NAEB: „Vernichtung der Kohleverstromung ist grob fahrlässig“

Der Frequenz-Bruch vom 8. Januar 2021 — Grafik: transparency.entsoe.com/NAEB

Der Frequenz-Bruch vom 8. Januar 2021

Technische Details zum Verständnis eines Beinahe-Blackouts

Pressemitteilung des NAEB e.V. Stromverbraucherschutz. — Gütersloh, 21. Januar 2021

ENTSOE-Ereignis Zonen Split am 8. Januar 2021 (Südost und Rest) – Informationsstand: 20. Januar 2021. ENTSOE ist die Strom-Verbundzone Mittel-Europa /Vorderasien (Türkei), in der Frequenz, Phasensynchronität und Spannung gemeinsam über alle Regelzonen hinweg geregelt werden. Dieser Artikel enthält für einen Stromnetzbetrieb relevante technische Details. Allerdings sind diese hier zum Verständnis erforderlich, um wilden, teils abstrusen Theorien vorzubeugen.

_____

Inzwischen überschlagen sich Nicht-Mainstream Medien mit Beinahe-Blackout und Power-Hacking-Theorien frei nach Claus Schwab und anderen. Dieses kann man nur als Unsinn bezeichnen. Die Ursache wird von uns im Folgenden klar zugeordnet: Ein Strom-Draht wird auch im Winter heiß, wenn man ihm zu viel Amper (Strom) zumutet und dann fällt er aus. Eine Frequenzabweichung (einmal positiv, einmal negativ) nach einem Leitungsausfall wie hier geschehen, ist dann die zwangsläufige Konsequenz. Für diese hier eingetretene Konstellation zeigen wir 7 wichtige Randbedingungen auf. Das Ausbleiben von 7 (Stromsparempfehlung) hätte u.U. einen Blackout in Frankreich zur Folge haben können.

Konkret: Am 8.1. gab es in der Zone ENTSO um 13:05 Uhr UTC (14:05 MEZ) einen Frequenz-Bruch mit vermutlich Überschreiten der 200 mHz-(Milli-Hertz)-Abweichungs-Grenze, was zu einem automatischen Trennen der Zone führte, nachdem (vermutlich) eine Leitung in Rumänien überlastet wurde.

Nach Vorliegen weiterer Informationen zum Vorgang stellt sich heraus, dass dieser eine erhebliche Brisanz erhält und im Falle einer Wettersituation mit hoher Windstromeinspeisung in DE mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Blackout in zumindest 2 (von 4) Regelzonen geführt hätte.

Was waren die Randbedingungen für den Leitungsausfall:

1. Frankreich hat generell bedingt durch intensiven Elektroheizungseinsatz einen hohen Strombedarf im Winter und bezieht schon seit vielen Jahren im Winter bei Kaltwetterlagen viel Strom aus dem Ausland. Zusätzlich hat man in 2020 beide KKW-Blöcke Fessenheim ersatzlos abgeschaltet, was die Unterdeckung um ca. 1,8 GW vergrößerte.

2. Am fraglichen Tag herrschte eine Durchschnittstemperatur von um die Null Grad, was generell für die Zeit nicht besonders niedrig ist, aber in der Situation schon Unterdeckung bedeutete; es musste also von weit her zugekauft werden – siehe 5.letztlich blieb nur Osteuropa.

3. Die Engpass-Situation Frankreich wurde verschärft, weil die Stationen Bugey 3, Gravelines 3, Chinon 2, Cruas 1, Chooze 1 sich in Wartung befanden bzw. mit reduzierter Leistung liefen, was in Summe ca. 3 GW ausgemacht haben könnte.

4. Hauptexporteur nach Frankreich war für diese Jahreszeit in der Vergangenheit DE mit den nicht weit entfernten Braunkohlekraftwerken des rheinischen Reviers, aber auch NL aus mit seinen Gas-Kraftwerken.

5. In DE wurden auf Grund des in 2020 entschiedenen Kohleausstiegs u.a. die Kohlekraftwerke in Hamm und Hamburg (Blöcke Westfalen und Moorburg), mit rund 2,5 GW 7,5 Tage vor dem Beinahe-Blackout dauerhaft vom Netz genommen. Damit war die Sicherungsfunktion gemäß 4 nicht mehr gegeben.

