LESEPROBE — Nickolas Emrich: Gier nach Privilegien
Wenn Politik die Probleme nicht löst
Bei der versalzenen Suppe sollte man nachdenken und nicht nach besserem Salz fragen.
Empfohlen von unserer Redaktion. — Dresden, 12. Mai 2024
LESEPROBE aus der Einführung:
Politik als das Salz in der Suppe
Mit der Feststellung, dass in weiten Teilen der Bevölkerung Unzufriedenheit über die Politik herrscht, lässt sich kein großes Erstaunen mehr erzeugen. Wir haben uns daran gewöhnt. Irgendwie geht es ja schließlich trotzdem weiter. Über Millionenbetrug bei Corona-Testzentren, die abgehobenen Pläne zur Erweiterung des Kanzleramtes, ausufernde Aufstockung des Ministerialbeamtentums, die gescheiterte Pkw-Maut oder die Eskapaden rund um den Berliner Flughafen lächelt man nur noch müde. Trotz vielerlei Spekulation und Diskussion über die möglichen Ursachen ändert sich nicht wirklich etwas. Eine Mehrheit der Deutschen traut es laut einer Forsa-Umfrage keiner politischen Partei zu, kompetent mit den Problemen im Land umzugehen. 57 % der Befragten gaben dabei an, dass weder die Regierungs- noch die Oppositionsparteien dazu in der Lage seien. Immer wieder wird gefragt, wie eine bessere Politik möglich sei. Ich glaube, schon in der Frage liegt ein Fehler. Wenn das Essen jedes Mal versalzen ist, sollte man nicht nach besserem Salz fragen, sondern nach weniger Salz verlangen. Auch Politik wird nicht besser, wenn man immer mehr macht. Wenn Politik Probleme nicht löst, sollte man nachdenken, ob eine andere Politik wirklich wirkungsvoller ist, oder ob die Abwesenheit von Politik das Problem lösen könnte. Ich habe in meinem Vorgängerbuch „Politik ist das Problem, nicht die Lösung” bereits einen Finger in die Wunde gelegt. Nun möchte ich gerne noch einen zweiten Finger in die Wunde legen. Denn obwohl ich bereits Lösungsvorschläge aufgezeigt habe, möchte ich in diesem Buch einen bestimmten Aspekt herausgreifen, der ganz besonders am gesellschaftlichen Zusammenhalt nagt: Die Privilegien.
Ein Privileg ist ein Vorrecht, das einer Person oder einer Personengruppe zugestanden wird. Der Begriff setzt sich aus den lateinischen Wörtern „privus” (besonders) und „lex” (Gesetz) zusammen. Mit anderen Worten: Es geht um Sonderrechte bzw. um Bevorzugung. Sonderrechte sind dabei keineswegs grundsätzlich etwas Schlimmes. Der Notarzt, der zum Einsatz fährt, hat etwa das Sonderrecht, sich nicht an die Regeln der Straßenverkehrsordnung halten zu müssen. Dies ist mit Nachteilen für die übrigen Verkehrsteilnehmer verbunden, die rechts ranfahren und Platz machen müssen, bringt aber entscheidende Vorteile für den Patienten. Auch die Polizei genießt dieses Recht gleichermaßen, sofern sie zu einem eilbedürftigen Einsatz fährt, nicht aber, um eine Pizza schnell zur Wache zu befördern (was glücklicherweise außerhalb von Filmen selten vorkommt). Doch woher kommen solche Privilegien?
Privilegien als Produkt der Politik
Es gibt zwei verschiedene Arten von Privilegien. Einerseits gewillkürte Privilegien und andererseits gesetzliche Privilegien. Erstere kann man quasi „kaufen”. Ich kann arbeiten (oder erben) und mir ein umwerfend stylisches Auto kaufen. Oder mir im Urlaub statt des schnöden Standardzimmers eine atemberaubende Suite gönnen. Oder in eine Fortbildung investieren, die sich jemand anderes nicht leisten kann. Daneben gibt es durch Gesetz gewährte Privilegien. Etwa, um ein zwei Jahre zurückliegendes Beispiel zu nennen, als „normale” Fluggäste eine Maske tragen mussten, während kein solches Gesetz für den Regierungsflieger der Luftwaffe galt. Ebenso beispielsweise, dass Bundestagsabgeordneten eine Pauschale für ihre mandatsbedingten Ausgaben zugestanden wird, während Selbständige jeden Beleg einzeln sammeln müssen, den sie steuermindernd absetzen wollen. Damit will ich dies übrigens nicht kritisieren, im Gegenteil. Die maskenfreien Flüge der Regierungsmitglieder fanden zu einem Zeitpunkt statt, zu dem in anderen europäischen Ländern längst keine Maskenpflicht mehr galt, gerne hätte man das „Privileg” also allen zukommen lassen können. Ebenso wäre es sicherlich eine große Entlastung, wenn Selbständige ein Wahlrecht zwischen der Erfassung bestimmter Belege oder einer Pauschale für Geschäftsessen und Reisekosten hätten. Das Problem ist also vielmehr, dass die guten Ideen auf einige wenige Profiteure beschränkt werden.
