Peter Boehringer: Plädoyer für weniger Staat und weniger Zentralbanking
Man kann sich nicht reich drucken
Falschgeld korrumpiert auf Dauer alle Institutionen
Von Peter Boehringer. — Dokumentiert am 3. August 2020
Gastbeitrag im Smart-Investor 8/2020:
Plädoyer für weniger Staat und weniger Zentralbanking
Die USA steuern 2021 auf ein Budgetdefizit von fast 3,0 Bio. USD zu. Bei einem Gesamthaushalt 2020/21 von etwa 4,8 Bio. USD entspricht das 62%! Die unten stehende Grafik des jährlichen US-Budgetdefizits (in Mrd. US-Dollar) verdeutlicht die drastische Dimension sehr eindrücklich.
Wie auch in Europa landen große Teile dieser 3 Bio. USD bei der Zentralbank – die Fed betreibt also eine (fast) direkte Staatsfinanzierung des US-Haushalts.
Die klassische Finanzierung über Steuern ist hier inzwischen fast vernachlässigbar. In diesem Umfeld braucht es eigentlich konsequenterweise keine Steuern mehr – und es besteht auch kein Grund, warum (wahlweise) linksgründemokratische oder republikanische Geldsozialisten bei solcher fast absoluten Staatswirtschaft noch irgendwie sparen sollten.
Natürlich ist das alles endlich – es gibt nirgendwo ein „free lunch“. Man kann sich nicht reich drucken. Und doch haben sich Etatisten jeder Couleur in diesem Wahnsinn eingerichtet, der nur zum völligen Kollaps aller Währungen sowie der Marktwirtschaft führen kann!
Für Europa haben wir zusammen mit einem privaten Sponsor am 22. Juni ein warnendes Plädoyer als Anzeige in der internationalen Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) geschaltet (siehe hier). Ohne Umsteuern fährt auch unsere Gesellschaft mit 300 km/h gegen eine Wand namens „ökonomische Naturgesetze“. Die in Europa aus sehr gutem Grund verbotene monetäre Staatsfinanzierung durch die EZB muss beklagt werden. Wir tun das nicht nur rhetorisch, sondern ziehen dagegen sogar vor das Bundesverfassungsgericht, denn auch die EZB agiert billionenschwer und illegal.
Peter Boehringer, Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags
Zuerst erschienen als Gastbeitrag im Smart-Investor 8/2020: PDF auf der Webseite von Peter Boehringer
Anzeige in der Neuen Zürcher Zeitung:
Mehr Europa durch weniger EU: Die Marktwirtschaft muss erhalten bleiben!
Der freie Handel mit wertstabilem Geld in einem rechtsstaatlichen und frei denkenden Umfeld ist Voraussetzung für Wohlstand und dieser wiederum Voraussetzung für allgemeine Freiheit. Nach aller geschichtlichen Erfahrung darf eine Gesellschaft keine der Eingangsgrößen gutes Geld, Rechtssicherheit, Marktwirtschaft und freie Rede gefährden – will man nicht alle vier gefährden. Leider geschieht genau dies derzeit umfassend – wahlweise verfügt von selbsternannten Eliten oder aus systemischen Zwängen heraus.
Die ökonomische und zugleich gesellschaftliche Ursünde war die Entkopplung des US-Dollars und damit aller anderen Weltwährungen vom Wertanker „Gold“. Mit diesem Akt von US-Präsident Nixon am 15. August 1971 wurden alle bis dahin gültigen Versprechungen auf Tausch des Papiergelds gegen einen Realwert über Nacht gebrochen. Geld repräsentiert seitdem keine „geronnene Arbeit“ mehr.
Die Folgen der dadurch ermöglichten hemmungslosen Kreditschöpfung sind inzwischen unübersehbar. Der US-Dollar hat seit 1971 über 97%, der Euro seit 1999 mehr als 80% der Kaufkraft verloren – gegen Gold.
Mit der Aufgabe des vom Markt, d.h. von Milliarden Menschen über Jahrhunderte hinweg bevorzugten Edelmetallgeldes wurde erstmals eine versteckte Umverteilung von Realwerten möglich, zugunsten der Erstempfänger der heute von den Notenbanken im Monatstakt erzeugten Billionen.
Bei den absehbaren Zuwächsen an Zentralbankgeldmengen von zehn Billionen Dollar alleine nur im laufenden Jahr geht jedes Maß verloren: Mit Scheingeld wird alles käuflich, verzerrt; dem schönen Schein gehorchend: Die Herren des „realen Falschgeldes“ können Aktien kaufen, Zinssätze manipulieren und so Immobilienblasen erzeugen, Demonstranten kaufen, Politiker bestechen, Lehrer ideologisch indoktrinieren, Wissenschaftsergebnisse über „Fördergelder“ kaufen, jedwede Marktmanipulation erzeugen und dank unendlich tiefer Taschen länger als alle anderen durchhalten – und so letztlich alle Märkte sowie die Gesellschaft auf Abwege führen. Genau diese Entwicklung erleben wir heute – nicht erst durch Corona – aber dadurch noch massiv beschleunigt.
Falsche materielle Werte bringen falsche moralische und ethische hervor. Jede zusätzliche Billion an legalem Falschgeld korrumpiert auf Dauer alle Institutionen und verzerrt letztlich jede objektive Berichterstattung.
