Infos und Bedenken zur Wertfestlegung von Immobilieneigentum

Eine große deutsche Tageszeitung macht gegen die Grundsteuer mobil. — Foto: Adrian Pelletier/Pixabay; Screenshot

Jede Menge offene Fragen kurz vor Ultimo

Der Abgabetermin der Erklärung zur Grundsteuer rückt näher und so richtig klar ist eigentlich (fast) nichts.

Aus unserer Redaktion. — Dresden, 22. Januar 2023

Zur Grundsteuerreform gibt es jede Menge offene Fragen, wenn man nicht alle obrigkeitlichen Verlautbarungen widerstandslos entgegennimmt:

Wieso will die Verwaltung/der Staat von mir Angaben, die sie/er sowieso schon hat? Bekanntermaßen sind insbesondere alle Ereignisse im Zusammenhang mit Immobilien peinlichst geregelt, überwacht und registriert. Zumindest beim normalen Staatsbürger.

Soll die „Freiwilligkeit“ lediglich die Legimitation der weiteren Schritte/Belastungen herstellen? Immerhin schwebt nach der Steuerreform die Zwangshypothek über unseren Köpfen (14. SGB).

Der Stichtag der Wertfestlegung liegt am voraussehbaren Ende des Immobilienbooms. Bleibt der hohe Ausgangswert auch als Grundlage, wenn die Blase zwischenzeitlich platzt?

Erfolgt dann eine Korrektur der Berechnung nach unten? Wer macht das und wann?

Der sog. Markt-/Verkehrswert ist eine fiktive Größe, die nicht nur durch Spekulation beeinflusst wird, sondern obendrein nur dann von Bedeutung ist, wenn ein Kauf/Verkauf in Erwägung gezogen wird. Aus den Aussagen diverser Fachleute geht hervor, dass der Verkehrswert den voraussichtlich zu erzielenden Preis einer Immobilie bzw. eines Grundstücks zu einem bestimmten Zeitpunkt beschreibt. Wieso soll also diese rein hypothetische Größe Grundlage der Bewertung sein, wenn ich mich nicht verändern will?

Der Bodenrichtwert (BRW) entbehrt nicht nur der Transparenz seines Entstehens (Gutachterausschuss gibt keine Auskünfte), er ist ebenfalls spekulativ. Dies ist beispielhaft am Vergleich der Themenkarte Dresden von 2017 bis 2022 auffällig. In einem Areal, was in den 1990gern aufgebaut wurde und seitdem keine weitere Wertschöpfung erfuhr, stieg der BRW von 170 Euro auf 590 Euro. In diesem speziellen Fall reduzierte sich sogar die infrastrukturelle Qualität erheblich. Wieso soll ich diesen künstlich festgelegten hohen Ausgangswert als Grundlage der langjährig zu erwartenden Steuerbelastungen akzeptieren?

Im Einzelfall kann es sogar sein, dass Bebauungsgrenzen plötzlich verschoben werden und Wohnungen vom „Mischgebiet“ (BauGB) unvermittelt im „Wohngebiet“ liegen und damit natürlich höher bewertet werden. Die Häuser stehen alle noch am selben Fleck!

Im Bereich Dresden-Cotta ist beispielsweise örtlich von 2011 bis 2022 eine Erhöhung von 90 Euro auf 640 Euro zu erkennen. Auch hier: kein adäquater Qualitätszuwachs. Steuerfestlegung auf der Basis einer Blase!

Interessenverbände bereiten Sammelklagen gegen Grundlage und Verfahren der Grundsteuerreform vor. Sie berufen sich auf starke Zweifel bezüglich der Grundgesetzkonformität. Ist es richtig, freiwillige Angaben auf fragwürdiger Basis zu machen, solange diese Zweifel nicht final geklärt sind?

Ganz am Rande habe ich auch starke Bedenken bezüglich der Qualifizierung derer, die in letzter Zeit massenhaft rekrutiert wurden und den Wust an Daten in die Hände bekommen. Wo stehen die Rechenzentren, über die die Daten laufen? Wo werden sie gespeichert?

Nach meiner Auffassung als pflichtbewusster Staatsbürger ist es eine moralische Verpflichtung, bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen zumindest misstrauisch zu sein und entsprechende Fragen zu stellen, bevor man folgsam allen Befehlen eifrig nachkommt. Ich jedenfalls habe diese Fragen an das zuständige Finanzamt gestellt. Jetzt bin ich mal gespannt.

Letzter Hinweis: Vermutlich haben zahlreiche Leser die Erklärungen schon abgegeben, womöglich auch schon einen entsprechenden Bescheid bekommen. Aus Fachkreisen ist zu vernehmen, dass nur in diesem ersten Schritt ein Einspruch Auswirkungen auf die weiteren Festlegungen Erfolg haben kann.

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ANHANG
Hintergrund und Geschichte der Grundsteuerreform

Bund und Länder einigten sich Anfang Februar 2019 auf ein Eckpunkte-Papier für die Grundsteuerreform, das die Bemessung der Steuer wie bisher verkehrswertorientiert vorsah. In den anschließenden Verhandlungen sprach sich insbesondere Bayern für eine möglichst unbürokratische Steuerberechnung nur nach Flächen aus sowie für eine Öffnungsklausel im Grundgesetz, um abweichende Länder-Grundsteuerregelungen möglich zu machen. Am 25. Juni 2019 lag der Gesetzentwurf der Großen Koalition vor; der Bundestag stimmte mit Zweidrittelmehrheit am 18. Oktober 2019 zu, der Bundesrat am 8. November 2019. Somit konnte die Reform gerade noch rechtzeitig vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.

