„Rückbau“ mit Steuergeld – Brief zum kulturvernichtenden Kahlschlag

Der Abriß von Wohnhäusern in der im Süden von Zittau gelegenen Kantstraße hat begonnen. — Foto: Bert Wawrzinek

In Zittau wüten die Abrißbagger

Ein Leserbrief zu: Architektonische Dutzendware ist nicht denkmalwürdig
von Dankwart Guratzsch in der WELT vom 11.9.2022

Von Bert Wawrzinek. — Dresden, 14. September 2022

Der Journalist und Architekturkritiker Dankwart Guratzsch schrieb in der WELT zum „Streit um Monumente“: »Wieder wird der „Tag des offenen Denkmals“ pompös gefeiert. In Wahrheit aber wächst die Bedrohung des Kulturerbes. Der Denkmalschutz muss sich endlich wieder am Kunstwert orientieren – anstatt Bausünden der Moderne für unantastbar zu erklären.« Die »amtliche Denkmalpflege« habe »in letzter Minute die Nachkriegsbebauung handstreichartig unter Schutz gestellt«. Dabei »standen sich gegensätzliche Denkmalauffassungen unversöhnlich gegenüber, eine der „Laien“ und eine der wissenschaftlichen Denkmalpflege, Monument gegen Monument – eine in dieser Form geschichtlich völlig neue Konstellation.« (Quelle) Bert Wawrzinek hat auf den Artikel aus seiner eigenen Orts- und Geschichtskenntnis mit einem zustimmenden Leserbrief an die WELT reagiert.

 

Herr Guratzsch spricht mir aus der Seele, denn während gerade hier im Dresdner Barockviertel fragwürdige Plattenbauarchitektur unter Denkmalschutz gestellt wird, wüten im ostsächsischen Zittau die Abrißbagger, wird eine kleine im Süden der Neißestadt gelegene Nebenstraße zum Symbol kulturvernichtenden Kahlschlags.

Schon in den 90er Jahren wurde dort das ehemalige 102er Offizierskasino zunächst saniert, um später einem 0-8-15-Arbeitsamt zu weichen, das – warum auch immer – exakt an dessen Stelle errichtet werden mußte.

2020 verschwand dann ein ganzer Flügel der benachbarten König-Ludwig-Kaserne, seit einigen Wochen nun läßt die örtliche Wohnbaugesellschaft unter Berufung auf Bevölkerungsschwund intakte Mietshäuser vis-a-vis niederreißen: fast die komplette Straßenzeile, 5 Gebäude mit 84 Wohnungen, die in straßenbegleitender Architektur nach dem Ersten Weltkrieg entstanden waren.

Gefördert wird der „Rückbau“ mit Steuergeldern.

Daß es auch anders gehen kann, bewies vor sieben Jahren ein bayrischer Finanzbeamter, den es nach dem Mauerfall in die Oberlausitz verschlagen hatte. Als die 1868/69 entstandene denkmalgeschützte Zittauer Mandaukaserne abgerissen werden sollte, handelte Thomas Göttsberger beherzt und rettete Zittaus größtes Bauwerk vor dem Untergang.

Zum „Tag des offenen Denkmals“ haben wir der alten Dame einen Besuch abgestattet.

DER AUTOR

Bert Wawrzinek wurde 1959 in Leipzig geboren und lebt heute im Stolpener Land. Im ersten Leben Rockmusiker, betreibt er seit drei Jahrzehnten das Historica Antiquariat im Dresdner Barockviertel und ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur sächsischen Geschichte und Kultur.

 

 

 

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