Alleine für die vermeintlichen Rettungsaktionen im Zuge der überwundenen Corona-Krise haben die EZB, die EU und Deutschland mehr als drei Billionen Euro geschöpft bzw. Neu-Schulden aufgenommen. Diese horrende Summe wird planwirtschaftlich umverteilt von politischen Planbürokraten, die dafür weder kompetent sind noch über Informationen bezüglich der hoch komplexen Folgewirkungen verfügen. Selbsternannte und oft ungewählte Sozialingenieure streben Ergebnisse an, die sie niemals herbeiführen können, weil gute wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Ergebnisse das unplanbare Resultat menschlichen Handelns sind. Irrtümer eingeschlossen. Nobelpreisträger Friedrich v. Hayek wusste, dass es unmöglich ist, alles relevante Wissen über Produktion und Bedürfnisse von Marktteilnehmern zu zentralisieren. Zentralverwaltungswirtschaft kann und wird niemals funktionieren – auch nicht, wenn sie guten, „sozialen“ Zwecken zu dienen vorgibt.
Seit 1971 manipulieren die Zentralbanken als planwirtschaftlicher Fremdkörper in einem angeblich marktwirtschaftlichen System den Zins als zentraler Steuerungsgröße allen Wirtschaftens. Seitdem leben wir in einem Scheingeld druckenden „Geldsozialismus“ (Roland Baader), denn nach Abzug gewaltiger Seigniorage-Gewinne, Verwaltungskosten und Korruptionsversickerungen wird ein kleiner Teil der ungedeckten neuen Geldmengen „sozial“ umverteilt. Nur ein ungestörter Preisfindungsmechanismus ist in der Lage, spontane „Wissensteilung“ und damit effiziente Arbeitsteilung zu ermöglichen. Planwirtschaft mit monopolistisch erzwungenem, ungedecktem Scheingeld ist ineffizienter als Marktwirtschaft mit wertstabilem Geld. Ohne Effizienz gibt es aber keine Spielräume für sozial wohltätige Umverteilung zugunsten von Schwachen und Armen. Man kann nur verteilen, was man zuvor effizient erwirtschaftet hat!
Die Entwicklungen des aktuellen Weltfinanz- und Gesellschaftssystems sind inzwischen auf vielen Ebenen aus dem Ruder gelaufen und führen überall zu massiven Fehlentwicklungen. Besonders perfide ist, dass Umverteiler und Planzentralisten die Schuld am kommenden Zusammenbruch des Scheingeldsystems schon heute der angeblich bösen Marktwirtschaft (wahlweise: „dem Kapitalismus“) in die Schuhe schieben wollen. Fallen wir bitte auf diese Täuschung nicht herein: Falsches Geld führt zu falschen Ideen: Wir leben heute in EUropa in einer Welt der „Green Deals“, der hinter riesigen „Garantien“ versteckten Insolvenzverschleppungen, der unkontrollierten Zuwanderung, des planwirtschaftlichen Machbarkeitswahns bis hin zur Beglückung der ganzen Welt mit Billionen an Scheingeld der EZB und des „Wiederaufbau-Fonds“ von Frau Merkel und Herr Macron. Soziale Wohltaten auf fremder Leute Kosten haben keinen moralischen Wert.
Der Schweiz und inzwischen auch Großbritannien kann man nur gratulieren, dass sie sich von diesem Wohlstands- und inzwischen Friedensgefährdenden Eliten-Konstrukt fernhalten! Immer mehr deutsche Bürger jenseits des Raumschiffs „Berlin-Mitte“ sehnen sich heute nach Freiheit und Frieden ohne diese EU. Der Brüsseler Leviathan wird immer gefräßiger und damit totalitärer. Inzwischen frisst er die Grundlagen einer friedlichen und wohlhabenden Gesellschaft. Verteidigen wir darum das Recht, den Markt, die Freiheit, sowie das unzensierte Wort. Jeder an seinem Platz, furchtlos – mit der nötigen Zivilcourage. Für uns, unsere Kinder und für die folgenden Generationen.
Peter Boehringer, 30. Mai 2020
Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender des Haushaltsausschusses
Erschienen in: Neue Zürcher Zeitung international, Montag, 22. Juni 2020 • Nr. 142 • Seite 4: PDF auf der Webseite von Peter Boehringer
DER AUTOR
Peter Boehringer ist ein ehemaliger Vermögensberater, Gründungsvorstand der Deutschen Edelmetall-Gesellschaft und Initiator der international gewürdigten Kampagne „Holt unser Gold heim!“, welche die Repatriierung von 50% der deutschen Goldreserven zur Folge hatte. 2015 veröffentlichte Boehringer dazu ein gleichnamiges Buch, welches im Finanz-Buch Verlag erschien. Der Diplom-Informatiker und Diplom-Kaufmann (European Business School, Oestrich-Winkel) arbeitete nach dem Studium bei der internationalen Strategieberatungsfirma Booz Allen Hamilton Inc. sowie der britischen Private-Equity-Gesellschaft 3i plc. Seit 2003 veröffentlicht Boehringer regelmäßig Artikel zu finanzpolitischen Themen und hält Vorträge zur Euro- und Geldsystemkrise sowie weiteren wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen. Er ist Kurator der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ), Unterstützer und Verbreiter der marktwirtschaftlich orientierten Ideen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, seit 2012 Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft sowie seit 2013 Träger der klassisch-liberalen Roland Baader-Auszeichnung.