Peter K. Jaensch über Politik und Rundfunk in Deutschland

Lehrer Lämpel aus „Max und Moritz“ (1865) von Wilhelm Busch — Foto: Wikimedia; Julka Wild/Pixabay

Glaube nichts, hinterfrage alles!

Um einen Staat beherrschen zu können, braucht man das Militär und ein „politisches Führungsmittel“.

Von Peter K. Jaensch, M.Ed. — Dresden, 12. Dezember 2022

Das Leitbild des freien und verantwortungsbewussten Menschen ist das Ideal demokratischer Gesellschaften. Der Bürger soll so autonom sein, dass er sich nicht ohne weiteres vorherrschenden Meinungen anpasst. Gleichzeitig soll er sich sozial engagieren und für gesellschaftliche Belange einsetzen. Dieses sensible Kräftespiel scheint sich in den letzten Jahrzehnten verändert zu haben.

Martin Hubert in einem Deutschlandfunk-Artikel zu „Freiheit und Verantwortung“ vom 1.3.2007 [1]


Die Menschen in Deutschland haben sich an das seit Jahrzehnten unaufhaltsame Vordringen der Staatsgewalt über alle gesellschaftlichen Bereiche mit der Einengung, ja Auslöschung ihrer Eigenständigkeit gewöhnt. Sozialisation und Medien haben ihnen die für diese schleichende Entdemokratisierung notwendigen Ansichten, Gedanken und Ideologien vermittelt.

Wenn es heißt, Deutschland ist ein Rechtsstaat, eine parlamentarische Republik oder eine Demokratie, so kann die Antwort darauf nur sein: Glauben Sie nichts, hinterfragen Sie alles! Wer weiß schon, daß Deutschland von 1919 bis 1945 eine parlamentarische Republik war, die sich auch ohne eine offizielle Außerkraftsetzung ihrer Verfassung in eine Diktatur gewandelt hat? Ob das ein zweites Mal passieren kann, das gilt es hier zu untersuchen.

Als das Internationale Olympische Komitee die Spiele am 13. Mai 1931 an Deutschland vergab, ahnte noch niemand, daß die Weimarer Republik 1936 eine parlamentarische Republik ohne Demokratie sein würde. Auch damals galt: Freiheit ist keine Einbahnstraße, sondern eine Verpflichtung, die Staat und Volk gleichermaßen fordert. Um dieses Verhältnis aber in seinem Sinne zu gestalten, braucht der Staat den Rundfunk.

Im staatlichen Bereich geht es der Politik um die Durchsetzung bestimmter Ziele und Zwecke und um die Beeinflussung von Verhalten und Handeln von Individuen, Gruppen und Organisationen. Im demokratischen System findet die Politik ihre Legitimation letztlich in der Zustimmung der Betroffenen, in totalitären Systemen wird sie aus der herrschenden Ideologie abgeleitet. Dabei sagt die Staatsform nichts oder nur wenig über das tatsächliche Herrschaftssystem aus. Als „Republiken“ war beiden deutschen Diktaturen gemeinsam ihre Gegnerschaft gegen die moderne repräsentative Demokratie mit Parlament, Gewaltenteilung, Pluralismus von Parteien und Verbänden sowie den unantastbaren Freiheitsrechten des Einzelnen gegenüber dem Staat.

Schaffung eines „neuen Menschen“

Uns Deutschen wohnt ein Hang zum Obrigkeitsstaat und zur Untertänigkeit inne. In einer totalitären Diktatur kann man uns leichter regieren, denn es werden die hinderlichen menschlichen Grundrechte, insbesondere die Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, die Freiheit der Presse, von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre beseitigt. Auch die freie wirtschaftliche Betätigung wird mehr oder weniger eingeschränkt; an die Stelle einer freien Marktwirtschaft tritt eine Zentralverwaltungswirtschaft. Das Ziel dabei ist die völlige, radikale und permanente Umgestaltung von Staat und Gesellschaft bis hin zur Schaffung eines „neuen Menschen“.

Als Multiplikator hierfür im Bildungsbereich ist der Rundfunk von der britischen Besatzungsmacht gegründet worden, um dem Bürger wichtige Informationen und das entsprechende Wissen vorzuenthalten. Es sollte das verhindert werden, was nach Meinung von Historikern zur Abschaffung der Demokratie in Deutschland geführt hat: die Teilhabe des Volkes! Was als Voraussetzung einer Demokratie definiert wird, nämlich die Teilnahme des Staatsvolkes an der Ausübung der Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen, wird als der Anfang von ihrem Ende in Deutschland angesehen. Nach der Rückgängigmachung der Wahl des FDP-Ministerpräsidenten im Freistaat Thüringen 2020 sowie den Unregelmäßigkeiten bei der Bundestagswahl und der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus in der Bundeshauptstadt Berlin 2021 muß die Frage erlaubt sein, ob Deutschland eine Demokratie ist.

Will man eine Nation an eine Staatsform binden, die wie die Demokratie den mündigen Bürger erfordert, so muß man ihn sich selber eine Meinung bilden lassen. Im „besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“ [2] ist das aber nur eingeschränkt möglich. Allein die freie Auswahl an Themen und die wirkungsvolle Gestaltung einer Rede gelten in Deutschland als unerwünscht und werden als Angriff auf den öffentlichen Frieden sowie als Delegitimierung des Staates strafrechtlich verfolgt. Damit setzt man einen willkürlichen Staatswillen gegen den Willen des Staatsvolks durch. Eine funktionierende Demokratie geht aber von unten nach oben und nicht umgekehrt. So begegnen wir wieder einmal in Deutschland dem Widerspruch zwischen Staatsform und Herrschaftssystem.

