Josef Kraus: »Im Rausch der Dekadenz. Der Westen am Scheideweg«

Während der ausverkauften Veranstaltung im Kulturhaus Loschwitz — Foto: Hayek-Verein Dresden

Von außen massiv bedroht, aber
wohl größte Gefahren im Inneren

Der Oberstudiendirektor ist als konservativ-liberales Urgestein bereits seit über 30 Jahren im Osten öffentlich präsent

Von Dr. Reinhard Günzel. — Dresden, 7. April 2025

Josef Kraus, Träger des Bundesverdienstkreuzes, ehemaliger Oberstudiendirektor eines bayrischen Gymnasiums und dreißig Jahre lang ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, stellte am 27. März 2025 auf unserer – bereits sechs Wochen vor Beginn ausverkauften – Veranstaltung im Kulturhaus Loschwitz sein nun bereits in dritter Auflage verlegtes Buch „Im Rausch der Dekadenz. Der Westen am Scheideweg“ vor.

Kraus selbst, ein konservativ-liberales Urgestein, ist, wie ja das Interesse an der Veranstaltung zeigte, auch in Dresden kein Unbekannter. Kein Wunder, war er doch bereits vor über 30 Jahren im Osten öffentlich präsent, wo ihn seinerzeit nach einem Vortrag das Publikum nicht vom Podium lassen wollte. Nein, er solle doch bitteschön weiterreden, er klänge doch ganz so wie Franz Josef Strauß.

Und auch heute noch ist es für Kraus ein Leichtes, die hohen Erwartungen des Publikums an seine Vorträge und mit seinen Büchern zu erfüllen. Deren Auflagen sind dafür der beste Indikator. Mehr Rezension zu Vortrag und Buch erübrigt sich somit. Nur ein Hinweis zum „Rausch der Dekadenz“ noch: Gleich hinter dem Einband, vor dem Buchtitel, hat Kraus ein paar wohl auch für ihn wichtige Bemerkungen zusammengestellt, sonst hätte er sie auch kaum in seinem Vortrag zitiert. Also, reinschauen lohnt sich.

Wichtig im Prozess der demokratischen Willensbildung

Eine Sache gab es jedoch, auf die ich etwas genauer eingehen möchte. In seinem Vortrag äußerte sich Kraus auch zur AfD und betonte, wie wichtig im Prozess der demokratischen Willensbildung eine parlamentarische Opposition sei, eine Rolle, die heutzutage nur die AfD glaubhaft ausfüllen würde. Er, betonte aber auch, er würde die Partei nicht wählen, was in der späteren Diskussion zu der energisch vorgetragenen Nachfrage führte, was ihn denn bitteschön daran hindere, der AfD seine Stimme geben zu können. Kraus führte zwei Dinge an: Zunächst wies er darauf hin, dass Vertreter der AfD sich zum Tag des Sieges, das ist immer der 9. Mai, jenes Datum, an dem 1945 das sowjetische Oberkommando die Wehrmachtsführung einbestellte und kurz nach Mitternacht nochmals, zusätzlich zur Unterzeichnung vor den Westalliierten am 8. Mai, die Kapitulationsurkunde unterzeichnen ließ, daß an eben diesem Datum Vertreter der AfD der Einladung der russischen Botschaft zur Gedenkfeier folgten.

In der Tat, Kraus ist zuzustimmen, eine Instinktlosigkeit, erst jüngst durch das Land Sachsen getoppt, das diesen Tag auch noch zum offiziellen Gedenktag erhob. Der Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg war eben nicht nur die Folge eines Befreiungskriegs. Er dient in seiner Rückschau bis heute auch als Legitimation und Rechtfertigung staatlicher Zwangsmaßnahmen von Stalin bis Putin und der Relativierung der von der Roten Armee verübten Kriegsverbrechen. Es sei noch angefügt, die mit vaterländischem Epos verkleisterte Sichtweise auf den Gedenktag verhindert bis heute eine schonungslose Aufarbeitung jener Epoche, was wiederum den militärischen Interventionismus der Sowjetunion und Russlands von Afghanistan bis hin zur Ukraine begünstigt.

