SLIDERGALERIE №12: Olaf Craasmann

Olaf Craasmann in voller Aktion — Foto: Privat

Phantastisches in einem Eimer Waldboden

Winzige Pilze und Insekten und das Problem der Schärfentiefe

Aus unserer Redaktion. — Dresden, 15. Dezember 2020

Olaf Craasmann schreibt: „Will man neue Arten entdecken, kann man in die Tiefsee tauchen, in den Regenwald reisen, das Weltall belauschen. Oder man holt sich einen Eimer Waldboden und schaut sich die tausenden und abertausenden Springschwänze und Milben darin an.“

Olaf Craasmann schaut aber nicht nur, sondern fotografiert die phantastischen Welten, denn er ist ein ambitionierter Natur-Makrofotograf. Gemeinsam mit seinem langjährigen Fotofreund und Chef Stefan Groß ist er Verfasser von Büchern und Fachzeitschriften zum Thema Makrofotografie. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf einem digitalen Schichtbildverfahren, mit dem sich Probleme der Schärfe und der Schärfentiefe beim Fotografieren winziger Objekte lösen lassen. Olaf Craasmann erklärt die clevere Methode:

Mit dem sog. Fokus Stacking werden hunderte oder tausende Bilder mit versetztem Fokus zu einem Einzelbild zusammengesetzt. Das Verfahren ermöglicht es, zwei optische Gesetzmäßigkeiten auszuhebeln, die die Makrofotografie bislang unausweichlich eingeschränkt haben.

Zum einen nimmt die Schärfentiefe bei steigender Vergrößerung immer weiter ab. So lässt sich von einem kleinen Käfer mit einer Aufnahme beispielsweise nur ein Fühler oder das Auge scharf abbilden. Mit Fokus Stacking lassen sich Bilder mit uneingeschränkter Schärfentiefe erzeugen, ähnlich wie mit einem Elektronenmikroskop. Winzige Pilze, Milben oder Urzeitinsekten lassen sich plastisch und vollständig scharf darstellen.

Ein zweiter Vorteil liegt darin, dass man bei jedem Objektiv die Blende wählen kann, bei der es die beste Bildqualität anliefert. Bis zur Verwendung von Fokus Stacking war das Schließen der Blende die einzige Möglichkeit, die Schärfentiefe zu erhöhen, aber zu Lasten der Bildqualität. Mit Fokus Stacking ersetzen jetzt mehrere Aufnahmen mit der optimalen Blende eine Aufnahme mit weiter geschlossener Blende und die Bildqualität wird gesteigert.

Aber auch das Anschauen und Fotografieren ist noch nicht alles: Olaf Craasmann kennt seine Modelle genau: da sind die Krausen Adernzählinge, die Schwärzenden Saftlinge und die Grünspanbecherlinge. Manchmal geht der Schalk durch, wenn er etwa frische Schleimpilzsporenkapseln am Waldboden findet. Dann werden schon mal die zwei Millimeter hohen Bewohner einer sterbenden Fichtenmonokultur als neue Art beschriebt: „The species is Physarum Maybeum“ oder „Physarum Möglicherweisum“ wie der Deutsch-Lateiner sagen würde.

Da das Licht beim Fotografieren eine wichtige Rolle spielt, überlässt es Olaf Craasmann selten dem Zufall, sondern setzt die Winzlinge mit ausgetüftelten Lichtquellen in Szene. Zum Beispiel durchleuchtet eine warmtonige LED-Taschenlampe mit selbstgedrucktem Diffusor die Pilze seitlich von hinten, während eine zweite etwas Herbstlaub im Hintergrund anstrahlt.

Wollen wir dem Fotografen mal über die Schulter blicken?

Heute mal mit einem Zeiss Tessar 2.8 Anno 1956 fotografiert und mit allem kombiniert, was 1956 absolut niemand auf dem Schirm hatte. Abgesehen von Digitalkameras, schon die grundlegende Technik konnte man damals nicht einmal erahnen. Hochauflösende Aufnahmen durch Sensorschift, Fokus Stacking, Blenden Stacking und Licht aus einer LED-Flächenleuchte, Livebild am iPad, Bildschirmlupe und Fokus Peaking. All das lässt sich wunderbar mit dem alten, manuellen Objektiv kombinieren. Diese Objektive werden sogar viel, viel besser nutzbar, mit den Möglichkeiten einer Digitalkamera.

Die Ingenieure von damals würden aus allen Wolken fallen, würden sie die Technik von heute sehen. Trotzdem haben sie schon damals ein interessantes Objektiv gebaut, das mir 64 Jahre später immer noch gefällt. Die Aufnahmen sind nicht so kontrastreich und knackscharft wie mit modernen Linsen, aber dafür kann ich auf f16 abblenden – was ich natürlich nicht mache – und habe immer noch kreisrunde Lichter im Hintergrund. Bei Offenblende gibt es einen netten Effekt, da bekommen die Blasen scharfe Umrisse.

Es ist eine faszinierende Welt, die wir mit Hilfe von Olaf Craasmanns Fotokunst erblicken. Seine Fotos sind auch auf Flickr zu finden. Dort hat er noch über sich vermerkt: „Öko, Nerd, hates every ideology – loves life.“

Die Bilder der jeweils aktuellen Slidergalerie sind hier zu sehen: SLIDERGALERIE

NOCH MEHR FOTOS

Fotos von Olaf Craasmann auf Flickr.

LITERATUR

Stefan Groß und Olaf Craasmann: Fokus-Stacking – Makrofotografie für Profis und Einsteiger. Traumflieger Buch 2019
Stefan Groß und Olaf Craasmann: Pilze als Kunstwerk – Fotografieren, Inszenieren, Belichten. Traumflieger Buch 2018

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