Welche Rolle spielt nun der öffentliche-rechtlicher Rundfunk ÖRR in Deutschland? Zum Rundfunk gehören der in Deutschland seit dem 29. Oktober 1923 bestehende Hörfunk und das Fernsehen. Der Rundfunk ermöglicht es den Bürgern, die Gesellschaft zu beobachten und an ihr teilzunehmen. Die große Bedeutung des Rundfunks als Informations- und Kommunikationsdienst sieht man daran, daß eines der ersten Handlungen der alliierten Mächte nach der Kapitulation der Wehrmacht ihr am 8. Mai (!) 1945 ausgesprochenes Verbot der Verwendung des Rundfunks durch einen kleinen Kreis von Beamten und Offizieren um den Großadmiral Karl Dönitz in Flensburg war [3]. Schließlich braucht man das Militär und den Rundfunk um einen Staat beherrschen zu können. Ähnlich sah der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer im Rundfunk ein „politisches Führungsmittel“ und versuchte seit den 1950er Jahren, den Einfluß des Bundes in der bestehenden Rundfunkordnung zu stärken. Er strebte den Aufbau eines Fernsehsenders mit gesetzlichen Vorgaben des Bundes unter Beteiligung interessierter private Kreise an [4].

Rundfunk als „politisches Führungsinstrument“

Um eine erneute Machtballung durch einen starken Zentralstaat in Deutschland zu verhindern, etablierte sich der Rundfunk im westlichen Teil Deutschlands nach dem Krieg in der Zuständigkeit der Länder. Damit bundeseinheitliche Regelungen für das Rechtsverhältnis zwischen dem Rundfunk und seinen Nutzern gelten konnten, schlossen die 16 deutschen Bundesländer einen „Staatsvertrag“ ab. Dabei sollte die Bevölkerung, die man wohlweislich vorher dazu nicht befragt hatte, an einen mit einem erzieherischen Auftrag ausgestatteten Rundfunk gebunden werden. Zu diesem Zweck benutzte man die Rechtsform des öffentlichen Rechts. Im Gegensatz zum Zivilrecht, wo Rechtsgleichheit zwischen den Parteien herrscht, stellt das öffentliche Recht den Bürger in ein Unterordnungsverhältnis zum Staat. Diese Rechtsform gibt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglichkeit, dem Bürger gegenüber von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen. Somit kann sich der ÖRR auf dem Verwaltungsweg durch eine strafbewehrte Gebühr finanzieren.

Die Verwaltungsgerichte lassen das unter dem Zivilrecht als Gesellschaft mit beschränkter Haftung firmierende Inkassobüro des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Köln („Beitragsservice“ genannt) unbeanstandet Bescheide verschicken und somit Amtshandlungen durchführen, während das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dem ÖRR die Finanzierung über eine Steuer verweigert, um den Anspruch seiner Staatsferne und dienenden Funktion aufrecht zu erhalten.

Da die Judikative diesen Handlungen der Exekutive und Legislative in einer rechtlichen Grauzone, in der man zwischen Legalität und Illegalität kaum unterscheiden kann, nicht Einhalt gebietet, ist hiermit der erste Schritt in einen autoritären deutschen Obrigkeitsstaat bereits getan. Gegen diese Untätigkeit der richterlichen Gewalt helfen Eingaben an die Volksvertreter in den Länderparlamenten, öffentliche Kundgebungen und Runde Tische.

Am besten wäre es, wenn niemand mehr Geld an den Beitragsservice in Köln überweisen würde, da er dann wie sein Vorläufer, der Großdeutsche Rundfunk – als das einheitliche Hörfunkprogramm des nationalsozialistischen Deutschen Reichs – in seiner jetzigen Form morgen schon wieder Geschichte wäre. Daher: glaube nichts, hinterfrage alles! Entschließe dich zur Einsicht und fange an! Denn, so wie du bist, so ist auch dein Staat.

QUELLEN

[1] https://www.deutschlandfunk.de/freiheit-und-verantwortung-102.html (abgerufen 12.12.2022)
[2] https://www.rnd.de/politik/steinmeier-wir-leben-im-besten-deutschland-das-es-jemals-gegeben-hat-79e657f9-a7b2-4fc8-b330-3a6eddfd5622.html (abg. 12.12.2022)
[3] Karl Dietrich Erdmann: „Das Ende des Reiches. Von der Kapitulation bis zur Einsetzung des Kontrollrats (8. Mai – 5. Juni 1945“ in „Das Ende des Reiches und die Neubildung deutscher Staaten“, Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte Bd. 22, Seite 35, München 9. Aufl. 1999.
[4] https://www.deutschlandfunkkultur.de/verbot-des-adenauer-fernsehens-102.html (abg. 12.12.2022)

DER AUTOR

Peter K. Jaensch, zehn Jahre Lektor im Zeitungs- und Zeitschriftenarchiv des ZDF. Magister der Erwachsenenbildung und Personalentwicklung. Weitere Artikel zum Thema „Rundfunk und Rundfunkbeitrag“ auf den Netzseiten des Dresdner Hayek-Vereins. — Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Vereins wieder und werden hier als Diskussionsbeitrag veröffentlicht.

 

 

 

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