Reinhard Günzel: Ein Bericht vom Forum Freiheit 2021

— Foto: hayek-de

Raubzüge auf das Eigentum lassen nichts Gutes erahnen

Freiheitsfeindliche Tendenzen in unserer Gesellschaft

Von Reinhard Günzel. — Dresden, 29. November 2021

Das „Forum Freiheit“ ist eine lockere Allianz von verschiedenen Organisationen und Vereinen, deren Ziel eine allgemeine Werbung für die Idee der Freiheit oder für die Realisierung der Freiheit in bestimmten Einzelbereichen (z.B. im Bildungswesen, im Gesundheitswesen) ist. Die Träger treffen sich in der Regel ein bis zwei Mal pro Jahr zu einer öffentlichen Veranstaltung, in der in Vorträgen und Diskussionen Freiheitsthemen behandelt werden. Das aktuelle Treffen fand als Tagesveranstaltung am 17. November 2021 mit etwa 50 Teilnehmern in einem Potsdamer Hotel statt.

Ein Forum Freiheit in Zeiten von Corona tut not, mehr als sonst. Seine Freiheit einzufordern, die ja nie weiter als eine Generation entfernt ist, erfordert Mut. Die Freiheit in Deutschland ist in Bedrängnis geraten, wie die mehr und mehr verschärften Maßnahmen gegen Ungeimpfte belegen. Am Verhältnis zur Freiheit lassen sich die Bruchlinien unserer Gesellschaft ablesen, denn ein großer Teil der Gesellschaft, wahrscheinlich sogar der größere, ist bereit, die Freiheit zugunsten der Sicherheit zu opfern. Jener, von den Regierenden in Aussicht gestellten trügerischen Sicherheit, die ohne Anstrengungen zu erlangen wäre, wo sich der Einzelne lediglich den Anweisungen der Obrigkeit zu fügen hätte.

Hierzu passend und ganz im Sinne von Rousseaus Staatsverständnis, der Blaupause aller kollektivistisch-sozialistischen Massenbeglückungs- und Terrorregime, weiß und weist der Staat und seine Helfer, die unterwürfigen Lakaien aus Wissenschaft und Medien vorneweg, weist dieser Staat in seiner Unfehlbarkeit den einzig richtigen Weg in allen Krisen der Gesellschaft und eben auch im Krieg gegen das Coronavirus.

Aus dieser Logik heraus wird aus einem grundgesetzlich garantiertem Abwehrrecht der Bürger gegen einen übergriffigen Staat, wie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, wird so eine der schärfsten Waffen für staatliche Willkür geschmiedet, wie erst jüngst das „Klimaurteil“ des Bundesverfassungsgerichts eindrucksvoll zeigte, das damit auch richtungweisend die rechtliche Konstruktion auf dem Weg in die angestrebte Impfpflicht vorgibt.

Man befindet sich ja im Krieg

Derart ideologisch aufgebürstet, scheint es legitim, Grundrechte einzuschränken oder gleich ganz außer Kraft zu setzen. Denn man befindet sich ja im Krieg, wenn auch nur mit einem Virus. Reihenweise fallen das Recht auf Meinungsfreiheit, das Demonstrationsrecht, das Recht auf Unverletzlichkeit der eigenen Person, es wird die Bewegung im öffentlichen Raum eingeschränkt, es werden gegen Widerborstige durch die Hintertür Berufsverbote verhängt. Ja, es wird – ohne rot zu werden – diskutiert, Bürgern die medizinische Versorgung zu verweigern.

Mit unglaublicher Geschwindigkeit und Konsequenz spielt sich so vor aller Augen die Umwandlung eines freiheitlichen Gemeinwesens in ein kollektivistisches Zwangssystem ab. Corona ist hier nur ein Teil des Spiels, genannt Great Reset und markiert zusammen mit Klimarettung, Einwanderung, Diversität, Identitätspolitik, sozialer Gerechtigkeit, – um nur die geläufigsten zu nennen–, jene Politikfelder, aus denen heraus der Kampf für die umfassende Transformation der Gesellschaft geführt wird. Am Ende dieser Transformation wird wohl Roland Baaders Vision einer kollektivistischen Gleichheit wahr werden, werden wir alle in einer durch heuchlerische Moralvorstellungen geprägten Gesellschaft als Penner durch die Straßen irren. Glücklich, wem hier die Gnade der frühen Geburt zuteilwurde.

Ein „Forum Freiheit“ ist heute wichtiger denn je

Prof. Stefan Kooths vom IfW in Kiel warnte in seiner Eröffnungsrede anhand der „Fridays for Future“ vor freiheitsfeindlichen Tendenzen in unserer Gesellschaft, wo mit dem ausgerufenen Katastrophenfall rechtsstaatliche, demokratische Entscheidungsprozesse zugunsten autoritären Handelns ausgehebelt werden, was ein Abgleiten in den Totalitarismus ermöglicht. Deren Parole „burn capitalism not coal“ sei freiheitsfeindlich und richte sich gegen die Grundlagen der Marktwirtschaft.

