Mitgliederrundbrief vom April 2022

— Foto: privat

Frieden ist beileibe kein Naturzustand

Ein den Bürger beherrschendes Staatswesen sollte in eine dem Bürger dienende, ihn umwerbende Institution überführt werden

Von Dr. Reinhard Günzel. — Dresden, 13. April 2022

Liebe Mitglieder, liebe Interessenten des Hayek-Vereins Dresden e.V.,

keine Siegesfanfaren, keine schneidigen Kommentare wie vor 80 Jahren, als die Wochenschau über die große Vernichtungsschlacht um Charkow berichtete. Diesmal ist vieles anders, nicht nur der Stil der Berichterstattung im Fernsehen hat sich gewandelt, auch die Rolle des Aggressors hat jetzt Russland übernommen, dem mit Fug und Recht Verschwörung gegen den Frieden, Vorbereitung eines Angriffskrieges, Kriegsverbrechen gegen gegnerische Truppen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt werden können. Anklagen, die in den Nürnberger Prozessen gegen Generaloberst Jodl erhoben wurden, was mit einem Schuldspruch und Tod durch den Strang endete.

Soweit wird es diesmal wohl eher nicht kommen und wer auf die Rückgabe der durch Russland in Deutschland geraubten Kunstschätze hofft, wird weiter hoffen müssen, aber es stellt sich sehr wohl die Frage, wieso Russland einfach in ein Nachbarland einmarschiert? Dabei geht es hier weniger um Putin, den zu verstehen ja nicht heißt, daß man sein Handeln billigt. Putin genießt in der russischen Gesellschaft enormen Rückhalt und diese Gesellschaft hat ganz offensichtlich in ihrer Mehrheit immer noch ein imperiales Verständnis von Staat und Armee, die beide gegebenenfalls auch über anerkannten rechtlichen Normen standen und stehen. Die größte Schiffskatastrophe, die Versenkung der Gustloff, überladen mit Flüchtlingen und das waren damals nur alte Männer, Frauen und Kinder, dazu jede Menge Verwundete, diese Versenkung durch ein russisches U-Boot war gerechtfertigt, schließlich befanden sich Soldaten auf dem Schiff. Fertig, was soll man da noch erwidern?

Imperiales Denken ist beileibe keine russische Spezialität

Imperiales Denken in Machtkategorien und Einflußsphären, das anderen Völkern nur begrenzte, am Eigeninteresse abgeglichene Souveränität zugesteht, ist beileibe keine russische Spezialität und neben vielen großen und kleinen Staaten ist auch die Ukraine nicht der demokratische Musterstaat aus dem Lehrbuch, wie man angesichts der parteiübergreifenden Solidaritätsbekundungen, bis hin zur Forderung nach immer mehr Waffenlieferungen, glauben möchte. Vor gar nicht allzulanger Zeit haben ja auch deutsche Haltungsmedien Selenski als korrupten, postsowjetischen Politiker abqualifiziert. Für Liberale steht ohnehin nicht die Frage im Vordergrund, was Putin oder Selenski umtreibt, sondern die tiefergehende Frage, wieso es nach all den leidvollen Kriegserfahrungen immer noch Staatslenkern gelingt, Völker gegeneinander aufzuhetzen, damit diese über ihre Nachbarn herfallen um dort zu morden, zu vergewaltigen und zu rauben und was zu tun wäre, daß das endlich aufhört.

Staaten, wie wir sie heute kennen, kennzeichnet immer auch ein Machtzentrum, auf das sich die Aufmerksamkeit richtet. Was geht im Kreml vor, was meint das Kanzleramt, das Weiße Haus usw. Machtzentren wohnt jedoch die Tendenz inne, sich unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten zu verfestigen und auszuweiten und so wird beispielsweise in Deutschland andauernd das Subsidiaritätsprinzip mit Füßen getreten, verlieren die Kommunen immer mehr ihr Selbstbestimmungsrecht an die Länder, die wiederum beständig Kompetenzen an die Zentralregierung verlieren, was zu einem andauernden Siechtum des Föderalismus führt.

Einem Staate, der sich die Regelung aller Lebensbereiche anmaßt, wie erst jüngst mit der beabsichtigten Zwangsimpfung demonstriert, steht irgendwann kein selbstbewußtes Bürgertum mehr gegenüber, das willens und in der Lage wäre, den Staat in seine durch die Verfassung gesetzten Schranken zu weisen. Ist dieser Punkt erreicht, gelangen Staaten unweigerlich in ihr letztes, totalitäres Stadium, an dessen Ende der Zerfall des Staates aufgrund innerer Widersprüche, allgemeinem Staatsversagens oder äußerer, nicht mehr beizulegender Konflikte steht. Der Zerfall der Sowjetunion war symptomatisch für diesen Prozeß.

Staat mit eingebautem Mechanismus zur Selbstzerstörung

Doch die mit dem Zerfall gegebene Chance zu einem Neuanfang wurde unter Putin und auch in der Ukraine, regiert durch wechselnde Vertreter der Oligarchie, vertan. Vielmehr entwickelte sich Russland rasch zu einem zentralistischen Staat mit gleichgeschalteten Medien und unterdrückter Opposition, also einem Staat mit eingebautem Mechanismus zur Selbstzerstörung, einer latenten Gefahr für die eigenen Bürger und für die benachbarten Staaten, ein Machtapparat, der, wenn es geboten scheint, einen Krieg vom Zaune bricht. Frieden ist in einer solchen Welt beileibe kein Naturzustand. Er kommt eher als eine Art der Pax Mongolia daher.