Diese Privilegien der zweiten Kategorie entstammen Gesetzen, sie sind also verbriefte Privilegien. Diese Gesetze werden von der Politik gemacht. Dies ist der Grund, warum jede Schlagzeile, die von solchen Privilegien berichtet, die Politikverdrossenheit erhöht, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen sind. Kaum jemand kritisiert das Recht des Notarztes, mit Blaulicht zum Einsatzort fahren zu dürfen, während die Besserstellung eines Regierungsfluges gegenüber dem zivilen Linienverkehr viele Menschen zum Schluss kommen lässt: „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“ Die Politik gewährt solche Privilegien aber nicht nur sich selbst. Die gesamte Gesellschaft ist durchzogen von Privilegien für bestimmte Gruppen. Subventionen für bestimmte Wirtschaftszweige, Steuervorteile für ein bestimmtes Verhalten, Pension statt Rente für Beamte, Immunität für Diplomaten, lukrative neue Posten für Parteifreunde – an zahlreichen Stellen steuert die Politik die Gesellschaft mit Privilegien. Während private Privilegien nur Ausdruck einer individuellen Verschiedenheit aufgrund unserer Entscheidungen sind, tangieren die gesetzlichen Privilegien die Gleichberechtigung und damit das Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen. Wir können und wollen nicht ergebnisgleich sein, sonst wären wir keine Individuen, dennoch möchten wir natürlich vor dem Gesetz gleich behandelt werden und zumindest von Seiten des Staates die gleichen Chancen erhalten. Deshalb etwa kann eine private Firma per Handschlag einstellen, wen sie will, während der Staat Aufträge und Beamtenstellen ausschreiben muss. Wann immer dies missachtet wird, herrscht Willkür.
DER AUTOR
Nickolas Emrich studierte Rechtswissenschaften, wobei er sich auf Wirtschaftsrecht spezialisierte. Anschließend machte er sich als Unternehmer selbstständig. 2011 wurde er Franchisenehmer bei immergrün, einem Unternehmen, das sich auf gesunde, schnell zubereitete Speisen spezialisiert hat. Nachdem er dieses und ein weiteres Franchiseunternehmen erfolgreich etabliert und später verkauft hatte, gründete Emrich eine Franchiseberatung, bevor er einen völlig neuen Weg einschlug und zur Polizei wechselte. Die einzigartige Mischung aus unternehmerischem Scharfsinn, juristischem Know-how, praktischer Polizeierfahrung und politischem Engagement macht Emrich zu einem wahren Experten in seinem Feld. Ein Mann, der Praxis und Theorie verbindet, ohne dabei die menschliche Seite des Geschäfts aus den Augen zu verlieren. Seine Erfahrungen hat Emrich in mehreren Büchern zum Ausdruck gebracht, die ein breites Spektrum von Themen abdecken, von der Franchisewirtschaft, wie in »Mein Weg in die Franchise-Gastro: Die Abenteuer eines Jungunternehmers«, über die Rechtswissenschaft, wie in »Recht und Mediation – ein Widerspruch der Kulturen?«, bis zu gesellschaftlichen Fragen, wie in »Politik ist das Problem, nicht die Lösung«.
DAS BUCH
Nickolas Emrich: Gier nach Privilegien: Warum uns die Politik in eine Sackgasse führt. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Gerd Habermann. 224 Seiten. FinanzBuch Verlag (2024) ⋙ Link
„Gier nach Privilegien“ ist mehr als nur eine Analyse des Ist-Zustands. Es ist ein Plädoyer für mehr Transparenz, Eigenverantwortung und einen schlankeren Staat. Es zeigt auf, wie wir zu einer gerechteren und freieren Gesellschaft gelangen können, in der Leistung belohnt und nicht bestraft wird.« (Verlagstext)
DER PODCAST
Podcast Einundzwanzig von und mit Dennis: Interview #104 mit Nickolas Emrich (1:09:16 Std.) ⋙ Link
DAS VIDEO
Buchvorstellung „Die Gier nach Privilegien“; Referent Nickolas Emrich (Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft e.V.; 10.3.2024; 44:18 min.)
»Die verborgenen Verflechtungen von Macht und Privilegien – wie die Politik seit langem nicht mehr dem Volk, sondern ausschließlich sich selbst dient. Mit der Feststellung, dass in weiten Teilen der Bevölkerung Unzufriedenheit über die Politik herrscht, lässt sich kein großes Erstaunen mehr erzeugen. Über Millionenbetrug bei Corona-Testzentren, die abgehobenen Pläne zur Erweiterung desKanzleramtes, ausufernde Aufstockung des Ministerialbeamtentums, die gescheiterte Pkw-Maut oder die Eskapaden rund um den Berliner Flughafen lächelt man nur noch müde. Trotz vielerlei Spekulation und Diskussion über die möglichen Ursachen ändert sich nicht wirklich etwas. Immer wieder wird gefragt, wie eine bessere Politik möglich sei. Ich glaube, schon in der Frage liegt ein Fehler: Wenn das Essen jedes Mal versalzen ist, sollte man nicht nach besserem Salz fragen, sondern nach weniger Salz verlangen. Wenn Politik Probleme nicht löst, ist es vielleicht sinnvoller darüber nachzudenken, ob nicht eher die Abwesenheit von Politik das Problem lösen kann. Ich habe in meinem Vorgängerbuch „Politik ist das Problem, nicht die Lösung“ bereits einen Finger in die Wunde gelegt. Nun möchte ich noch etwas Salz hinzustreuen. Denn obwohl ich bereits Lösungsvorschläge aufgezeigt habe, möchte ich in diesem Buch einen bestimmten Aspekt herausgreifen, der ganz besonders am gesellschaftlichen Zusammenhalt nagt: Die Privilegien.« ⋙ Link