Mit all diesen antimarktwirtschaftlichen, antifreiheitlichen Ideologien habe sich Hayek bereits in seinem 1960 erschienenen scharfsinnigem Jahrhundertwerk „Die Verfassung der Freiheit“ auseinandergesetzt und dargelegt, wie eine Gesellschaft zum größtmöglichen Wohl aller zu organisieren sei. Ein von Prof. Gerd Habermann veröffentlichter Essay über Hayeks Werk aus heutiger Sicht findet sich unter der Überschrift „50 Jahre Verfassung der Freiheit“ auf der Webseite des liberalen Instituts Zürich (Link)

In der ersten Paneldiskussion zwischen den Professoren Bernd Lucke (Uni Hamburg), Stefan Kooths und Erich Weede (Uni Köln/Bonn) zu Deutschland im Standortwettbewerb war man sich einig, daß Staaten um die Ansiedlung produzierender Unternehmen konkurrieren, denn die schaffen Einkommen für die Beschäftigten und erwirtschaften Gewinne. Beides läßt sich besteuern, was den Standortwettbewerb befeuert. Prof. Lucke, der sich sehr mit den Standortbedingungen in China beschäftigte, hob hervor, daß jedes Land spezifische Standortvorteile besitze, selbst der Südsudan.

Staaten stehen im Wettbewerb zueinander

Bestechend klar und überzeugend waren die Ausführungen von Prof. Weede zum Standortwettbewerb. Politische Einheiten, also Staaten, stehen generell im Wettbewerb zueinander, was sich ja auch im Standortwettbewerb ausdrücke. Doch gibt es eine zunehmende Tendenz, den Wettbewerb zwischen politischen Einheiten abzuschwächen, sei es durch Formierung immer größerer Staatenverbünde, Währungsräume oder Absprachen und Verträge, wie zu Mindestlöhnen und -Steuern. Für Prof. Weede eine fatale Entwicklung, hält er doch den Wettbewerb zwischen politischen Einheiten für weitaus bedeutsamer, als den Wettbewerb zwischen Unternehmen, bei denen Fehlentscheidungen der Unternehmensleitung auch bei minimalem Wettbewerb immer durch den Markt schonungslos offengelegt und sanktioniert werden, äußerstenfalls den Bankrott des betroffenen Unternehmens erzwingen. Wobei die Auswirkungen von Fehlentscheidungen aber in erster Linie auf das Unternehmen begrenzt bleiben.

Ganz anders bei den politischen Einheiten, deren Entscheidungsträger in den westlichen Staaten sich in einer Parteiendemokratie organisiert haben. Ihr Personal betreibt mehrheitlich Politik als Beruf, oft die einzige nachweisbare Befähigung. Der einzelne Politiker muß daher seine politischen Entscheidungen an der Erwartungshaltung des ihn in die Parlamente wählenden Klientels ausrichten. Nur so kann er auch für die Zukunft auf Wiederwahl und damit Alimentierung hoffen.

Fehlentscheidungen in Bezug auf die Gesellschaft als Ganzes oder auch nur den Standort können dabei nicht ausbleiben, sind systemimmanent. Doch anders als Unternehmen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb haben Politiker die Möglichkeit, Fehlentscheidungen zu verschleiern und zu vertuschen. Politiker können mit Hilfe der Medien ihre Entscheidungen positiv propagieren, Kritiker abbügeln und Wähler manipulieren. Hier sind die Standortbedingungen ein wichtiger Indikator dafür, welche politischen Entscheidungen der Regierungen und Parlamente im Vergleich zu anderen Staaten besser sind. Letztendlich kann aus den Standortbedingungen abgeleitet werden, welches politische System im Wettbewerb überlegen ist.

Entdeckungsverfahren für das bessere System

Ein weiteres Argument für die Wichtigkeit des Standortwettbewerbs sind die Auswirkungen politischer Fehlentscheidungen, die für die betroffenen Gesellschaften regelmäßig auch größer und schwerwiegender als die Fehlentscheidungen einzelner Unternehmensführer sind. Standortwettbewerb läßt das Entdeckungsverfahren für das bessere politische System wirken. Die logische Schlußfolgerung ist die Forderung nach mehr und nicht weniger Eigenständigkeit der Staaten in der EU, mehr Föderalismus in Deutschland und mehr kommunale Eigenverantwortung in den Ländern.