Klare Ansage und im Publikum breiter Widerspruch

Und Josef Kraus legte mit einer klaren Ansage nach: Putins Angriffskrieg gegen einen souveränen Nachbarstaat sei mit nichts zu rechtfertigen. Doch hier regte sich im Publikum breiter Widerspruch und die Angelegenheit dürfte wohl in der Tat etwas komplexer sein. Abgesehen von den Umständen der Machtwechsel in der von Korruption zerfressenen Ukraine werden freiheitlich gesinnte Menschen sich nie damit abfinden können, dass die ukrainische Armee acht Jahre lang die von der russisch-sprachigen Minderheit bewohnten Gebiete im Osten wahllos und immer wieder mit Artillerie beschoss und überwiegend der dort lebenden Zivilbevölkerung Tod und Verwüstung brachte.

Es fällt angesichts dieser Tatsachen schwer, hier einseitig Partei zu ergreifen. Hans-Herrmann Hoppe meinte gleich zu Beginn des Krieges, der auf russischer Seite bis heute nicht so genannt werden darf: Zwei Bandenchefs sind aneinander geraten, wer in welchen Territorien Schutzgeld erpressen darf.

ZUR PERSON

Josef Kraus, geboren 1949, bis 2015 Oberstudiendirektor an einem Gymnasium in Bayern, Diplom-Psychologe; 1987 – 2017 ehrenamtlich Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (160.000 Mitglieder); 1991 – bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; zur Landtagswahl 1995 in Hessen als „Schattenkultusminister“ Mitglied der CDU-Wahlkampfmannschaft. — Ehrungen: 2009 Bundesverdienstkreuz am Bande; 2018 Deutscher Sprachpreis. — Jüngste Buchveröffentlichungen: »Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt« (2017); »50 Jahre Umerziehung – Die 68er und ihre Hinterlassenschaften« (2018); »Der deutsche Untertan. Vom Denken entwöhnt« (2021, aktualisiert 2023);  »Sternstunden – Große Texte deutscher Sprache« (3. Auflage, 2023; zusammen mit Walter Krämer); »Im Rausch der Dekadenz. Der Westen am Scheideweg« (3 Auflagen 2024). — Ein Großteil seiner jeweils aktuellen und nahezu täglichen politischen Kommentare ist zu finden unter: www.tichyseinblick.de/autoren/josef-kraus/.

DAS BUCH

Josef Kraus: »Im Rausch der Dekadenz. Der Westen am Scheideweg«. 336 Seiten. Langen Müller Verlag, München (2024) (Link)  — Sind die Tage des Westens gezählt, ist er in seiner Vitalität erschöpft? Europa und Nordamerika werden jedenfalls massiv von außen bedroht: politisch, wirtschaftlich, demographisch. Die wohl größte Gefahr aber lauert im Inneren: Geburtenschwund, Bildungsmisere, Konsumismus, Milliardärssozialismus, Weltrettungs-Moralismus, Infantilismus, schwindende Verteidigungsbereitschaft, De-Industrialisierung, getrieben von einer schier suizidalen Sehnsucht nach dem eigenen Verschwinden aus der Geschichte. Es ist ein »wokes«, antiaufklärerisches Gebräu aus Ideologien bzw. Ersatzreligionen, das geradezu rauschhaft in eine dekadente Epoche hinzuführen droht. Werden die freiheitlichen Demokratien fortbestehen? Sicher nur durch die Besinnung auf die Werte und Prinzipen, die den Westen einst groß gemacht und die Welt bereichert haben. (Verlagstext)

DER AUTOR

Dr. Reinhard Günzel ist Dipl.-Physiker im Ruhestand. Ab 2016 versammelte er libertär gesinnte Mitstreiter zu monatlichen Treffen, aus denen dann unser Hayek-Verein Dresden e. V. hervorging, dessen Vorsitzender er ist. Folgen Sie ihm auf Telegram: https://t.me/opakalypse Seine Kolumne erscheint bei Freiheitsfunken (Link). — Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Vereins wieder und werden hier als Diskussionsbeitrag veröffentlicht.

 

 

 

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