Insgesamt waren drei Gesetzentwürfe eingebracht worden. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes sah vor, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Grundsteuer erhalten und den Ländern durch eine Ergänzung von Art. 72 Abs. 3 des Grundgesetzes eine abweichende Regelungskompetenz eingeräumt werden sollte. Im Hauptgesetzentwurf ging es um die Reform der Grundsteuer und um ein Änderungsgesetz zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung. Städte und Gemeinden können danach für baureife Grundstücke einen erhöhten Grundsteuer-Hebesatz festlegen.

Für eine Bodenwertsteuer ohne Gebäudebesteuerung trat weiterhin ein Bündnis von Verbänden unter dem Aufruf „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ ein. Auf dem 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag im Juni 2019 verabschiedeten die Mitglieder eine Resolution für eine Bodenwertsteuer. Sowohl Wohnungs- als auch Immobilienwirtschaft favorisierten das Flächenmodell, nicht das Wertmodell, so der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Immobilienverband IVD und der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen.

Reformierte Grundsteuer: Berechnung und Höhe

Inhaltlich stellt das neue Grundsteuerrecht eine Fortschreibung der bisherigen Verfahrensweise ohne tiefgreifende Änderungen dar. Das kommunale Hebesatzrecht bleibt bestehen, ebenfalls das dreistufige Verwaltungsverfahren und dessen Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Finanzämtern und Gemeinden. Im Bundesmodell wird der Einheitswert durch den Grundsteuerwert ersetzt; wie bisher werden hier Grund und Boden und Gebäude im Verbund und wertabhängig für die Steuerberechnung herangezogen. Die Steuermesszahl wird abgesenkt, um die nun höhere Bemessungsgrundlage auszugleichen. Die Ländermodelle sehen teilweise andere Berechnungsweisen vor. Zum Stichtag 1. Januar 2022 werden alle Grundstücke in Deutschland neu bewertet, danach alle sieben Jahre. Zu diesem Zweck müssen die Grundstückseigentümer eine Steuererklärung bei den Finanzämtern abgeben. Die neue Grundsteuer wird erstmals ab dem 1. Januar 2025 erhoben.

Das bundesweite Grundsteueraufkommen soll durch die Reform nicht verändert werden, jedoch kann es für den einzelnen Steuerzahler zu einer höheren und niedrigen Steuer kommen. Wie hoch diese genau ausfällt, kann erst nach Anpassung der Hebesätze durch die Gemeinden errechnet werden. Der Steuerzahlerbund erwartet durchschnittlich 70 Prozent mehr Grundsteuern in Ostdeutschland. (Wikipedia)

Kritik vom Deutschen Steuerberaterverband

Harald Elster, von 2013 bis 2021 Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV) und seitdem dessen Ehrenpräsident, kritisiert den Aufwand, denn die Grundsteuerreform umfasst deutschlandweit rund 35 Millionen Grundstücke. Die Bundesregierung schätzte in 2019 die Gesamtpersonalkosten zum Vollzug der neuen Regelungen auf rund 462 Mio. Euro in den Finanzämtern. Hinzu kommt ein Aufwand für Sachgebietsleitungen, Geschäftsstelle, IT-Stelle, Postverteilung usw. in Höhe von schätzungsweise rund 76 Mio. Euro sowie für die IT-Umsetzung von 44 Mio. Euro. Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Elster warnte vor einer zu komplexen Reform, da sie bei vielen Steuerpflichtigen zu einem hohen Beratungsbedarf führen würde. Nach Schätzungen Elsters werden auf jeden Steuerberater rund 400 Grundstücksbewertungen zukommen, was insbesondere für kleine und mittlere Kanzleien angesichts des Mangels an Nachwuchskräften eine Herausforderung werden dürfte. (Wikipedia)

Grundsteuermodelle der Bundesländer (wirksam ab 2025)

Das Bundesmodell zur Berechnung des Grundsteuerwertes (nach dem BewG) einerseits sowie des Grundsteuermessbetrages und der Grundsteuer (nach dem GrStG) anderseits kann aufgrund der Länderöffnungsklausel durch jeweils eigene Gesetze der Bundesländer ganz oder teilweise ersetzt werden. Mögliche Formen sind:

▬ ein Flächenmodell (auch: Äquivalenzmodell): Besteuerung nur nach der Grundstücks- bzw. Wohn-/Nutzfläche, nicht nach den Wertverhältnissen,

▬ ein Bodenwertmodell, bei dem neben der Fläche auch der Bodenwert berücksichtigt wird, aber nicht die Bebauung,

▬ ein wertabhängiges Modell, bei dem Boden- und Gebäudewert steuerrelevant sind (realisiert im Bundesmodell),

▬ auch Kombinationen und Abwandlungen sind denkbar.

In den meisten Bundesländern ist die Wohnfläche für ganz oder teilweise zu Wohnzwecken genutzte Immobilien relevant; nach allgemeiner Auffassung ist eine Berechnung nach der Wohnflächenverordnung zulässig. In einigen Bundesländern ist zudem die Nutzfläche relevant; diese ist nach der Norm DIN 277 zu berechnen, welche Raumflächen nach Nutzflächen, Technikflächen und Verkehrsflächen unterscheidet.

Neun von 16 Bundesländern verwenden das Bundesmodell, dazu gehören: Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen, und Schleswig-Holstein. Die restlichen Bundesländer haben andere Modelle selbständig gewählt. (Wikipedia)

DER AUTOR

Der Autor ist der Redaktion bekannt. Der Beitrag gibt nicht unbedingt die Meinung des Vereins wieder und wird hier als Diskussionsbeitrag veröffentlicht.

 

 

 

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