6. Zum fraglichen Zeitpunkt war gemäß ENTSO die Versorgung in DE trotz einer für einen Freitagnachmittag vergleichsweise hohen Last exzellent gegen Lastschwankung, Störfall (n-1), und volatilen Strom aus Fakepower abgesichert bedingt durch einen Anteil an Dampfkraftwerksleistung von über 70%.

7. Am 7.1.wurde für die Französische Bevölkerung ein Appell zum Abschalten von Strom-Verbrauchern wegen erwarteter Strom-Engpässe zum 8.1. herausgegeben. Tatsächlich war der Verbrauch in Frankreich zum fraglichen Zeitpunkt um rund 2,5 GW unter dem Planwert (der 1 Tag vorher ermittelt wird).

Zum Verständnis ist im Bild links der Frequenzverlauf direkt nach dem Split dargestellt und rechts die Nahtstelle zwischen den Regelzonen Ost und West. Das Flattern in den letzten 50 Sekunden vor dem Split insbesondere im Osten deutet darauf hin, dass vor dem Leistungsabfall noch was anderes im Osten passiert sein muss. Aber es mag gut sein, dass das vertuscht wird, so wie auch 2006 bei dem Ems-Vorfall, der eine hohe Parallelität hat, die eigentliche Ursache vertuscht wurde.

Der Frequenzeinbruch mit der Netztrennung in Folge, führte zu einem Frequenzeinbruch im Westen um bis zu 270 mHz und zu einem Anstieg um bis zu 600 mHz im Osten. Eine Abweichung um mehr als 250 mHz führt zur Einleitung von Sicherungsmaßnahmen gegen Blackout, konkret hier also Zonensplit. Es ist anzunehmen, dass dieser Anstieg im Osten durchaus zu Störungen (lokalen Blackouts) geführt hat. Im Westen verlief das Absinken ohne mir bekannte Störungen.

Dieses Verhalten lässt unzweifelhaft darauf schließen, dass ein starker Stromfluss von Osteuropa nach Westeuropa zu dem Zeitpunkt bestand (was auch die Diagramme von transparency.ENTSO.com bestätigen), wegen der Stromnot in Frankreich, die letztlich aus dem Zusammenwirken von 1., 3., 4. und 5 resultierte.

Deutschland überstand wegen 6 die Situation mit Bravour und es entstand in Westeuropa insgesamt kein Blackout.

Nun folgt eine Szenario-Betrachtung?

1. Hätte die Temperatur in Frankreich bei –10 Grad gelegen, wäre zweifelsfrei der Strommangel so groß gewesen, dass es zu Zwangsabschaltungen in großem Stil in Frankreich gekommen wäre. Damit muss in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass die durch die Regierung Macron gegen die Empfehlung von EdF durchgesetzte Stilllegung von Fessenheim insbesondere unter Berücksichtigung des verantwortungslosen Vorgehens der deutschen Strompolitik mit der Vernichtung der Kohleverstromung zumindest leichtsinnig, eigentlich aber auch grob fahrlässig war.

2. Stellen wir uns vor, wir hätten in DE zum-Zeitpunkt eines gleichartigen Vorfalls die Versorgungsituation wie am 12.1.1:00 Uhr gehabt, also gerade mal 3 ½ Tage später. Da lag der Fakepower-Anteil (Wind + Biogas, siehe Definition unter https://www.naeb.info/Glossar.htm ) in DE bei über 70%. Damit wäre eindeutig nicht hinreichend Momentanreserve für das Durchfahren eines solchen Frequenz-Einbruchs im Netz gewesen mit der zwangsläufigen Konsequenz eines Blackouts. Das macht die Fehlentscheidung der deutschen Politik (Ausstieg aus der Kohleverstromung nach dem Kernkraft-Ausstieg) evident und zusätzlich muss man der BNetzA gröbstes Fehlverhalten vorwerfe - es kann nicht sein, dass man in einer Versuchsphase – so ist die gegenwärtige Versorgungsituation ja deklariert, einen Blackout mit u.U.- unvorstellbaren Kosten in Höhe von vielen Milliarden Euro und vielleicht sogar vielen Toten in Kauf nimmt, um nachzuweisen, dass das deutsche Stromnetz mit Fakepower betrieben werden kann (was nach Ansicht eines jeden ehrlichen Experten als unmöglich angesehen wird.