Verfassungen, Gesetze, Kontrollmechanismen, Gewaltenteilung, oft als Allheilmittel gepriesen, vermögen durchaus, einen Staat in gewisser Weise zu zähmen, sie vermögen auch den auf dem Gewaltmonopol des Staates aufbauenden Mißbrauch eben dieser staatlichen Macht zu begrenzen und die oben skizzierten unheilvollen Entwicklungen zu verlangsamen, aber wirklich aufgehalten haben sie sie noch nirgends.

In der freien Marktwirtschaft sind nur diejenigen Unternehmen erfolgreich, die im Wettbewerb um den Konsumenten und seine Kaufentscheidung die richtigen Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen am Markt platzieren und sich als Dienstleister am Kunden verstehen. Die freie Kaufentscheidung des Kunden erweist sich zusammen mit dem Wettbewerb als Motor für Innovation und Fortschritt. Eine Verpflichtung der Kunden, nur bei bestimmten Unternehmen die beschränkte Auswahl an Produkten zu kaufen ist in einer freien Marktwirtschaft eine absurde Vorstellung, aber nicht so bei Staaten.

Gang zur Wahlurne bleibt im Großen und Ganzen nahezu folgenlos

Es genügt hier, sich auf die DDR zu besinnen, die ja bekanntlich den Straftatbestand der Republikflucht kannte und die eigenen Bürger einmauerte, das illegale Überqueren der Grenze durch die Verlegung von Minen und den Einbau von Selbstschußanlagen zum tödlichen Abenteuer machte. Das ist glücklicherweise Geschichte, aber im Idealzustand sind wir mit unseren Staatswesen noch lange nicht, denn der gelegentliche Gang zur Wahlurne vermag zwar die Politik zu beeinflussen, bleibt aber, anders als meine Kaufentscheidung im Markt, im Großen und Ganzen nahezu folgenlos.

Wir wissen schließlich alle um die Bindungskraft von Wahlversprechen, die am Wahltag um 18h regelmäßig ohne Recht auf Einlösung verfallen, denn jetzt beginnen die Koalitionsverhandlungen, jener Schacher um Posten und Einfluß, wo zwischen den Parteien die Beute Staat verteilt wird. Nein, auch demokratische Wahlen sind zwar immer noch besser als gar keine Wahlen, aber ein Garant vor totalitären Entgleisungen sind sie auch nicht, was ja Deutschland schon vor 90 Jahren der Welt beweisen konnte. Es müssen dringend weitere Mechanismen her, die dazu beitragen, ein den Bürger beherrschendes Staatswesen in eine dem Bürger dienende, ihn umwerbende Institution zu überführen.

Das heißt zunächst mehr Föderalismus und als ultima ratio das durch die UN-Charta garantierte Recht auf Sezession auch umzusetzen. Es wäre ja für Deutschland schon segensreich, wenn der Föderalismus wieder gestärkt würde, anstatt ihn immer weiter auszuhöhlen. Wir hätten mehr erfolgreiche Länder und nicht so erfolgreiche Länder, die dann angehalten wären, die erfolgreicheren Länder zu kopieren, sofern nicht durch einen überbordenden Länderfinanzausgleich die Motivation zerstört wird.

Möglichkeit der Sezession zwingt die Zentrale zu Politik für den Bürger

Ein gut austariertes föderales System zusammen mit einer einfach durchzuführenden Sezession, ähnlich der Kündigung eines Mietvertrages, ist nach außen ein Friedensgarant und stabilisiert erstaunlicherweise innenpolitisch gerade auch größere politische Einheiten, denn das föderale System mit starken, selbstverwalteten Kommunen, sorgt frühzeitig für den Abbau von inneren Spannungen und die Möglichkeit der Sezession wiederum zwingt die Zentrale zu einer Politik für den Bürger, dem auf diese Weise mehr politische Entscheidungsgewalt zuwächst, als über Wahlen.

Leider läuft es in der Welt gerade andersherum, zumindest in der EU, wo wir einen erheblichen Drang zur Zentralisierung beobachten. Wer diesen Weg nicht mitgehen will, dem werden schnell die Folterwerkzeuge gezeigt und bei Renitenz werden sie auch angewendet. Es sei hier nur an den Brexit erinnert und die empörende Reaktion in Madrid auf das katalanische Bestreben nach Selbstbestimmung.

Dem wollen wir uns, mit unseren bescheidenen Mitteln und so gut es geht, aber mit aller Kraft, entgegenstellen. Helfen Sie mit, treten Sie im Sinne Hayeks und Mises für Freiheit und Selbstbestimmung ein und tragen Sie auf diese Weise, ganz ohne den Einsatz von Kriegsgerät, zum inneren und äußeren Frieden in dieser Welt bei.

Ihnen allen ein frohes Osterfest!
Ihr Dr. Reinhard Günzel

DER AUTOR

Dr. Reinhard Günzel ist Dipl.-Physiker im Ruhestand. Ab 2016 versammelte er libertär gesinnte Mitstreiter zu monatlichen Treffen, aus denen dann unser Hayek-Verein Dresden e.V. hervorging, dessen Vorsitzender er ist. Folgen Sie ihm auf Telegram: https://t.me/opakalypse

 

 

 

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