie die verordneten „Klimaschutz-Maßnahmen“ künftig per Zwangskredit durchführen? Und was ist, wenn sie aus kleinen Einkünften oder kleinen Renten die erzwungenen Kreditraten nicht zurückzahlen können? Führt „Klimaschutz“ dann direkt in eine brutale Enteignung kleiner Vermögen?

Marode Energieversorgung vertreibt die Industrie

Noch zu wenige fragen auch danach, wie all die großzügigen „Gerechtigkeits- und Sozialstaatsversprechen“ unserer Zeit finanziert werden sollen, wenn eine immer marodere Energieversorgung die Industrie aus diesem Land vertreibt.

Dieser Prozess ist längst im Gange, auch wenn erst zaghaft darüber berichtet wird. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz warnt mit zunehmender Intensität vor Stromausfällen. In weiten Teilen Europas zeichnet sich eine Energiekrise ab. Die Energiekosten explodieren, erste Energieversorger werden insolvent.

Mehr und mehr Menschen in Deutschland und in Europa bangen, in welchem Maß sie sich im bevorstehenden Winter noch Strom, Wärme und Mobilität leisten können.

Wir müssen versuchen, zu verstehen, dass bei dieser Energiewende längst „alle roten Linien“ überschritten wurden.

DER AUTOR

Henrik Paulitz (geb. 1968) ist Leiter der Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung. Der Friedens- und Konfliktforscher, der seit Jahrzehnten auch mit der Energiepolitik befasst ist, ist Autor u.a. der Bücher „Anleitung gegen den Krieg“ (2016), „Kriegsmacht Deutschland?“ (2018) und „Strom-Mangelwirtschaft“ (2020). Henrik Paulitz untersucht u. a. die ökonomischen und energiewirtschaftlichen Hintergründe von Krisen, Konflikten und Kriegen. Als Forschungsmethode entwickelte er die „deskriptive, ökonomisch orientierte Friedens- und Konfliktforschung“. Mit diesem Forschungsansatz gelang es ihm, universelle Kriegsziele zu identifizieren. Paulitz ist Diplom-Biologe. Schwerpunkte seines Studiums in Marburg und Bielefeld waren Ökologie, Mikrobiologie und Biochemie. Daneben besuchte er Vorlesungen in Soziologie, Finanzwissenschaft und Volkswirtschaftslehre. Aktuell betreibt er Studien in Betriebswirtschaftslehre. 2015 gründete Paulitz die gemeinnützige Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung gUG (haftungsbeschränkt), Darmstädter Straße 12, 64342 Seeheim-Jugenheim, Tel. 06257-505-1707. Email: paulitz@akademie-bergstrasse.de, www.akademie-bergstrasse.de

DAS BUCH

Lesen Sie zum Thema das Buch: Henrik Paulitz: StromMangelWirtschaft. Warum eine Korrektur der Energiewende nötig ist. ISBN 978-3-981-8525-3-0. Bezug über den Buchhandel oder direkt auf der Website der Akademie Bergstraße.

SPENDEN

Und noch eine Bitte: Die Akademie Bergstraße will weitere Anzeigen in Auftrag geben. Sollte es Ihnen möglich sein, dieses Vorhaben durch eine kleinere oder auch größere Spende zu ermöglichen, wären wir Ihnen dafür sehr dankbar. Jedes Engagement zählt. Spenden an die gemeinnützige Akademie Bergstraße sind steuerabzugsfähig. Das Spendenkonto:
Kontoinhaber: Akademie Bergstraße
IBAN: DE82 5086 1501 0000 1964 52
BIC: GENODE51ABH
Raiffeisenbank Nördliche Bergstraße eG

 

 

 

Zurück