Außerdem ist in der BNetzA technische Kompetenz vorzuhalten: Inzwischen schreibt fast jede Zeitung von Momentanreserve, Schwungmassen und ähnlichem, was in der Kraftwerksbranche als 45% Dampfkraftwerkregel bezeichnet wird und noch am 2.3.2020 hat die BNetzA uns auf eine Nachfrage per Email folgendes mitgeteilt: Ausfallsicherheit des Stromnetzes bei Starkwind - 45 % Dampfkraftwerkregel" erhalten. Wir können Ihnen mitteilen, dass uns eine solche Regel mit einem bestimmten Prozentsatz erforderlicher Dampfkraftwerke im Verhältnis zur inländischen Last bzw. Last in einer Regelzone nicht bekannt ist. Die Systemverantwortung für den sicheren Betrieb des Übertragungsnetzes obliegt den Übertragungsnetzbetreibern Wir könnten dazu zurückfragen: Die Netzbetreiber haben die Versorgungssituation am 12.1. zugelassen. Sollen die etwa voraussehen können, dass in Rumänien eine Stromleitung unterbrochen wird. Es ist elementare Staatsaufgabe, die in jeglicher Hinsicht lebensnotwendige Stromversorgung sicherzustellen

Abschließend sei noch auf die Parallelität mit dem Vorfall am 4.11.2006 erinnert, Meyerwerft, Papenburg an der Ems: Damals wurde plangemäß eine Stromtrasse abgeschaltet und dann erfolgte eine unerwartete Zunahme von Wind Fakepower-Erzeugung wegen mangelhafter Windprognose (die übrigens heute noch genauso unsicher ist wie vor 15 Jahren) mit dem Split-Ergebnis – gemäß Bild unten (Wikipedia).

Damals gab es allerdings massive Blackouts in Frankreich, Italien und Spanien. Zweifelsfrei haben die vier deutschen Regelzonenbetreiber aus dem Vorfall gelernt, so dass sie heute schon Verstöße gegen die 45% Regel (s.o.) in ihren Regelzonen zulassen in Kenntnis der Situation in ihrer Zone. Und außerdem haben sie ´die Verantwortung für den Fall n-1 (eine vitale Komponente fällt aus) außerhalb ihres Regelbereiches nicht zu tragen.

Aber hier nun das Bild zum damaligen Zonensplit, wobei auch damals eine stabile Versorgungslage in den Zonen Amprion und ENBW-Netz bestand; und in der Tennet-Zone hat damals die Veränderung im Pump-Betrieb und ein radikaler Shutdown der Windkraft-Anlagen den Frequenzsprung nach oben verhindert. Ich bin damals durch die Regionen bis nach Wilhelmshaven gefahren und es standen 12 Stunden später noch fast alle Windkraftanlagen still.

Und nun zum Vergleich:

Natürlich sind die Ursachen unterschiedlich, einmal war es die Stromnot Frankreichs, kombiniert mit dem Vernichten der deutschen Kapazität, damals war es das Überborden des Windstroms in einem Erzeugungsbereich. Das gemeinsame Problem ist, dass man Ampere (Strom) über große Strecken transportieren will/muss (Man beachte die deutschen Bemühungen um die Nord-Süd-Trassen).

Und das ist ja das, was die deutsche/EU-Politik als das Maß der Dinge der Energiewende ansieht. Und die Faustformel bleibt weiterhin: Bei einem 400 kV-Netz wird der Strom im Umkreis von 200 km erzeugt.

Das oben gezeigte Szenario (2) ist zwar nur eine Hypothese, die jedoch jederzeit zur Wirklichkeit werden kann. Dass man bei der BNetzA die 45%-Regel nicht kennt, ist ein Armutszeugnis, das zeigt, wie grob fahrlässig dort gearbeitet wird. Konstruktive Kritik im Sinne der Blackout-Vermeidung an der sogenannten Energiewende wird in Deutschland von den Verantwortlichen nicht akzeptiert. So bleibt nur der Weg, abzuwarten bis sich der GAU (Blackout) einstellt.

DER VEREIN

Die Webseite des NAEB e.V. Stromverbraucherschutz enthält noch weitere Informationen und Hintergründe zum Thema. Erster Vorsitzender: Heinrich Duepmann (Gütersloh), Zweiter Vorsitzender: Dr. Thomas Fix (Lübbecke), Leiter Öffentlichkeitsarbeit: Prof. Dr.-Ing. Hans-Günter Appel.

 

 

 

Zurück