Daß wir uns derzeit eher genau in die andere Richtung bewegen, läßt sich am Fraserindex ablesen. Deutschland ist hier weltweit von Rang 6 auf über 20 abgerutscht. Lediglich beim Eigentumsschutz behauptet Deutschland noch den Platz 6. Aber gerade die Diskussionen zu Enteignungen und weitere als Steuer getarnte Raubzüge auf das Eigentum lassen für die Zukunft nichts Gutes erahnen.

Im zweiten Panel, geleitet von Smartinvestor Ralf Flierl gaben die Professoren Thorsten Polleit vom Mises Institut und Gunther Schnabl von der Uni Leipzig Antwort auf die Frage „Inflationsdruck – gekommen um zu bleiben?“ Auf dem Podium herrschte Einigkeit, die Frage kann bejaht werden. Ebenso herrschte Einigkeit, daß wir uns auf eine Inflationsrate zwischen 5 und 10 Prozent einstellen müssen, also nahezu auf geldpolitische Verhältnisse wie in der Türkei. Das Schweigen von Frau Lagarde zur Inflation wurde als Inkompetenz gedeutet, denn die Hoffnung, daß sich die Inflation durch einen wirtschaftlichen Aufschwung von selbst erledigen würde, erfüllt sich offenbar nicht.

Trotzdem in naher Zukunft kein großer Krach

Das einzige geldpolitische Mittel, die Inflation zu stoppen, wäre eine Anhebung der Zinsen, was aber zum Staatsbankrott in Südeuropa und zu Krisen im restlichen Europa führen würde. So bleibt der Zentralbank nichts weiter übrig, als mit immer neuen Aufkäufen von Staatsanleihen zwar keine offene, aber doch offensichtliche Staatsfinanzierung zu betreiben.

Es wird trotzdem in naher Zukunft nicht zum großen Krach kommen, denn im Zusammenspiel von Regierungen und Zentralbanken sind noch nicht alle Möglichkeiten zur Abwehr eines Zusammenbruchs erschöpft. Geläufige Beispiele sind: Regulierung des Goldhandels, Kapitalverkehrskontrollen, Zwangshypotheken, Erhöhung der Erbschaftssteuer usw., sowie eine verstärkte Einflußnahme des Staates auf die Wirtschaft, wie gehabt über Abgaben und Subventionen und in Zukunft verstärkt durch direkte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft.

Im letzten Panel wurde durch Roman Zeller von der Weltwoche „Was wird aus der Meinungsfreiheit?“ gefragt. Meinungsfreiheit, die man bekanntlich hat oder über die man ansonsten spricht. Die Diskussion wurde sehr von Joachim Steinhöfel dominiert, der über eine Reihe von Gerichtsverfahren berichtete, bei denen er Mandanten vertrat, deren Recht auf Meinungsfreiheit verletzt worden war. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, unabdingbar um in offener Diskussion Antworten auf neue Herausforderungen zu finden und Lösungsansätze zu diskutieren. Der Darlegung immer neuer Fälle von Gerichtsverfahren wegen Verletzung der Meinungsfreiheit zuzuhören war verstörend. Es ist wirklich schockierend, wieweit die Meinungsfreiheit in Deutschland bereits eingeengt ist.

Unpassend zum verengten Meinungskorridor

Zu diesem Befund paßte der andere Gast auf dem Podium, die Rocksängerin Alexia Rodrian. Nach eigener Darstellung links orientiert und bis vor kurzem mit einem dem linken Meinungsspektrum angehörenden Freundeskreis verbunden, den sie gerade eben, plötzlich und unerwartet verloren hatte, nur wegen ein paar, nicht ganz in den verengten Meinungskorridor passender Äußerungen.

Deutschland ist zweifellos immer noch ein freies Land, gehört im internationalen Vergleich auch zur Gruppe der Länder mit einem hohen Grad an Freiheiten. Ob das auch in der Zukunft so bleiben wird, scheint eher fraglich zu sein, denn immerhin war Deutschland noch vor wenigen Jahren bedeutend freier verfaßt. Die jüngsten öffentlich diskutierten Vorschläge zur Bekämpfung der Coronapandemie belegen ausdrücklich diese Einschätzung. Wie ist es also um die Freiheit in Deutschland bestellt? Da haben wir wohl längst eine ausgewachsene Notlage von nationaler Tragweite.

Mehr Freiheit wagen!

HINWEIS

Alle Vorträge/Diskussionen unter www.hayek.de/pec-events/forum-freiheit

DER AUTOR

Dr. Reinhard Günzel ist Dipl.-Physiker im Ruhestand. Ab 2016 versammelte er libertär gesinnte Mitstreiter zu monatlichen Treffen, aus denen dann unser Hayek-Verein Dresden e.V. hervorging, dessen Vorsitzender er ist. Folgen Sie ihm auf Telegram: https://t.me/opakalypse

 

 

 

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